"Dee-mock-rah-SEE" – ein eigenes Wort für Demokratie haben die Burmesen nicht.

Burma (Myanmar)

Das ist Burma (das Gelbe).

derStandard

Den Burmesen fehlen für viele politische und technologische Phänomene die Begriffe. Seit die Militärregierung, die das Land Myanmar nennt, nach fast 50 Jahren Isolation das Land geöffnet hat, steht es mit einem Fuß in der alten diktatorisch-paternalistischen Vergangenheit und mit einem Fuß in einer westlich inspirierten Demokratie, wie die "New York Times" berichtet.

Es fehlen die Worte

Den Menschen fehlen laut "New York Times" im wahrsten Sinne des Wortes die Worte. Beispielsweise wurde das Wort Demokratie zwar bereits vor einigen Jahrzehnten in die burmesische Sprache eingeführt – gesprochen: "dee-mock-rah-SEE" –, jedoch bleibt es für viele Burmesen ein fremdes und irgendwie abstraktes Konzept, schreibt die "New York Times". Ebenso gibt es keine ursprünglichen Wörter für andere Konstrukte wie Rassismus, Föderalismus oder Globalisierung.

Ein Grund dafür liegt in der jahrzehntelangen Isolation des Landes, bei der Menschen wegen eines unautorisierten Faxgerätes eingesperrt wurden, während die restliche Welt in das Informationszeitalter stürmte. Die strikte Zensurpolitik begrenzte den Zugriff auf globale Medien, wodurch zentrale Begriffe moderner politischer und technischer Phänomene keinen Eingang in die burmesische Sprache fanden.

Unter britischer Kolonialbesetzung wurden zwar Wörter wie Budget oder Bier aufgenommen, die fremdenfeindliche Militärregierung der letzten 50 Jahre verbot jedoch Wörter, die aus dem Englischen entlehnt wurden.

Neuen Wörtern fehlt die Bedeutung

Heute, nach der Öffnung, kämen zwar moderne Wörter in das Land, sie verlieren jedoch ihre tatsächliche Bedeutung im Rahmen der Übersetzung. "Die burmesische Sprache hat ein viel ärmeres politisches Vokabular als das Englische," sagte Thant Myint-U, Historiker und Präsidentenberater in Burma, der "New York Times".

So gebe es beispielsweise Schwierigkeiten bei Empfehlungen ausländischer Experten zu Gesetzesentwürfen zum Schutz der Privatsphäre im Internet. Es gebe einfach keine präzise Übersetzung für das Wort Privatsphäre im Burmesischen, was vermutlich daran liegt, dass es wenig Privatsphäre in einer Gesellschaft gibt, in der Menschen traditionell in gemeinsamen Räumen zusammenlebten. Ähnliches gilt für Begriffe wie "Institution".

Auch bei politischen Übersetzungsarbeiten würden bis zu zehn Prozent verlorengehen, sagte Thant Myint-U. Vicky Bowman, eine ehemalige britische Botschafterin in Burma, sagt: "Zehn Prozent sind optimistisch. Ich würde sagen, es sind eher 30 bis 50 Prozent," wie die "New York Times" berichtet. So gab es auch Schwierigkeiten, den Namen der Organisation "Myanmar Center for Responsible Business" zu übersetzen, der Bowman vorsteht. Auch die Software- und App-Entwicklerin Daw Ei Myat Noe Khin hat Schwierigkeiten, wenn sie ihrer Mutter und deren Freunden ihren Beruf erklären möchte. Es gebe kein burmesisches Wort für "Entwickler", "Computer" oder für "Telefon".

Bedeutungsverschiebung

Mit der Zeit kamen verschiedene Wörter in das Land, die jedoch erklärt und umschrieben werden können. Wörter wie Demokratie, die bereits seit längerer Zeit Bestandteil des Burmesischen sind, hätten sich bereits integriert und seien Bestand der Gesellschaft, wie der Name der größten Oppositionspartei "Nationale Liga für Demokratie" zeigt.

Trotzdem sei es fraglich, von wie vielen der 51 Millionen Einwohner der Begriff nach so vielen Jahren der Unterdrückung durch die Regierung verstanden würde. Der Chefredakteur der Zeitung "7Day Daily" U Thaung Su Nyein glaubt nicht, dass Burmesen wissen würden, was Begriffe wie Demokratie, Institutionen oder sogar Freiheit bedeuten. "Frei sein könnte für sie bedeuten: 'Solange niemand mitten in der Nacht an meine Türe klopft, bin ich frei'," wie er der "New York Times" sagte.

Doch auch Wörter, die nicht schwer zu übersetzen sind, können wegen der Militärregierung unterschiedliche Bedeutungen tragen. So der Begriff der Rechtsstaatlichkeit, den die Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionspolitikerin Auung San Suu Kyi bei ihren Reden im Land verbreitete. In den Ohren der Burmesen klinge Rechtsstaatlichkeit ähnlich wie die Ermahnungen der Generäle, dem Gesetz Folge zu leisten: dem Gesetz der Junta.

Rechtsstaatlichkeit nicht gleich Gerechtigkeit

Das Konzept der Rechtsstaatlichkeit sei "kein attraktives Konzept", wie der Kommentator und Kolumnist U Pe Myint in der "New York Times" zitiert wird: "Wir setzen normalerweise Rechtstaatlichkeit nicht mit Gerechtigkeit gleich. Es hat die Nebenbedeutung von unterdrückten Menschen. Ich glaube, dass viele Menschen nicht wirklich wissen, was es bedeutet."

Ähnliche Verständnisschwierigkeiten gebe es auch bei Friedensverhandlungen mit bewaffneten Volksgruppen. Minderheiten fordern ein föderales System, wobei föderal ein westlicher Begriff sei, der militärische Anführer einschüchtert, da sie es mit Abspaltung verbinden, so Thant Myint-U zur "New York Times". "Du nimmst an, dass eine andere Person das gleiche Verständnis wie du besitzt, aber diese Wörter können sehr unterschiedliche Dinge für unterschiedliche Menschen bedeuten", so Thant Myint-U. (red, 21.7.2015)