Rund 200 PS bei etwa 200 Kilogramm sind eine klare Ansage.

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Vor sechs Jahren stieg BMW in die Klasse der 1000er Supersportler ein, und ist seit Beginn an ganz vorne dabei.

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Satter Sound und herrliches Brabbeln für den Piloten sind auf der Rennstrecke herrlich. Auf der Straße heißt das aber auch viel Lärm für Passanten.

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Die Multifunktionanzeige spiegelt Daten wieder, für die andere Fahrer ein Telemetrie-Team brauchen.

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Topcase und Tankrucksack machen die S 1000 RR nicht unbedingt schöner, meinen Stiling-Experten.

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Das war keine gute Woche. Dabei hätte wenigstens der Ausklang ein netter sein sollen. Doch am Heimweg vom Schweizerhaus stand da dieser Automat, aus dem eine Schlagbirne um eine paar Boxschläge bettelte. Die Jungs waren natürlich schwer motiviert. Ich bin als Zweiter angetreten. So kann ich mir einmal anschauen wie das geht, und hab es trotzdem schnell hinter mir. Als ich beim ersten Versuch die angschraufte Schlagbirne verfehlte, als hätte die sich weggeduckt, sind die Jungs am Boden gelegen vor lauter Lachen. Beim zweiten Versuch habe ich getroffen. Da hat dann der Automat auch noch mitgelacht. Ich hätte ihn gekitzelt und ich solle das lassen, meinte er.

Schon seit Anfang der Woche wurde ich ähnlich verhöhnt. Von einem Motorrad. Nein, vielmehr von der Maschin schlechthin. Der BMW S 1000 RR. 200 PS treffen auf 200 Kilo. Grob halt. 199 PS verspricht BMW am Datenblatt, bei 204 Kilogramm, fahrfertig und vollgetankt, mit 17,4 Liter Sprit. Dazu kommen 200 Sack Spott und Hohn, mit welchen mich die Doppel-R von Anfang an verprügelt hat.

Man gewöhnt sich nicht an diese Leistung

Erst traust dich das Gas nicht aufmachen, weil die 200 PS so vehement anreißen, dass dir abwechselnd mit dem Schaltblitz das Antlitz deines Lebensversicherungsberaters erscheint. Sehr unangenehm. Bei einem Auto gewöhnst du dich innerhalb weniger Minuten daran, die schiere Kraft aus bis zu 700 PS zur Verfügung zu haben – gar kein Problem. Bis du aber auf der BMW mit dem Schub zurande kommst, das dauert Jahre. Sollte Ihnen also eines Tages jemand unter die Augen treten, der sagt, er habe die S 1000 RR jetzt wieder verkauft, weil sie ihm "z’gring" worden sei, dann schauen Sie auf seine Füße. Denn dort muss er Raketensocken mit ABS-Sohle tragen.

Mit rauchiger Kehle trägt die 19.550 Euro teure S 1000 RR ihren Spott aus dem Endrohr vor. Und jedes Mal, wenn man das Gas schließt, dann quittiert sie das mit einem Ploppen. Das heißt dann vermutlich so viel wie: "Kitzel mich nicht. Lass das. Milchbub."

Die ärgste Pein sind aber die Armaturen. Grad, dass sie dich nicht anspucken. Und das geht so: Die BMW zeigt die maximale Verzögerung in Meter pro Sekunden-Quadrat an. Auf einer Skala, bei der ich gerade einmal den Keller füllen kann, ohne dass ich Nasenbluten bekomme. Vorbei sind die Zeiten wo jeder Fahranfänger besser gebremst hat als ein Motorrad-ABS. Jetzt ankert das Race-ABS so hart, dass du immer zu früh am Hebel gezogen hast und schon stehst, bevor die Kurve überhaupt erst anfängt.

Launch Control und Schräglagen-Mess-Dings

Umgekehrt hat die Test-Doppel-R mit dem 420 Euro teuren Race-Paket auch eine Launch Control verbaut, die so scharf arbeitet, dass du aufpassen musst, mit dem Hinterkopf nicht auf der Soziusabdeckung aufzuschlagen. Herrliches Muskeltraining für die Arme. Oder ein Glachter für die Zaungäste.

Keinesfalls darf man auf die Armaturen schauen, wenn man gerade im tiefen Hang-off, mit dem Knie – und sicher fast auch schon mit dem Ohrwaschl – schleifend durch eine Kurve geschossen ist, dass Marc Marquez blass wird. Denn meine S 1000 RR zeigte mir die maximale Schräglage an, die ich gefahren bin. Von marquezartigen 68 Grad keine Rede. Und wieder höre ich sie lachen.

Egal. Wohin man blickt, erkennt man, BMW hat im sechsten Jahr als 1000er-Supersport-Hersteller noch einmal deutlich nachgelegt. Die RR hat mehr Leistung bei weniger Gewicht, ein neues Ansaugsystem mit kürzeren Sauglängen und einer größeren Airbox, eine schönere Drehmomentkurve, ein besseres Fahrwerk und jede Menge elektronischer Spielereien.

Auch wenn andere Hersteller heuer mit noch mehr Leistung auf die Rennstrecke kommen, ist die BMW wegen des Handlings wohl immer noch die Benchmark. Und auf der Straße macht sie nach ein paar Tagen unendlich viel Spaß. Man muss sich halt an die enorme Leistung gewöhnen, das exakte Handling, die glasklaren Bremsen. Aber keine Sorge, das geht schneller, als das wieder zurückfinden in den Status, wo man den eigenen Krapfen noch schnell, spannend und schön fand. Nur die Sitzposition ist halt für einen alten Herren wie mich, auf der Straße auf Dauer anstrengend, weil man mit der maroden Rumpfmuskulatur den Oberkörper hält, damit man sich nicht auf die Ärmel stützt. Ein Spaß ist das, für die BMW, dir dein Alter vorzuhalten.

Retourkutschn

Aber ich habe der Doppel-R das alles zurückgezahlt. Jede kleine Gehässigkeit hab ich mit nur einem Satz wieder gut gemacht. Als ich ihr mit einem selbstgebastelten 80 Liter-Topcase drohte, da hatte sie endlich ausgelacht. Die S 1000 RR dachte nämlich, der Tank- und der Heckrucksack aus dem Originalzubehör wären das Schlimmste was man ihr antun könnte. Und dann ist ihr auch noch das passiert, wovor mich meine Oma immer gewarnt hat, wenn ich geschielt hab: "Hör auf so zu schauen, sonst bliebt dir das gach." (Guido Gluschitsch, 03.08.2015)