Peter Hackmair, Ex-Fußballprofi und jetzt ORF-Fußballexperte. Am Sonntag steht er beim Spiel Altach gegen Sturm Graz vor der Kamera.

Foto: ORF

Wien – Um als TV-Analytiker seine 120 Fußball-Bundesligaspiele zu übertrumpfen, dafür braucht es noch einige Jahre: Ex-Fußballprofi Peter Hackmair (28) analysiert für den ORF Fußballspiele – vorerst für eine Saison. Studiert man seine Vita, dann könnten noch viele dazukommen. Nach schweren Verletzungen beendet er bereits 2012 seine Karriere, um in andere Metiers einzutauchen: Autor, Vortragender, Weltreisender, Trainer und jetzt TV-Analytiker.

STANDARD: In Österreich gibt es fast mehr Fußballexperten als Einwohner. Ein heikles Terrain, auf das Sie sich begeben?

Hackmair: Ja, aber auch besonders spannend. Deswegen habe ich erst die Möglichkeit, im Fernsehen über Fußball zu reden, weil sich so viele dafür interessieren. Das ermöglicht mir diesen Job als Experte. Bei sehr vielen Sportarten ist das ja nicht der Fall.

STANDARD: Sie haben am Sonntag als ORF-Analytiker debütiert. Wie waren die Reaktionen?

Hackmair: Sehr positiv. Ich habe irgendwann als Spieler aufgehört, in Foren zu stöbern, aber das persönliche Feedback aus meinem engeren Umfeld war sehr gut – intern aus dem ORF, aber auch von Freunden, Bekannten und Kritikern.

STANDARD: Laut ORF gab es keine Reaktionen von Zusehern, was positiv zu werten ist.

Hackmair: Ich habe bereits von einem Kollegen gehört, dass keine Reaktion ein sehr gutes Feedback ist. (lacht) Grundsätzlich bin ich froh über Kritik, weil ich selbst jemand bin, der sehr gerne Kritik äußert – positiv und negativ. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, welches Feedback man ernst nehmen kann und welches nicht. Wird anonym hingetreten, ist es besser, das gar nicht zu wissen. Allein weil jemand vorher das falsche Trikot – im Auge des Betrachters – getragen hat, ist das Gesagte schon falsch. In Wien ist das halt mit Grün gegen Violett am ärgsten.

STANDARD: Gibt es Vorbilder unter den TV-Fußball-Experten?

Hackmair: Ich möchte niemanden kopieren, hole mir aber Inspiration von Mehmet Scholl (ARD-Experte und Ex-Fußballprofi, Anm.). Es ist schön, dass sich der Kreis schließt. Als Kind war er mein absoluter Lieblingsspieler. Er hat die gleiche Position gespielt und mir einfach auch als Typ gefallen. Bei der Weltmeisterschaft hat er mir imponiert, weil er sehr authentisch und fachlich gut ist. Das möchte ich auch: authentisch bleiben.

Vorbild Mehmet Scholl.
Foto: ARD

STANDARD: Ist das Angebot des ORF überraschend gekommen?

Hackmair: Ich wurde vor zwei Monaten kontaktiert und gefragt, ob ich mir diesen Job vorstellen kann. Der ORF hat gemeint, dass sie schon vor zweieinhalb Jahren – nach meinem Karriereende – an mich gedacht haben. Dann war ich aber auf Weltreise. Jetzt ist das Angebot völlig überraschend gekommen.

STANDARD: Und dann? Wie als aktiver Fußballer: ein hartes Feilschen um Vertragsdetails?

Hackmair: Nein, richtige Vertragsverhandlungen hat es nicht gegeben. Der ORF hat schnell gesagt, was man als Experte verdienen kann. Für mich war Geld nicht das entscheidende Thema, sondern nur der Job an sich, weil Fußball und Sprache jene zwei Dinge sind, die mich am meisten begeistern. Wir hatten vereinbart, dass ich den Job bei der U20-WM in Neuseeland ausprobiere. Bei den zwei Halbfinalspielen war ich im Studio, und dann war klar, dass wir den Weg gemeinsam gehen.

STANDARD: Für TV-Experten gibt es nur Einjahresverträge. Können Sie sich vorstellen, den Job jahrelang zu machen?

Hackmair: Vor drei, vier Jahren habe ich aufgehört, langfristig zu planen. Das hat damals schon als Spieler nicht funktioniert, weil Verletzungen dazwischengekommen sind. Ich freue mich auf diese Saison, kann aber nicht sagen, was in einem Jahr oder später passiert. Ich bemühe mich sehr, im Moment zu leben, weil ich meine Energie besser einsetzen kann.

