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Zoran Barisic glaubt, dass sich Rapid immer weiterentwickelt. Am Samstag kommt zum Auftakt Ried ins Happel-Stadion.

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STANDARD: Präsident Michael Krammer bezeichnete Sie unlängst als echten Wettbewerbsvorteil für Rapid, sagte, die Spielphilosophie und die Weiterentwicklung der Mannschaft verdienten besondere Wertschätzung. Rührt Sie das?

Barisic: Es ehrt mich sehr, natürlich fühle ich mich geschmeichelt. Im gleichen Atemzug ist das eine enorme Herausforderung, diesen Weg fortzusetzen, damit wir noch erfolgreicher werden.

STANDARD: Normalerweise ist der Posten des Rapidtrainers ein Schleudersitz. Sie scheinen fest im Sattel zu sitzen. Stimmt der Eindruck, oder soll man sich im Fußball seiner Sache nie sicher sein?

Barisic: Es ist definitiv trügerisch. Trotzdem beweist es, dass wir in der letzten Zeit sehr gute Arbeit geleistet haben. Ich war zweimal, nach Pacult und nach Schöttel, nur eine interimistische Lösung, wurde im Sommer 2013 zum Chef befördert, weil wir uns noch für einen internationalen Bewerb qualifizieren konnten. Es war aber nicht so, dass ich einen Bonus gehabt hätte. Ich war eher unterschätzt.

STANDARD: Hat es die Arbeit erleichtert, dass Rapid im Nirwana steckte? Man konnte sich hinter Krösus Red Bull Salzburg verstecken. Ein günstiger Zeitpunkt, oder?

Barisic: Der Zeitpunkt war der ungünstigste. Für alles. Wir haben einen kompletten Umbruch gestartet, wir haben die Mannschaft umgebaut, neu formiert. Es wurde eine einheitliche Philosophie innerhalb des Klubs geschaffen, von der U13 aufwärts bis zur Kampfmannschaft. Der Stil ist offensiv ausgerichtet, es geht um viel Ballbesitz über einen kontinuierlichen Aufbau. Wir brechen diszipliniert durch, über die Flügel und zentral. Das Spiel gegen den Ball wurde neu geordnet, es gibt Vorgaben, wie und wann wir pressen. Daran hat sich jeder zu halten. Das hat es vorher nicht gegeben.

STANDARD: Fahrlässig, erst so spät eine Linie gefunden zu haben?

Barisic: Das haben Sie gesagt.

STANDARD: Rapid war zuletzt zweimal Zweiter. Einmal mit 18 Zählern Rückstand, einmal mit sechs. Bringen Sie den Satz, wir wollen Meister werden, über die Lippen?

Barisic: Nein, vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Es gibt Dinge, die ich intern von mir gebe. Die haben, abgesehen von der Mannschaft und dem Betreuerstab, niemanden zu interessieren. Ich würde mir nie anmaßen, vor der ersten Runde zu behaupten, dass wir ein Titelfavorit sind.

STANDARD: Warum diese Bescheidenheit?

Barisic: Wir sind ein Arbeiterklub. Es ist unserer Tradition geschuldet, bescheiden aufzutreten. Wir müssen demütig sein. Das heißt ja nicht, dass wir nicht Meister werden wollen.

STANDARD: Die Bundesliga-Trainer stellen Rapid fast auf eine Stufe mit Salzburg. Sind die ahnungslos?

Barisic: Nein, wir haben uns Respekt verschafft, spielen einen guten Fußball, das kriegt die Konkurrenz mit. Aber alle Trainer sind eher defensiv mit ihren Ansagen.

STANDARD: Rapid hat seit 2008 keinen Titel gewonnen. Wann ist die Zeit reif, was fehlt noch zum Coup?

Barisic: Die Konstanz in der Leistung und bei den Resultaten. Du musst in längere Phasen kommen, in denen alles fließt. Rapid muss ein Fluss werden. Wir arbeiten hart daran, sind gut unterwegs, besitzen ein Team, das alles gibt, mit dem sich der Fan identifizieren kann.

STANDARD: Rapid ist 2014 schwach gestartet, Tiefpunkt war das Scheitern in der Europa League an Helsinki. Was stimmt Sie zuversichtlich, nun sofort präsent zu sein?

Barisic: Die Mannschaft ist noch zusammengespielter, reifer, erfahrener. Die meisten Spieler sind geblieben, es gab kaum Verletzungen in der Vorbereitungsphase.

