Mit seinen 61 Jahren hat Gianfranco Giustina so gut wie alles erreicht, was er wollte. Er habe den "schönsten Beruf der Welt", werde dafür sogar bezahlt und habe das volle Vertrauen seiner Arbeitgeber, der Fürsten von Borromeo. Diese haben ihn zum "Obergärtner" ihrer Lago-Maggiore-Inseln Isola Bella und Isola Madre ernannt. In den vergangenen vierzig Jahren gelang es ihm, die zwei Inseln in botanische Paradiese zu verwandeln.Dafür wurde er mit dem von Experten als "Nobelpreis" bezeichneten Preis für Botanik von der britischen Royal Horticultural Society für den besten Gärtner der Welt ausgezeichnet.

Für Giustina kam das überraschend. Denn gewöhnlich werden Engländer und Botaniker hohen Ranges prämiert. Die Wahl von Präsident Sir Nicholas Bacon fiel aber auf den italienischen Gärtner für seine jahrelange Forschung, für seine Experimente mit exotischen Pflanzen auf der Lago-Maggiore-Insel Isola Madre. Denn im Gegensatz zur Isola Bella, wo Giustinas Werk vor allem darin besteht, die Kultur des italienischen Gartens wiederaufleben zu lassen, herrschte auf der Isola Madre eine "exotische Wildnis" vor.

Gianfranco Giustina rechts neben dem Prinzen und Auftraggeber Vitaliano Borromeo
Foto: tkb


Der Lauf der Natur

In dem hier von Giustina gepflegten englischen Garten laufen zwischen australischen Olivenbäumen, Hibiskus-Pflanzen, schwarzen und goldenen Bambusbäumen bunte Pfaue und Burma-Hennen herum.

"Man muss der Natur ihren Lauf lassen" ist das Motto des Super-Gärtners. Dass er dann hie und da Hand anlegt, gehört zu seinem Erfolgsrezept: etwa mit einer besonderen Farbenwahl, mit neuen Pflanzen oder mit einer Bougainvillea-Wand, die eine Seite der Renaissancevilla der Borromeos auf der Isola Madre verdeckt.

Gianfranco Giustina wird von Kollegen als Künstler, als Gartenkünstler bezeichnet. Doch Gartenarchitekten sind ihm ein Gräuel. Denn der Botaniker ist der Ansicht, dass der Mensch die Natur unterstützen und ihr nicht seinen eigenen Willen aufdrängen soll.Giustina hat das Gärtner-Gymnasium Domenico Aicardi von Sanremo in Ligurien besucht.

Via Ferialjob in den Traumberuf

Noch heute zählt die Schule zu den besten Gärtnerausbildungen des Landes. Aus Borgomanero nahe dem Lago Maggiore gebürtig, nahm er mit 19 Jahren, als Student der Agrarwissenschaften an der Universität Turin, einen Ferialjob auf der Isola Madre an. Er wurde als Gärtner eingestellt.

Bald erkannte er, dass ihn die Botanik und nicht so sehr die Agrartechnik interessierte. So hängte er sein Studium kurzerhand an den Nagel und widmete sich der Botanik auf der Isola Madre. Hier wollte er die Tradition des britischen Gartens fortsetzen und ließ zahlreiche neue exotische Pflanzen hierherbringen. Mit einer einzigartigen Geduld, "Geduld ist die wichtigste Eigenschaft eines Gärtners", mit viel Neugierde und nötigen Interventionen ließ er hier ein exotisches Paradies heranreifen, das selbst die verwöhntesten Besucher erstaunt.

Blick auf die Isola Bella...
Foto: istock
...und Perpektive im Garten.
Foto: istock


Forschung und Förderung

Seine Forschungsarbeiten, seine Experimente und seine Fantasie fanden volle Unterstützung der Familie Borromeo – jener Mailänder Adelsfamilie, die seit dem Mittelalter nicht nur Kardinäle und Generäle hervorbrachte, sondern im Lago Maggiore auch die vier Inseln Isola Bella, Isola Madre, Isola die Pescatori und San Giovanni in Feudalbesitz erhielt.In diesen Tagen blüht im Schlossteich der Insel Madre erstmals eine Art von schwarzer Seerose mit roten Blütenstempeln, ein einzigartiges Exemplar. Inzwischen beschäftigt Giustina bis zu 25 Gärtner.

"Für den Beruf kann man nur dann geeignet sein, wenn die Leidenschaft dafür vorhanden ist." Sicher seien Gärtnereischulen wichtig, wichtiger sei jedoch die Gewissheit des Gärtners, die Natur zu flankieren und nicht ändern zu wollen. Er habe schon viele Gärten in Europa besucht. Aber er sei zum Schluss gekommen, dass es zu einer Renaissance der Gärtnerkunst kommen müsse, es herrsche europaweit im Allgemeinen, in Italien im Speziellen eine Dekadenz.

Auch deshalb sei es sein Traum, Schönbrunn mit dessen Gärten zu besuchen und dort mit den Gärtnern über Tradition und Zukunft der Gartenkunst zu diskutieren. Wann denn die borromeischen Inseln am schönsten seien? "Beim ersten Schneefall im Winter. Wenn ich in den Gärten wandere und meine Spuren im Schnee hinterlasse." (18.07.2015)