STANDARD: Herr Zoubek, von Ihrem Biohof im Marchfeld ist es nicht weit nach Hainburg. Waren Sie bei der Au-Besetzung dabei?

Zoubek: Nein, damals hatte ich noch andere Prioritäten, da habe ich Landmaschinen verkauft. Heute würde ich mit der ganzen Familie hingehen, vielleicht mit dem ganzen Betrieb.

STANDARD: Sie, Herr Rupprechter, waren in Hainburg und sagen von sich selbst, Sie seien ein Grüner der ersten Stunde.

Rupprechter: Da muss man ergänzen: Ich war ein Grüner der ersten Stunde, habe mich aber politisch weiterentwickelt.

STANDARD: Wie viel Grün steckt noch in Ihrer Politik?

Rupprechter: Das kommt darauf an, woran man das misst. Mir ist das Prinzip der Nachhaltigkeit sehr wichtig. Ich positioniere mich politisch als Christlich-Sozialer, und das war immer eine Veränderungsbewegung, schon seit der Enzyklika Rerum Novarum von Papst Leo XIII. Jetzt gerade bekommen alle, die sich der Nachhaltigkeit verpflichtet sehen, durch die Enzyklika von Papst Fransziskus, Laudato si', neuen Auftrieb. Das ist jetzt der geistige Überbau dafür, wie man mit den Umweltkrisen, etwa dem Klimawandel, umgeht.

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STANDARD: Wie nachhaltig ist die Umwelt- und Landwirtschaftspolitik aus der Sicht eines Biobauern?

Zoubek: Der jetzige Minister ist dabei, einiges zu bewegen. Ich glaube aber, dass es starke Interessen von der Industrie gibt, möglichst wenig zu ändern. Es kommt auf die Initiative von Einzelnen an. Das Marchfeld ist die am intensivsten genutzte Gegend Österreichs, die Umwelt leidet sehr. Es fehlt an Hoffnung und an positiven Beispielen. Die Politik kann die Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel eine bessere Ausbildung, aber leben müssen's die Bauern. Wenn sie zu wenig Mut haben, sind sie selber schuld.

Rupprechter: Sie sind ja ein Musterbeispiel für die Innovationskraft der Bauern. Gerade im Biobereich sind wir Weltmarktführer, haben den größten Bio-Anteil an landwirtschaftlicher Nutzfläche.

STANDARD: Das Potenzial wird aber nicht ausgeschöpft. Bei der Nachfrage nach Biolebensmitteln gibt es jährliche Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Anbaufläche und Anzahl der Betriebe stagnieren aber seit Jahren, der Importanteil ist hoch.

Rupprechter: Ich kann keinen Bauern dazu zwingen, dass er umstellt. Es ist die unternehmerische Entscheidung des Einzelnen. Mir sind die Biobauern lieber, die das aus Überzeugung machen und weil sie einen Markt sehen, als jene, die nur überlegen, wie sie ihre Förderungen optimieren.

Zoubek: Wir müssen die Wertschätzung für Lebensmittel erhöhen, weg von der Geiz-ist-geil-Mentalität. Wenn ein Lebensmittel billig ist, dann leidet entweder ein Mensch, ein Tier oder die Umwelt. Ich habe natürlich den Vorteil, zehn Kilometer vor der Haustür ein Millionenpublikum zu haben. Wenn ich im Waldviertel leben würde, müsste ich mir was anderes überlegen. Aber ich versuche, etwas zu unternehmen. Das Bewusstsein für Lebensmittel stärken wir mit Exkursionen für Schulklassen. Wir hatten unlängst einen Zwölfjährigen bei uns, der hat den Zusammenhang zwischen Pommes und Kartoffeln nicht gekannt – schrecklich. Es wird uns in der Werbung oft eine heile Welt vorgegaukelt. Menschen in Dirndl und Tracht, sprechende Schweinchen. Mit der Realität hat das nichts zu tun.

STANDARD: Trifft das manchmal auch auf die Politik zu: viel Show, aber wenn es drauf ankommt, dann doch lieber nicht anecken?

Zoubek: Es gibt natürlich Politiker, die treffen eine Entscheidung, und man ahnt schon, dass die wer weiß wo sind, wenn diese Entscheidung dann umgesetzt wird. Was wir brauchen, sind ehrliche Menschen, die nicht nur reden.