STANDARD: In der Quali zur Champions League wartet Ajax Amsterdam. Gegen Salzburg sind die Niederländer chancenlos gewesen. Muss sich Ajax vor Rapid fürchten?

Barisic: Nein, aber Ajax hat den Druck, sie müssen weiterkommen. Für uns ist es eine Standortbestimmung, eine Reifeprüfung. Wir haben dafür gebüffelt.

STANDARD: Zurück zur Liga: Salzburg und Austria müssen ein neues Team formen. Rapid hat Huspek, Tomi, Nutz und Auer verpflichtet. Besteht die Gefahr, dass der Kader zu groß ist, dass es zu viele Unzufriedene gibt?

Barisic: Die Gefahr besteht. Speziell dann, wenn wir eine europäische Gruppenphase verpassen. Tanzt du auf drei Hochzeiten, brauchst du den großen Kader. Ich werde rotieren und eine Balance finden. Es wird keinen einzigen Spieler geben, der alle Partien bestreitet. Es gibt keine Einser- und keine Zweiergarnitur. Ich habe eine Einsergarnitur mit 20 Leuten.

STANDARD: Welche Rolle hat der bald 35-jährige Steffen Hofmann?

Barisic: Er ist nach wie vor unser Kapitän, der verlängerte Arm des Trainerteams. Er trägt Verantwortung. Wichtig wird sein, dass er seine Fitness hält.

STANDARD: Drohen noch Abgänge? Beric und Schobesberger werden an der Transferbörse gehandelt.

Barisic: Man ist nie davor gefeit. Gegen Ajax kann man sich in den Blickpunkt spielen, da werden viele Scouts im Stadion sein. Diese Ungewissheit ist ein Teil des Fußballs. Vor zwei Jahren standen wir weder sportlich noch wirtschaftlich gut da, hatten Probleme an allen Ecken und Enden. Das hat sich komplett geändert, wir sind der Entwicklung mindestens ein Jahr voraus. Daran würden auch einige Abgänge nichts ändern. Weil wir einen Keller gebaut, ein Fundament gelegt haben. Dafür ist Sportdirektor Andreas Müller verantwortlich, er hat einen Plan, wir treten geschlossen auf.

STANDARD: Was ist von der Meisterschaft zu erwarten? Kann die Liga von dem Boom, den das Nationalteam ausgelöst hat, profitieren?

Barisic: In weiterer Folge ja. Ein gut funktionierendes Flaggschiff macht den Fußball interessanter.

STANDARD: Besteht die Gefahr, dass die Liga leergekauft wird?

Barisic: Nein, es wird ja mittlerweile gute Nachwuchsarbeit betrieben, die Ernte eingefahren. Natürlich ist alles extremer, schnelllebiger geworden, die Fluktuation wird weiter zunehmen. Ein Auslandstransfer bleibt das Ziel.

STANDARD: Kann Rapid ein Ziel für einen Fußballer sein, oder muss man sich damit abfinden, als Zwischenstation herzuhalten?

Barisic: Jene, die zu uns kommen, sind froh, da zu sein. Aber es ist schon so, dass einer bei Superleistungen weggeht. Endstation ist Rapid nur für wenige Spieler. Zwischenstation klingt irgendwie billig, Sprungbrett ist besser.

STANDARD: Sie kennen gut die zweite Reihe, stehen jetzt in der ersten. Hat Sie dieser Zuwachs an Bedeutung persönlich verändert?

Barisic: Nein. Ich passe halt auf, was ich in der Öffentlichkeit mache, aber als Mensch bin ich der aus der zweiten Reihe geblieben. Ich wurde belächelt, daraus schöpfte ich Motivation und Mut. Ich wollte zeigen, dass ich etwas drauf habe. Es ist gefährlich, wenn dir viele Leute auf die Schulter klopfen. Da muss man aufpassen.

STANDARD: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Barisic: Schwer zu sagen. Ich hoffe, dass ich mir noch mehr Wissen angeeignet, mich mit den Spielern entwickelt habe. Vielleicht habe ich den einen oder anderen Titel im Sack, auf meiner Visitenkarte ist Platz. Ich kann nicht sagen, wo ich bin, man kennt das Geschäft. Ich war glücklich als Individual- und Amateurtrainer, habe mich nie mit dem Gedanken befasst, Cheftrainer von Rapid zu werden. Die Dinge sind passiert, ich hatte auch Glück. Mein Weg war nicht vorgezeichnet, obwohl ich immer Bilder im Kopf hatte. Die bleiben drinnen. Abgesehen davon bin ich mit Rapid noch lange nicht fertig. (Christian Hackl, 25.7.2015)