München – Eine ballaststoffarme Ernährung gilt als ein möglicher Auslöser für Erkrankungen wie Dickdarmkrebs oder das Reizdarmsyndrom, die auf entzündliche Prozesse oder eine Autoimmunreaktion zurückgehen. Ob im Umkehrschluss eine ballaststoffhaltige Diät – insbesondere mit einem hohen Anteil an löslichen Ballaststoffen – die Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes verhindern könnte, untersuchten Wissenschafter des Instituts für Diabetesforschung und des Helmholtz-Zentrums in München.

Sie analysierten mehr als 17.600 Ernährungsprotokolle von über 3.300 Kindern aus Deutschland und den USA, die an der sogenannten Teddy-Studie (The Environmental Determinants of Diabetes in the Young) teilnahmen. Die Ernährungsprotokolle wurden in regelmäßigen Abständen geführt, als die Kinder zwischen neun und 48 Monate alt waren. Der Inselautoantikörper-Status der Kinder wurde alle drei Monate überprüft.

Bei mehr als 90 Prozent der Typ-1-Diabetiker können zum Zeitpunkt der Manifestation Inselautoantikörper nachgewiesen werden: Sie gelten daher als eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Sind ein oder mehrere Inselautoantikörper im Blut nachweisbar, wird von einer "Inselautoimmunität" gesprochen. Bei mehreren Inselautoantikörpern entwickeln nahezu 100 Prozent der Betroffenen innerhalb von 20 Jahren einen Typ-1-Diabetes.

Schützen lösliche Ballaststoffe vor Inselautoimmunität?

Bei der Verdauung löslicher Ballaststoffe entstehen als Gärprodukte kurzkettige Fettsäuren, denen antientzündliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Ballaststoffe die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen. Die im Darm beheimateten Mikroorganismen wiederum interagieren mit dem Immunsystem. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass sich das Mikrobiom von Personen mit Typ-1-Diabetes von dem gesunder Personen unterscheidet.

Daher gingen die Münchner Diabetesforscher davon aus, dass die reichliche Zufuhr von löslichen Ballaststoffen in den ersten beiden Lebensjahren vor der Entstehung einer Inselautoimmunität schützen könnte. In diesem Lebensabschnitt treten die meisten Fälle von Inselautoimmunität auf.

Diese Vermutung bestätigte sich nicht: Es konnte zu keinem Zeitpunkt im frühen Kindesalter ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Menge von ballaststoffhaltiger Kost und einer späteren Inselautoimmunität beziehungsweise einem bereits manifesten Typ-1-Diabetes festgestellt werden.

Langfristige Effekte nicht erhoben

"Unsere Auswertungen legen den Schluss nahe, dass eine ungenügende Ballaststoffzufuhr keinen direkten Einfluss auf entzündliche Prozesse im Körper hat, die zu Typ-1-Diabetes führen", fasst Andreas Beyerlein vom Institut für Diabetesforschung die Ergebnisse zusammen.

"Von Diätempfehlungen zur Vorbeugung von Typ-1-Diabetes bei Risikopersonen sind wir derzeit noch weit entfernt. Möglicherweise beeinflussen andere Ernährungsbestandteile das Mikrobiom und die Entwicklung von Autoimmunität", ergänzt die Ernährungswissenschaftlerin Sandra Hummel.

Wegen der noch relativ kurzen Nachverfolgungszeit bei Teilnehmern der Teddy-Studie von im Mittel fünf Jahren können langfristige Effekte allerdings nicht ausgeschlossen werden, betonen die Wissenschafter. (red, 21.7.2015)