Rupprechter: Ich habe den Anspruch, dass das, was ich sage, auch umgesetzt wird – und bis jetzt hat das zumindest meiner Einschätzung nach immer gepasst.

Sommergespräch an einem der heißesten Tage des Jahres in der Meierei im Wiener Stadtpark: Mehr Mut von den Bauern wünscht sich Gerhard Zoubek, und rennt damit bei Andrä Rupprechter offene Türen ein: "Ich kann niemanden zur Bio-Umstellung zwingen."
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Herr Rupprechter ist als Minister für die Belange aller Bauern zuständig, seine Karriere hat beim ÖVP-Bauernbund begonnen. Fühlt man sich als Biobauer in der Interessenvertretung und in der Politik repräsentiert?

Zoubek: In der Landwirtschaftskammer fühle ich mich nicht immer vertreten, das sind oft Hardcore-Menschen. Der Minister ist noch zu kurz im Amt. Aber es gefällt mir, wie er das ein oder andere durchzieht. Die Hoffnung ist groß.

STANDARD: Sind Sie ein Hardcore-Minister?

Rupprechter: Das weiß ich nicht, aber ich glaube, ich kann entscheiden und auch anschaffen. Zu meiner politischen Herkunft: Der Bauernbund ist vor 120 Jahren gegründet worden als eine Veränderungsbewegung, damals gegen die Konservativen und den Klerus. Denen war das gar nicht recht, dass sich die Bauern plötzlich selbst organisieren und eine Veränderung ihrer sozialen Situation herbeiführen wollen. Ich verstehe den Bauernbund deshalb nicht als konservativ, sondern als Organisation, die verändern und gestalten will.

Zoubek: Wenn man sich die Marchfelder Bauern anschaut: Da gilt es ja schon als genial, wenn man genveränderte Organismen ablehnt. Die sind ja oft von ihrer Einstellung her noch viel hardcoremäßiger unterwegs. Es gibt zwar einige, die sagen: Das glaubt man ja nicht, eure Kartoffeln sehen nicht anders aus als unsere, obwohl wir einmal pro Woche mit der Spritzmaschine drüberfahren. Aber Veränderung braucht lange, und da stehen gewisse Interessen dahinter. Die Industrie, die damit gutes Geld macht, wird sich das nicht nehmen lassen. Der konventionelle Bauer muss ja heute gar nicht mehr von seinem Traktor heruntersteigen, weil er per App eine Nachricht bekommt: Es hat geregnet, es gibt Pilzdruck, fahrts mit der Feldspritze. Und der Erste, der fährt, verursacht eine Hysterie, weil man möchte ja dazugehören. Das hat mit Unsicherheit zu tun, aber auch mit den fehlenden Leuchttürmen, die zeigen: Schauts her, es geht auch anders.

Rupprechter: Wir haben gerade das Gentechnik-Anbauverbot im Verfassungsrang beschlossen, mit Zweidrittelmehrheit. Wir sind das erste Land, das vom Selbstbestimmungsrecht Gebrauch macht, das in der EU letztes Jahr verankert wurde. Wir können stolz sein, dass das ein parteiübergreifender Konsens ist – auch innerhalb der Landwirtschaft. Wir wollen keine genveränderten Organismen.

Zoubek: Wir im Marchfeld waren wirklich bedroht. Wir haben ja jetzt schon Probleme mit der Verfrachtung von Spritzmitteln.

Zoubek, Gründer des Biohof Adamah, kritisiert Zerrbilder in der Werbung: "Menschen in Dirndl und Tracht, sprechende Schweinchen. Mit der Realität hat das nichts zu tun."
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Gerade bei Pflanzenschutzmitteln ist es mit dem Konsens innerhalb der Bauernschaft schnell vorbei.

Zoubek: Allein der positiv besetzte Ausdruck "Pflanzenschutzmittel". In Wahrheit ist es ja Gift. Nicht umsonst ist auf den Behältern überall ein Totenkopf drauf. Wir Biobauern müssen uns kennzeichnen. Ich wäre dafür, dass man es genau umgekehrt macht: Kennzeichnungstafeln sollte man dort aufstellen, wo chemisch-synthetische Mittel ausgebracht werden.