STANDARD: Sie haben viele verschiedene Länder bereist. Jetzt steht nicht mehr Neuseeland, sondern Altach auf dem Programm. Kein Problem für Sie?

Hackmair: Nicht mehr. Nach ein paar Monaten auf Weltreise habe ich gedacht, dass ich überhaupt nicht mehr retour kann, weil sich eine Art Sucht nach Neuem eingestellt hat. Aber nach einem Jahr habe ich gespürt, dass meine Wurzeln in Österreich sind. Ich bin in Oberösterreich aufgewachsen, lebe jetzt in Wien und freue mich auf Altach. Diese Freiheit in meinem Leben schätze ich gerade sehr. So frei war ich noch nie, und es ist schön, dass ich im Fußball zurück bin. Mit mehr Verantwortung und mehr Freiheit als je zuvor.

STANDARD: Sie trainieren in der Wiener Fußballschule teco7 Kinder. Ist das Trainergeschäft im Profibereich eine Option?

Hackmair: Schön ist, dass ich sehr viele Optionen habe. In den letzten Monaten war es so: Je mehr Freiraum ich in meinem Leben schaffe, desto besser werden die Inhalte, die ihn füllen. Ich möchte in jede Tür reinschnuppern und schauen, ob das etwas für mich ist. Grundsätzlich macht mir das Trainieren Spaß. Der Plan ist aber nicht, in drei Jahren ins Profigeschäft einzusteigen. Das kann zwar passieren, ist jetzt aber nicht mein Traum.

STANDARD: Der Fußball hat bei Ihnen bis ins frühe Erwachsenenalter Ihr Leben dominiert. Dann nicht mehr, schreiben Sie. Kann man sich als Trainer so eine emotionale Distanz leisten, wenn es gilt, aus Spielern das Optimum herauszuholen?

Hackmair: Meiner Meinung nach ist das sehr gut. Das Fachwissen, die Basis verlierst du nicht. Als Experte hilft mir dieses Hinausblicken über den Tellerrand. Was ich in den letzten drei Jahren erlebt habe, hat nicht unmittelbar mit Fußball zu tun, hilft mir aber im Umgang mit Menschen. Etwa, wie Körpersprache einzuschätzen ist. Ein wichtiges Ziel in meinem Leben ist, mich nicht mehr vom Fußball abhängig zu machen. Als Fußballprofi war ich finanziell abhängig, dem möchte ich aus dem Weg gehen und mehrere Standbeine haben. Sobald du den Druck nicht mehr spürst, machst du es gerne und gewinnst die paar Prozent, die es ausmachen.

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STANDARD: Haben die paar Jahre als Profifußballer die finanzielle Basis geschaffen, um jetzt nur projektbezogen zu arbeiten?

Hackmair: Ich konnte mir schon Geld auf die Seite legen, aber weit nicht so viel, dass man von ausgesorgt reden kann. Das war auch nie mein Ziel. Ich habe in die Weltreise sehr viel Geld investiert. Jetzt habe ich die finanzielle Basis mit einer Eigentumswohnung, die zum größten Teil abbezahlt ist. Es funktioniert jetzt besser als damals, weil ich mit weniger auskomme. Im Vergleich zu früher verdiene ich momentan rund ein Drittel bis maximal die Hälfte. Ich bin bescheidener geworden, mir geht nichts ab. Ich habe kein Auto, keinen Fernseher, habe meinen halben Besitz verkauft oder verschenkt und wohne mittlerweile auf 45 Quadratmetern statt 100. Mir fehlt nichts. Und das macht die Freiheit aus: Projekte bewusst aussuchen zu können. Eine Traumsituation. Meine Bücher kann ich ortsunabhängig schreiben, und der Job beim ORF erlaubt es mir, sehr frei agieren zu können.

STANDARD: Als TV-Analytiker haben Sie keinen Fernseher?

Hackmair: Ich habe einen relativ großen Bildschirm und streame alles. Durchzappen möchte ich nicht mehr. Außer Fußball und der Serie "Breaking Bad" gibt es bei mir derzeit kein TV.

STANDARD: Ein Computer gilt nicht als Rundfunkempfangsgerät. Sie könnten sich von der GIS-Gebühr abmelden.

Hackmair: Ja, das habe ich kürzlich gehört. Ich zahle noch GIS-Gebühren, aber anscheinend zu Unrecht. Dann spare ich mir schon wieder 20 Euro im Monat. (lacht)

STANDARD: Sie waren 2007 Teil des U20-Nationalteams, das bei der Weltmeisterschaft Vierter geworden ist. Aus dem Team von damals werden etwa Junuzovic, Harnik, Kavlak oder Prödl wohl nächstes Jahr bei der Europameisterschaft in Frankreich spielen. Kommt keine Wehmut auf?

