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Aus Österreich macht der Freeman "Erlösterreich". Für seine Vorträge verlangt er keinen Eintritt, sondern "Austritt".

Foto: apa/dpa/Ole Spata

"Fakt ist: Wir wissen es nicht." Die Rede ist von Gaskammern im Dritten Reich. "Ich bin der Meinung, dass wir es beide nur gehört haben ... das von den sogenannten 'Gaskammern'." Die Zitate – inklusive der Anführungszeichen rund um das Wort Gaskammern – stammen von der Kunstfigur "Freeman Austria". Dahinter steht der Oberösterreicher Johann Ewald "Joe" Kreissl.

Die Aussagen sind auf Facebook öffentlich einsehbar. Ich hatte auf der Webseite des Freeman "Welcome to Freedom" einen Aufruf zur Solidarität entdeckt – mit dem laut Webseite "zu Unrecht" verurteilten Holocaust-Leugner Wolfgang Fröhlich. Ich habe Kreissl gefragt, ob Solidarität mit einem Holocaust-Leugner einen schlanken Fuß macht. Und was er zum Buch "Der Gaskammerschwindel" aus der Feder Wolfgang Fröhlichs sagt – einem Mann, dessen Akte beim Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands dicke Ordner füllt.

Spezialdisziplin Wortklauberei

Die Antwort des Freeman: "Wenn jemand ein Buch schreibt, welches offenbar nur Fragen aufwirft, dann ist das auch nicht Wiederbetätigung." Das wäre es nämlich nur dann, "wenn wir tun, worüber wir vielleicht schreiben". In Sachen Wortklauberei ist der Freeman behände. Das ist seine Spezialdisziplin. Aus Österreich macht er "Erlösterreich" in seinen Vorträgen, in denen er seine "Unabhängigkeit vom Personalverband der Republik Österreich" erläutert. Für die "Freemantalks" verlangt er keinen Eintritt, sondern "Austritt". Er bleibt locker in Sachen Zeitgeschichte: "Wenn der Wolfgang Fröhlich erkennt, dass er ab sofort ein geistig-sittliches Wesen ist, ist er auf der Stelle freizulassen ...".

Esoterisches Geschwurbel

Ich dokumentiere die bizarren Umtriebe des Freeman Austria auf meinem Blog "Die Gurufalle". Im Dezember des Vorjahres habe ich einen Userartikel veröffentlicht ("Krude Thesen auf Friedensmahnwachen"). Ich habe mich über Aussagen wie "Der Euro gehört den Rothschilds" geärgert und über zwei- bis eindeutige Bonmots: "... man kann googeln, wer am Zweiten Weltkrieg verdient hat". Um dann nicht einmal erstaunt zu sein über die Forderung, "unsere Regierung verhaften zu lassen", um Heinz-Christian Strache die Regierungsgeschäfte zu übergeben.

Das mag alles ungustiös sein, aber von süffisant bis provokant vorgebrachten Aussagen zur Existenz von Gaskammern im Dritten Reich und der unverschämten Parteinahme für den Revisionisten hielt ich den Freeman noch weit entfernt. Man kann sich täuschen. Und es täuschen sich viele. Es täuschen sich Menschen, die man beim besten Willen nicht anfällig hält für geschickt in Unmengen von esoterischem Geschwurbel platzierte Botschaften vom rechten Rand.

Auf einem fairen Festival

Das Musikfestival Teichen im steirischen Großsteinbach in der Oststeiermark hat Kreissl und dessen "Freemanspeech" im Programm gehabt. Das Festival ist laut Webseite "ein Sammelsurium kreativer Ideen, Kunst und Kulinarik. Regional, fair und bio/öko-logisch." Der Freeman, der als "Wortführer einer weltweiten Bewegung" den Menschen nunmehr "hauptberuflich den Weg in die Freiheit zeigt", hätte einen Auftritt unmittelbar vor dem Duo Attwenger gehabt.

Ich kontaktierte die Veranstalter und machte sie auf die Aussagen aufmerksam. Die Antwort: Die neuesten Freeman-Talks auf Youtube seien "eben durchwachsen von diversen sehr alternativen Ansätzen, das zugegeben", aber nirgendwo sei "irgendetwas über Holocaust-Verleugnung" zu hören, "nicht mal ansatzweise näherte er sich der Materie". Den Vorschlag, mich auf die "heiße Couch" mit dem Freeman zu setzen und "drüber zu reden", lehne ich dankend ab.

Freeman ist off Stage

Die Veranstalter von Teichen machten vor wenigen Tagen trotzdem einen Rückzieher: Man werde Freeman nicht auf der Bühne begrüßen – "um jeglicher Hysterie vorzubeugen", heißt es auf der Festival-Homepage. Er werde das nachhaltige und faire Festival als Gast beehren, teilen die Veranstalter mit, ohne auf dessen krude Aussagen einzugehen. Der Freeman freue sich darauf, "auf Augenhöhe" mit den Gästen zu plaudern. Mit mir plaudert der Freeman auf Augenhöhe aus einem Youtube-Video, das er ohne falsche Bescheidenheit als "Offenbarung des Johannes 2.0" betitelt und in dem er mich beim Namen nennt und als "Zeck" bezeichnet.

Mauthausen gesehen – und Superman im Fernsehen

In Sachen Holocaust legt er mit Vergleichen nach: "Habt ihr schon einmal was gehört vom Holocaust? ... Ich bin genau in dieselbe Schule gegangen wie irgendwie jeder von euch, wir sind nach Mauthausen gefahren. Ich hab die Bagger gesehen, wie sie die Leichen herumgeschaufelt haben. Grauslich, grauslich. ... Ich habe das alles selbst gesehen, aber ich habe auch den Superman im Fernsehen gesehen."

Dann zitiert er aus einer Publikation zum Holocaust, "furchtbar, oder?", und kommt zum Schluss: "Holocaust ist wie gesagt kein Wort, das mit Juden zu tun hat, sondern das ist ein Wort, das heißt Brandopfer." Außerdem sei immer noch Holocaust auf dem Planeten, "es heißt halt anders, es heißt vielleicht Uno, Krieg und Personalwesen".

Joe Kreissl war, bevor er in die Rolle des Freeman Austria schlüpfte, als Captain Joe Morgan Frontman der österreichischen Reggae-Band "Buccaneers". Die Musik steht bei ihm jetzt nicht mehr an erster Stelle. (Christian Kreil, 30.7.2015)