Hans Niessl ist stellvertretender SPÖ-Bundesparteivorsitzender, aber auch Vorsitzender der teilweise konkurrierenden "Niessl-SPÖ".

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STANDARD: Was ist der Unterschied zwischen der SPÖ und der Niessl-SPÖ? Das fragen sich viele Sozialdemokraten.

Niessl: Es gibt eine burgenländische Sozialdemokratie. Und es gibt in Wien halt andere Schwerpunkte, sowohl in der gesamten Realpolitik als auch in der Parteipolitik. Wir vertreten eben den ländlichen Raum. Den gibt es in Wien gar nicht.

STANDARD: Und das erklärt Rot-Blau im Burgenland?

Niessl: Das ist ja nichts Neues. 1964 wurde mithilfe der FPÖ Hans Bögl zum ersten roten Landeshauptmann, 1966 dann Theodor Kery. Bruno Kreisky hat seinen Siegeszug mit Unterstützung der Freiheitlichen begonnen. Der Burgenländer Fred Sinowatz hat eine rot-blaue Bundeskoalition geführt.

STANDARD: Aber die haben sich nicht über einen Parteitagsbeschluss hinweggesetzt. Hatten Sie nicht Bauchweh, als Sie das getan haben?

Niessl: Wir haben ja eine Befragung gemacht. Das ist, wenn man so will, auch ein Kennzeichen der Niessl-SPÖ. Wir werden das immer wieder machen. Wenn man das aber tut, und 89 Prozent sagen, "redet mit allen, arbeitet mit allen zusammen, die wollen", dann ist das Auftrag. Man muss in der SPÖ so weit Demokrat sein – es heißt ja "sozial" und "demokratisch" -, dass ich die Meinung von 89 Prozent der Mitglieder respektiere. Dann kann man sich nicht hinstellen und sagen: Das ist nicht meins.

STANDARD: Bürgermeister Häupl und Kanzler Faymann sind trotzdem "not amused". Wie ist ihr aktuelles Verhältnis zu beiden?

Niessl: Werner Faymann ist froh, dass es im Burgenland einen Sozialdemokraten als Landeshauptmann gibt. Er weiß genauso wie ich, dass es schon am Montag nach der Wahl sowohl in der Steiermark als auch im Burgenland grünes Licht gegeben hat für einen Farbwechsel. Die ÖVP wollte da wie dort den Landeshauptmann stellen, mit wem auch immer. Der Spindoktor dahinter war Reinhold Lopatka. Aber da koaliere ich lieber mit dem Herrn Tschürtz als mit dem Herrn Lopatka. Und mit 42 Prozent in Opposition zu gehen oder den Juniorpartner zu spielen, das ich nicht mein Zugang. Hätten wir gemacht, was viele glauben, dass wir hätten tun sollen, dann wäre die Sozialdemokratie im Burgenland tot gewesen.

STANDARD: Wann haben Sie mit Michael Häupl – ein Wochenendburgenländer – zuletzt entspannt ein Achterl trinken und solche Dinge ausreden können?

Niessl: In Neufeld war ich schon länger nicht. Wir haben Wahlkampf gehabt.

STANDARD: Wahlkämpfen tut man in Neufeld nicht?

Niessl: Schon, aber ich habe nicht die entspannten Stunden gehabt, sich in lockerer Atmosphäre zusammenzusetzen.

STANDARD: Jetzt ist Michael Häupl im Wahlkampf und unentspannt?

Niessl: Wir haben ja auch zuletzt intensive Wochen gehabt. Denn es ist noch nie eine Regierung so intensiv in die neue Legislaturperiode gestartet. Wir machen jetzt innerhalb von 14 Tagen vier Regierungssitzungen, drei Landtagssitzungen. Und wir werden den ganzen Sommer, mit einer Unterbrechung von nur einer Woche, durcharbeiten.

STANDARD: Was wäre der Benefit des rot-blauen Fleißes fürs Land?

Niessl: Wir können nun endlich Strukturen, die über Jahrzehnte gewachsen sind, den heutigen Gegebenheiten und Erfordernissen anpassen. Man sieht das zum Beispiel in der neuen Ressortaufteilung. Früher waren vier bis fünf Regierungsmitglieder für den Bildungsbereich zuständig. Jetzt eines. Auch in anderen Bereichen war das so. Wir bündeln jetzt die Kompetenzen in je einem Ressort. Die Verwaltung soll so schlanker und effizienter werden.

STANDARD: Eines der Kompetenzreferate ist die Sicherheit. Können Sie nachvollziehen, dass manche besorgt sind, dass das mit Ihrem Stellvertreter Johann Tschürtz ausgerechnet ein Freiheitlicher leitet, der dann auch gleich, wenn auch vergeblich, "indirekte" Grenzkontrollen angeordnet hat?

Niessl: Ich glaube, dass mehr beruhigt sind als besorgt. Die Sicherheit ist eben vielen ein Anliegen. Es haben ja dann auch Kontrollen durch Polizei und Finanzpolizei an der Grenze stattgefunden vor ein paar Tagen. Die Firmen und Arbeitnehmer sagen: Endlich wird das getan, was der Landeshauptmann seit einem Jahr fordert, nämlich Lohn- und Sozialdumping wirksam zu bekämpfen. Und das wird es auch im verkehrstechnischen und kriminalpolizeilichen Bereich geben.

STANDARD: Aber grundsätzlich ist die Polizei schon Bundessache?

Niessl: Es kann auch der zuständige Landesrat, das ist von der ÖVP in der Vergangenheit nicht getan worden, im Verkehrssicherheitsbereich anordnen. Da hat Johann Tschürtz Kompetenz, die wird er wahrnehmen, und da hat er auch meine Unterstützung.

STANDARD: Das Thema Sicherheit haben Sie immer wieder hochgezogen, zuletzt kam der Vorschlag, in exponierten Gemeinden Videoüberwachung einzuführen. Jetzt soll eine private Sicherheitsfirma Konzepte erarbeiten. Wie soll man sich das vorstellen?

Niessl: Wir warten jetzt einmal die Entscheidung des Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium ab, ob Videoüberwachung möglich ist. Und wir werden eine äußerst renommierte Sicherheitsfirma ersuchen, für diese exponierten Gemeinden ein Gesamtkonzept zu erarbeiten. Erst einmal in drei Pilotgemeinden.

STANDARD: Asyl ist nicht bei der Sicherheit. Würden Sie es dem Bund empfehlen, Asyl aus dem Innenministerium herauszunehmen?

Niessl: Ja. Man darf Asyl- und Sicherheitsfragen nicht vermischen. Der Integrationsminister sollte das Asylwesen übernehmen. Als Außenminister könnte sich Herr Kurz dann gleich auch darum kümmern, dass die Rückführung der Wirtschaftsflüchtlinge tatsächlich erfolgt. (Wolfgang Weisgram, 20.7.2015)