Hackmair: Schon lange nicht mehr. Bei der WM war ich damals einer der Leistungsträger. Gemeinsam mit Veli Kavlak hatte ich die meisten Bundesligaspiele. Ein Jahr später, 2008, kam mit dem Kreuzbandriss die erste schwere Verletzung. Danach war es sehr schwierig, weil mich alle überholt, tolle Verträge unterschrieben haben oder ins Ausland gegangen sind. Du sitzt im Reha-Zentrum. In dieser Phase war ich schon sehr neidisch. Damals habe ich gelernt, mit Neid umzugehen. Mittlerweile ist das kein Thema mehr. Ganz im Gegenteil: Mit manchen bin ich noch befreundet, und ich freue mich riesig, dass das Nationalteam so erfolgreich ist.

STANDARD: Haben Sie dem frühen Karriereende mit 25 nie nachgetrauert?

Hackmair: Nein, es gab nur einen Moment auf der Weltreise, als ich ein paar Tage lang an ein Comeback gedacht habe. Das war aber schnell wieder vorbei, und seitdem geht es mir gut damit. Würde ich in der Vergangenheit leben, wäre ich nicht offen für neue Projekte.

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Hackmair Ende 2011 mit Wacker Innsbruck gegen Davide Mendes da Silva und Red Bull Salzburg.
Foto: AP/dapd/Forcher

STANDARD: Viele Sponsorenlogos zieren die Kleider von TV-Experten. Bei Ihnen stand am Sonntag "Mut verändert". Ihr Lebensmotto?

Hackmair: Das ist mein persönlicher Slogan und mittlerweile auch Lebensmotto. Ich bin keiner, der Sponsoring ablehnt, aber gewisse Botschaften zu transportieren ist für mich wichtiger, als irgendeinen Sponsor zu vertreten. Ich möchte nur für ein Unternehmen werben, zu dem ich auch wirklich stehe. Es gibt nichts Schlimmeres, als sich zu verkaufen. Mir geht es um die Firmenphilosophie und um Werte.

Foto: ORF

STANDARD: Welche Unternehmen würden Sie ablehnen? Einen Wettanbieter?

Hackmair: Genau, das Logo eines Wettanbieters oder eines Glücksspielunternehmens würde ich mir zum Beispiel niemals draufpicken. Mir geht es nicht primär um das Geld, sondern um Identifikation mit einer Firma. Beim nächsten Termin werde ich für das Sozialprojekt "Zukunft für Kinder" in Indien werben, das ich seit vier Jahren als Pate unterstütze. Ich biete zum Beispiel auch mein zweites Buch gegen einen Preis an, den jeder selbst festlegt.

STANDARD: Sie sind auch als Videoblogger aktiv. Reizt es Sie, zu diesen Youtube-Stars zu gehören? Nicht wenige verdienen mittlerweile viel Geld damit.

Hackmair: Im Winter habe ich damit spekuliert, hier aktiv zu werden, habe aber dann bald gemerkt, dass mein Geschriebenes an Qualität verliert, wenn ich mir den Druck mache, jeden Tag oder auch nur einmal pro Woche ein Blogpost zu produzieren. Schreiben ist für mich Hobby und große Leidenschaft, dabei soll es bleiben. Ich habe nicht vor, Youtube-Star zu werden.

STANDARD: Sie sind mit der U19 EM-Dritter geworden, mit der U20 WM-Vierter und mit Ried Cupsieger und Vizemeister: Ihr wichtigster Titel war aber die Wahl zu "Oberösterreichs schönstem Fußballer", schreiben Sie ironisch. Warum?

Hackmair: Mittlerweile bedeutet mir dieser Titel gar nichts mehr. (lacht) Damals aber viel, weil es symbolisch für den Sonnyboy gestanden ist. In jungen Jahren wollte ich es allen recht machen, was stark mit meiner Familiengeschichte zu tun hat. Ich bin ein Scheidungskind und habe oft versucht, Aufmerksamkeit über den Fußball zu erregen. Damals war auch so ein Titel schön, und mir war es wichtig, in der Zeitung zu stehen. Heute ist das nicht mehr so. Außerdem wurde der Titel von einer Zeitung vergeben, die man nicht so ernst nehmen darf.

STANDARD: Keine Sympathie für die "Kronen Zeitung"?

Hackmair: Da geht es nicht um Sympathie oder Antipathie. Ich habe einfach aufgehört, Boulevardmedien zu lesen. Generell konsumiere ich Medien immer weniger. Wenn, dann sehr bewusst und nur gezielt. (Oliver Mark, 8.8.2015)