Rupprechter: Ich werde nicht Partei ergreifen für biologische oder konventionelle Landwirtschaft. Alle haben ihren Stellenwert. Faktum ist, es gibt zugelassene Wirkstoffe zur Behandlung von Schadorganismen, die streng geprüft werden, bevor man sie freisetzen darf. Die Bauern machen das ja auch nicht, um möglichst viel Pflanzenschutzmittel einzusetzen, das sind ja auch Kosten. Aber wenn ich ein großes Maisfeld habe und der Maiswurzelbohrer mir alles zusammenfrisst, das ist teilweise flächendeckend, ein epidemischer Befall. Da sind wir als Behörde sogar verpflichtet, die Ausbreitung einzudämmen. Es kommt immer auf den Wirkstoff an und ob er für die Umwelt schädlich ist.

STANDARD: Das Landleben-Idyll kann auch Flucht aus dem Alltag sein. Ist der Bio-Trend eine Ersatzreligion?

Zoubek: Religion würde ich nicht sagen, aber vielleicht ist es gut, wieder ein Stück Ursprünglichkeit zu haben. Und ich glaube, es braucht mutige Menschen, die sich hinstellen und sagen: Ich weiß auch nicht, ob es gut ist, aber ich glaube, dass es gut sein kann. Diese Botschaften können vielleicht Menschen zurück ins Boot holen, die in Zeiten wie diesen orientierungslos herumirren.

Rupprechter: Je mehr die Globalisierung für jeden Einzelnen spürbar wird, etwa durch die Konkurrenz am Arbeitsmarkt, umso mehr sehnen sich die Menschen nach Ursprünglichkeit. Sie wollen wissen, wo kommen die Lebensmittel her, die wir essen. Ich gehe selbst nicht mehr einkaufen, weil ich einfach keine Zeit dafür habe. Aber meine Frau achtet sehr auf gesunde Lebensmittel.

STANDARD: Ein nachhaltig gutes Leben wünschen sich auch viele Flüchtlinge. Erntehelfer ist eine der wenigen Tätigkeiten, denen sie legal nachgehen dürfen. Beschäftigen Sie auch Asylwerber?

Zoubek: Nein. Wenn ich jemanden anstelle, dann wird der von den anderen Mitarbeitern als Fremdkörper gesehen. Da wirken gewisse gruppendynamische Prozesse. Und ich kann mir auch nicht die Betreuung leisten, die notwendig wäre, schon allein wegen der Sprachbarriere.

STANDARD: Herr Rupprechter, in Österreich müssen derzeit fast genauso viele Flüchtlinge im Freien und in Zelten übernachten, wie Ihr Heimatbundesland Tirol insgesamt unterbringt. Ist dieser Umgang mit Flüchtlingen im Einklang mit der christlichen Soziallehre?

Rupprechter: Wir sind zur Solidarität verpflichtet. Eine wichtige Aufgabe der EU ist es, europäische Verantwortung zu übernehmen. Wir sind eines der Länder, die derzeit die Hauptlast tragen. Dass man diese Last auf alle Länder aufteilt, ist ein vorrangiges Anliegen.

Rupprechter zur Solidarität mit Flüchtlingen: "Wir dürfen nicht zum Land werden, wo alle hinwollen, weil wir so eine tolle Mindestsicherung haben."
Foto: Heribert Corn

Zoubek: Man muss auch sehen, wer da etwas davon hat. Es gibt die, die fliehen müssen, weil sie bedroht oder verfolgt werden. Aber es gibt auch sehr viele, denen wird das Paradies versprochen, von Leuten, die damit Geld verdienen. Die Schlepperei ist ein Wirtschaftszweig geworden. Bei aller sozialen Unterstützung, das packen wir nicht.

Rupprechter: Ich stimme vollkommen überein. Die Ausnutzung des Wohlstandgefälles ist inzwischen ein Business-Modell geworden. Da wird Schindluder getrieben mit der Gefährdung von wirklich betroffenen Flüchtlingen.

STANDARD: Sie glauben auch, dass wir es nicht mehr packen?

Rupprechter: Wir packen das nur mit europäischer Solidarität. Österreich war immer sehr solidarisch, im Jugoslawienkrieg, in der Ungarnkrise, im Prager Frühling. Aber diese Solidarität darf man nicht überstrapazieren, vor allem nicht jene, die Missbrauch betreiben. Wir dürfen nicht zum attraktivsten Land werden, wo alle hinwollen, weil wir so eine tolle Mindestsicherung haben. (Simon Moser, 29.7.2015)