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Rosanne Cash tourt zurzeit durch Europa. Mit Ehemann John Leventhal spielt sie vornehmlich Lieder aus ihrem im Vorjahr erschienenen Blue-Note-Debüt "The River & The Thread". Am Montag gastiert sie in Wien.

Foto: Victoria Will/Invision/AP

Wien – Ihr Halbbruder hat es probiert, aber es ging nicht. John Carter Cash nahm lieber am Stuhl hinter dem Aufnahmepult Platz als vorn am Mikrofon. Der Sohn von Johnny Cash versuchte sich zwar auf Tour mit seinem Dad als Countrysänger, anders als ein zu erduldender Pausenfüller wurde er nicht wahrgenommen.

Wie schwierig es sein kann, sich aus dem Schatten eines übermächtigen Vaters zu lösen, darüber wurden Filme gedreht, Bücher geschrieben, daran sind im richtigen Leben Existenzen zerbrochen.

Rosanne Cash kann davon ein Lied singen. Oder zwei. Aber sie hat es geschafft. Die älteste Tochter des Countrygroßmeisters Johnny Cash etablierte sich früh als eigenständige Künstlerin, kommenden Montag gastiert die 60-Jährige in der Wiener Arena.

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Ihre Karriere kam zu Beginn der 1980er-Jahre in Fahrt. Das war ein für Country schlechtes Jahrzehnt. Die Ära der gebügelten Jeans und einer Musik, die sich der Technik anstatt der Gefühle ergab.

Das zeitigte überproduzierte Schablonenalben ohne Ecken und Kanten. Nashville, und Rosanne Cash lebte dort, wurde zum Synonym für aalglatte Kommerzprodukte, die Country als authentische Volksmusik des weißen Mannes zu Grabe trugen. Da mittendrin reüssierte sie mit überdurchschnittlich intelligenten Songs und gelangte regelmäßig in die Charts. Heute blickt sie auf ein paar Dutzend Hits zurück, etliche Grammy-Gewinne und Nominierungen sowie eine zweite Karriere als Autorin.

Nach dem Ende ihrer ersten Ehe zog sie Anfang der 1990er nach New York. Dort lebt sie mit ihrem Ehemann John Leventhal. Die Metropole schärfte ihren Blick für die Themen des Country, den sie ohnehin nie hardlinerisch interpretiert hat. Früh ließ sie Folk, Gospel und Blues in ihre Musik einfließen.

Mythen des amerikanischen Südens

Ihr jüngstes mit drei Grammys ausgezeichnetes Album The River & The Thread (2014) ist ein diesbezügliches Manifest. Eine Sammlung von Liedern, die von den Mythen des amerikanischen Südens beeinflusst sind. Von Reisen ins Delta, an die Geburtsorte des Blues, des Soul, des Rock 'n' Roll.

Inspiriert von den Charakteren und der Geschichte dieses Landstrichs entstanden so einfache wie vielschichtige Songs. Etwa Tell Heaven oder The Sunken Lands, die in ihrer Reduktion und erzählerischen Kraft große Wirkmächtigkeit besitzen. Verpackt sind sie in prächtige Herbstfarben und eine patinierte Soundästhetik, die man von Joe Henry kennt. Zusätzlich punktet das Album mit Gastauftritten von Kris Kristofferson oder Tony Joe White.

Auch ihre Familiengeschichte schimmert aus The River & The Thread heraus . Das wunderbare Etta's Tune ist eine Erinnerung Cashs an ihre Tante Etta. Keine Blutsverwandte, aber als Frau eines Begleitmusikers ihres Vaters, Marshall Grant von den Tennessee Two, eine frühe Konstante in ihrem Leben.

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Auf Tour spielt Rosanne Cash ihre Songs im Duo mit ihrem Mann John Leventhal, selbst ein Grammypreisträger und Kollaborateur illustrer Größen wie Willie Nelson, Elvis Costello, Dolly Parton, Emmylou Harris, Charlie Haden oder Levon Helm. Gemeinsam reduzieren sie die Songs auf ihr Maximum.

Wer sich davon an das Spätwerk ihres Vaters erinnert fühlen möchte, bitte sehr. (Karl Fluch, 22.7.2015)