Wien – Die kleine Emili ist neu an der Schule. Ihr Vater, ein wichtiger Firmenchef, ist mit Frau und Kind von Tokio in das verschlafene Dorf Ueda gezogen. Die Eingewöhnung fällt Emili leicht, die Lehrerin ist nett, sie findet schnell Freundinnen.

Maki (Eiko Koike) befreit sich mit dem Samuraischwert von ihrer Schuld.
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Dass im Dorf ein mysteriöser Einbrecher sein Unwesen treibt, der ausschließlich französische Puppen stiehlt, sorgt für eine kurze Irritation am Spielplatz, beschäftigt aber nicht weiter. Dass die Kinder nicht mit fremden Männern mitgehen sollen, schallt später aus den Lautsprecherboxen am Schulgelände. Doch da ist es zu spät. Emili ist tot.

Die Freundinnen sahen den Mörder, mit dem Trauma verschwand die Erinnerung. 15 Jahre später wird die Auslöschung ihr Leben bestimmen.

Der asiatische Zweiteiler Sühne (Shokuzai) von Kiyoshi Kurosawa ist im üppig ausgestatteten, angelsächsisch dominierten Serienkosmos ein dunkel schimmernder, minimalistischer Exot.

Mädchen müssen büßen

Sowohl in Kamera und Erzählmodus unterscheidet sich Sühne vom Mainstreamfernsehen des Westens. Immer wieder kommt die Erzählung ins Stocken: Die Racheengel schweben nicht frei im Raum. Angetrieben werden sie von der trauernden Mutter (Kyoko Koizumi), die bei einer Geburtstagsfeier die Marschrichtung erteilt: „Durch eure Verweigerung kann der Täter immer noch frei herumlaufen. Ich lasse euch das auf keinen Fall durchgehen. Tut, was ihr könnt, um den Mörder zu finden. Wenn nicht, macht es auf eine Weise wieder gut, die mich zufriedenstellt.“ Die Mädchen müssen büßen.

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Vier Episoden schließen an den Kindesmord an. Jede der Freundinnen versucht auf ihre Weise die Entschuldigung. Sie alle tun es still und in logischer Konsequenz.

Folgen eines Verbrechens

Der erste Teil erzählt die Geschichten der Mädchen Sae (Yu Aoi) und Maki (Eiko Koike), die 15 Jahre nach der Tat immer noch an den Folgen laborieren. Sae fühlt sich beziehungsunfähig. Einen Hochzeitsantrag nimmt sie an, die Nächte spielen sich aber anders ab, als erwartet.

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Maki ist strenge Lehrerin, gefürchtet von den Kindern, gehasst von den Eltern. Mit dem Samuraischwert wird sie sich von ihrer Schuld befreien. Wegen Kindesmissbrauchs wird Akiko (Sakura Ando) aktiv. Mit der eisigen Yuka (Chizuru Ikewaki) kommt die Geschichte zum finalen Exzess.

Mehrfach ausgezeichnet

Kurosawa, international angesehener Meister der Inszenierung melodramatischen Alltagshorrors, drehte anfangs Yakuzafilme im Low-Budget-Segment, wechselte dann ins Horrorgenre und erlaubt sich immer öfter Ausflüge ins romantische und dramatische Fach. Mit seinen Filmen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Zwischen Leben und Tod bewegt sich auch Journey to the Shore, heuer bei den Filmfestspielen in Cannes prämiert, ab Herbst im Kino. Seine Genrestärken spielt Kurosawa in Sühne in komprimierter Form aus. (Doris Priesching, 22.7.2015)