Nahezu 4000 Todesopfer hat der Krieg in der Ostukraine bisher gefordert, an die hunderttausend jener zwischen wechselnden Verbündeten und dem "Islamischen Staat" auf syrischem Territorium. Ein Krieg, von dem selten jemand spricht, tobt seit vierzig Jahren zwischen den mexikanischen Drogenkartellen und dem von den USA unterstützten mexikanischen Staat – mit bis jetzt 80.000 Opfern.

Jetzt steht diese Brutalität pur wieder einmal auf dem Menüplan der Medien. Einerseits, weil es dem Kartellchef "El Chapo" Guzman zum zweiten Mal gelungen ist, aus einem Hochsicherheitsgefängnis zu flüchten. Andererseits, weil kurz davor der zweite, ziemlich präzis mit Tatsachen untermauerte Drogenkriegsroman des Bestseller-Autors Don Winslow Das Kartell erschienen ist – mit Guzman (unter einem anderen Namen) als Hauptfigur. Im Vergleich zum Drogenkrieg ist der Kampf um die Ostukraine eine Auseinandersetzung mit den Methoden des späteren 20. und den Großmachtzielen des 19. Jahrhunderts

Rund zweihundert Tonnen Kokain

Winslow wird nicht müde zu erklären, dass die "Narco-Ökonomie" mindestens zehn Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Mexikos ausmacht. Jene rund zweihundert Tonnen Kokain, die in die USA verkauft werden, haben einen Straßenwert von gut 20 Milliarden Dollar. Die Drogenbarone reinvestieren ihren Reichtum zunehmend in Form von Immobilien. Texas, mit seiner langen Grenze zu Mexiko, hat denn auch die Immobilienkrise ganz rasch verdaut.

Die Kenner dieser Drogenökonomie nennen die harten Kämpfe deshalb "Krieg", weil die Kartellbosse große Teile Mexikos längst – ähnlich den ukrainischen Oligarchen und Separatisten – unter sich aufgeteilt haben. Es geht nicht nur um Geschäft, sondern auch um Landraub. Die Transportrouten mit den sie umgebenden "Sicherheitszonen" werden von den Logistikzentren der einzelnen Kartelle gesteuert und überwacht.

Privatarmeen der Kartelle

Den staatlichen Truppen stehen Privatarmeen der Kartelle gegenüber, die längst mit mexikanischen, in den USA ausgebildeten Elitesoldaten arbeiten. Ihnen stehen, wie man gut in US-Serien à la CSI Navy sehen kann, amerikanische Elite-Einheiten gegenüber, die für Spezialeinsätze frühpensionierte US-Agents anheuern.

Da sich wegen des Drogenhandels der Krieg längst hinein in die US-Großstädte verwoben hat und die Polizeikräfte wie das Militär agieren, wird in Zeitungskommentaren genau diese Entwicklung auch für die Eskalation der Übergriffe auf Schwarze verantwortlich gemacht. Ein Schwarzer ist nun einmal schneller ein potenzieller Drogendealer.

Dieser unabwendbaren Schraube des Unheils in die amerikanische Gesellschaft hinein ist kein Gegenmittel gewachsen. Wo setzt man an? Bei den Konsumenten – bis hinauf in die höchsten Kreise? Bei den pflanzenden Bauern, denen man garantierte Abnahmen für alternative Produkte anbieten müsste? Ebenfalls Fehlanzeige.

Wer sich dann noch die Drogenproduktion in Afghanistan und deren Distribution dazudenkt, ahnt die Dramatik der Gefahren. (Gerfried Sperl, 26.7.2015)