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IWF-Chefin Christine Lagarde ist Anwältin, nicht Ökonomin

Foto: Reuters/Moraes

Griechenland hat am Freitag einen neuen Hilfskredit vom Internationalen Währungsfonds beantragt, und der Fonds bleibt auch in den neuen Verhandlungen mit Athen, die am Montag beginnen sollen, ein Schlüsselspieler. Aber was ist eigentlich die Position des IWF in der großen Auseinandersetzung um die Zukunft Griechenlands in der Eurozone? Steht er eher auf Seiten Berlins und seiner nordeuropäischen Verbündeten oder auf jener Athens?

Das ist schwer zu sagen. Traditionell ist der IWF Hüter einer soliden Fiskalpolitik in krisengeschüttelten Staaten und sollte daher für ein striktes Sparprogramm in Griechenland eintreten. Aber schon unter der Führung des französischen Sozialisten Dominique Strauss-Kahn und seiner konservativen Nachfolgerin Christine Lagarde hat der IWF häufig und lautstark die europäische Sparorthodoxie infrage gestellt.

Studie forderte Schuldenschnitt

In den hektischen Verhandlungen für ein neues Hilfsprogramm nahm der IWF aber mehrmals eine besonders harte Haltung ein, was die Spar- und Reformforderungen an Griechenland betraf. Gleichzeitig ging er mit einer Studie an die Öffentlichkeit, die zwar eigentlich die Wirtschaftspolitik der Regierung Tsipras massiv kritisierte, von der Führung in Athen aber als Rückendeckung für einen massiven Schuldenschnitt verkauft wurde – auch den eigenen Wählern, die prompt für das fatale "Nein" im Referendum stimmten.

Tatsächlich erklärte der IWF darin, dass die griechische Schuldenlast unhaltbar ist. Aber Lagarde machte bald klar, dass sie nicht unbedingt einen Haircut fordert, sondern eine Stabilisierung auch durch eine Verlängerung der Laufzeiten erreicht werden können – eine Position, die auch Deutschland akzeptiert, aber in Athen als ungenügend zurückgewiesen wurde. Und bei den eigenen Krediten an Griechenland zeigte sich der Fonds auch nicht verhandlungsbereit.

Viel Freiraum für IWF-Ökonomen

Insgesamt bietet der IWF in der Griechenlandkrise den Eindruck von widersprüchlichen, schnell wechselnden Positionen. Eine Ursache ist wohl, dass in der Washingtoner Zentrale zahlreiche kluge Ökonomen arbeiten, die unter dem gerade geschiedenen Chefökonomen Olivier Blanchard viel Freiraum auch für unkonventionelle Ansichten genossen haben.

Aber es wäre die Aufgabe der IWF-Generaldirektorin, aus all dieser Expertise eine kohärente Position zu formen. Daran ist Lagarde bisher gescheitert. Die Französin wird zwar allgemein respektiert, aber der Einfluss des IWF ist durch die Widersprüchlichkeit ihrer Aussagen und Haltungen geschrumpft.

Eine Anwältin, keine Ökonomin

Vielleicht liegt das daran, dass Lagarde anders als ihre Vorgänger von der Ausbildung und Berufserfahrung her keine Ökonomin ist, sondern Anwältin. Es fehlt ihr daher das persönliche Bedürfnis, eine auch von der Theorie her schlüssige Position zu entwickeln.

Pragmatismus ist in einer solchen Position gut – und in der Vergangenheit hat es dem IWF daran immer wieder gefehlt. Aber wenn man niemand mehr weiß, wo man steht, dann hat man auch nicht mehr viel mitzureden.

Dabei muss sich der IWF nicht auf die eine oder andere Seite schlagen. Er könnte auch als Vermittler zwischen Athen und Berlin bzw. Brüssel auftreten. Aber auch dafür darf man sich nicht ständig widersprechen bzw. diesen Eindruck vermitteln.

Ausstieg aus der Troika

Vielleicht wäre es das Beste, wenn der IWF überhaupt aus dem Management der griechischen Krise aussteigt und sowohl neue Hilfskredite als auch Überwachung der griechischen Wirtschaftspolitik den europäischen Institutionen überlässt. Der Fonds wollte anfangs gar nicht mitmachen und wurde von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel dazu gedrängt.

Ein Ausstieg des IWF hätte eine weitere gute Seite: Die Troika wäre Geschichte – und damit auch ein emotional aufgeladenes Feindbild für die griechische Bevölkerung. (Eric Frey, 26.7.2015)