Seit zwei Jahrzehnten läuten am 5. August in Serbien die Trauerglocken, während in Kroatien der Tag des Sieges gefeiert wird, die Rückeroberung der von Serben besetzten Territorien, die endgültige Befreiung von der serbischen Okkupation. An diesem Tag drangen 1995 kroatische Truppen im Rahmen der Militäroperation "Oluja" (Sturm) in die serbische Hochburg Knin ein. Für Kroaten ist es eine berechtigte Aktion mit glorreichem Ergebnis gewesen, der Höhepunkt des Freiheitskampfes, für Serben ein Kriegsverbrechen, ethnische Säuberung mit Vorbedacht, die die Tötung von rund 2.000 und die Vertreibung von über 200.000 Serben zur Folge hatte. Die Standpunkte sind unversöhnlich.

Jedes Jahr kühlen so Anfang August die Beziehungen zwischen Belgrad und Zagreb massiv ab. Dieses Jahr sind die gegenseitigen Vorwürfe und Schuldzuweisungen noch lauter, die unterschiedliche Deutung der gemeinsamen Geschichte kommt besonders krass zum Ausdruck: Zum zwanzigsten Jahrestag der Befreiung will nämlich die kroatische Regierung neben der zentralen Feier am 5. August in Knin am Tag davor eine Militärparade in Zagreb organisieren, Nato-Mitglieder wurden eingeladen an der Parade teilzunehmen.

Internationale Beteiligung

Belgrad reagierte empört. Die Teilnahme an der kroatischen Militärparade, die die "ethnische Säuberung der Serben glorifiziert", werde Serbien als einen "antiserbischen Akt" betrachten, erklärte der serbische Außenminister Ivica Dačić. Aus welchen Gründen auch immer, sagten tatsächlich die USA, Großbritannien, Deutschland, aber auch Slowenien, Ungarn oder Rumänien ihre Teilnahme ab. Und der ewige Streit zwischen Belgrad und Zagreb über Henker und Opfer, Helden und Kriegsverbrecher nahm einen neuen Lauf.

Nun herrscht in Kroatien tiefe Bestürzung. "Sieg der serbischen Diplomatie" und "Jubiläums-Siegesfeier im Schatten der diplomatischen Niederlage" titelte die kroatische Presse. "Unsere Diplomatie hat eine schmerzhafte Niederlage gegen die Aggression der serbischen Außenpolitik erlitten", schreibt die kroatische Zeitung "Večernji list". In Belgrad beobachtet man mit Genugtuung den Streit in Kroatien, wer denn schuld an dem "Fiasko" sei, die Berichterstattung kroatischer Medien über den angeblichen außenpolitischen Einfluss Serbiens, das der Westen nicht verärgern wolle, um es nicht in die russische Umarmung zu treiben.

Während die meisten Medien auf beiden Seiten Salz in unverheilte Kriegswunden streuen, stellen nur wenige mit Bedauern fest, wie weit entfernt die Region von einer Versöhnung ist. Das zeigt sich angesichts der zwanzigsten Jubiläumsfeier der Befreiung in Kroatien ebenso wie bei der zwanzigsten Gedenkfeier des Völkermordes in Srebrenica vor zwei Wochen. (Andrej Ivanji, 22.7.2015)