Wenn bald Maschinen nur mehr mit Maschinen kommunizieren, wird die Transparenz größer und der Druck auf die Unternehmen weiter steigen.

Grafik: STANDARD

Wien – José Ignacio López war in den 1990er-Jahren der "Gottseibeiuns" der Zulieferindustrie. Kein anderer vor ihm hat die Firmen so ausgequetscht wie der gebürtige Spanier, der zuletzt bei VW für Beschaffung und Produktionsoptimierung zuständig war. Mittels neu eingeführter Auktionsplattformen, wo der Günstigste den Zuschlag zur Lieferung von Schrauben oder Reifen bekam, wurde die Spannbreite damals üblicher Margen erstmals sichtbar.

Wenn bald Maschinen nur mehr mit Maschinen kommunizieren, wird die Transparenz noch größer und der Druck auf die Unternehmen weiter steigen. Wobei man nach Ansicht von Experten einen Fehler sicher vermeiden will, der in der Vergangenheit nicht nur für Ärger gesorgt hat, sondern auch Imageschäden zur Folge hatte: Durch übertriebenes Sparen hatten sich viele Autobauer in den 1990er-Jahren erhebliche Qualitätsprobleme eingehandelt, deren Behebung erst recht wieder viel Geld kostete.

Individualisierung nimmt zu

"Früher ging es darum, 10.000 Schrauben so billig wie möglich zu bekommen; jetzt liegt das Augenmerk darauf, dass der Produktionsprozess möglichst nicht abbricht", sagte Michael Klemen, Vorstandsmitglied im Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ), dem STANDARD. Die klassische Massenfertigung, die im analogen Zeitalter die kostengünstigste Produktionsform war, gehe zurück; dafür nehme die Individualisierung in der Produktion stark zu.

Dank der Digitalisierung könne zum Beispiel die Entscheidung für eine bestimmte Farbe beim Autositz im letzten Moment noch rückgängig gemacht werden. Früher musste man sich als Käufer wesentlich früher auf eine bestimmte Ausführung festlegen und hatte zudem weit weniger Auswahl.

"Die Bedeutung der Lieferanten steigt, sie werden noch mehr als bisher zu Entwicklungspartnern", sagte Klemen. Dass das Internet der Dinge oder Industrie 4.0, wie im deutschsprachigen Raum die zunehmende Vernetzung der Produktionswelt heißt, Veränderung mit sich bringt, dessen ist sich der Großteil der Unternehmen in Österreich bewusst.

Individualisierung der Produkte

In einer von der Schweizer Unternehmensberatung IMP im Auftrag des BMÖ kürzlich fertiggestellten Studie sagte jeder zweite befragte Einkaufsleiter, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung seine Branche stark verändern wird, gut 28 Prozent sagten sogar sehr stark (siehe Grafik). Die meisten der berücksichtigten 41 Leitbetriebe, die als repräsentativ gelten können, gehen von einer verstärkten Nachfrage nach individualisierten Produkten aus von und einem verstärkten Wunsch der Kunden, bis kurz vor Auslieferung Änderungswünsche anbringen zu können. Den aktuellen Kenntnisstand zum Thema Industrie 4.0 bezeichneten mehr als sechs von zehn Befragten als genügend bis ungenügend, nur knapp sieben Prozent sagten, sie seien ausgezeichnet informiert.

Bedenklich findet Klemen, dass die meisten Unternehmen nach wie vor über keine Industrie- 4.0- beziehungsweise Digitalisierungsstrategie verfügen. Dass sie eine solche haben, bestätigten nur 24,1 Prozent der befragten Einkaufsleiter. "Wir stehen an einer entscheidenden Schwelle", sagte Klemen. "Jetzt entscheidet sich, ob unsere Unternehmen Erste oder ewig Zweite sein werden."

Deutschland sei zumindest in dem Punkt weiter. Dort werde das Thema durch die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften stark forciert, an deren Spitze der frühere SAP-Chef Henning Kagermann steht. Klemen: "Der versteht etwas von der Sache." (Günther Strobl, 6.8.2015)