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2012 ging ein entsetztes Raunen durch den heimischen Blätterwald: Bei 27,5 Prozent der Jugendlichen Österreichs wurde eine Leseschwäche festgestellt. Vor allem die Tendenz ist alarmierend: Noch drei Jahre zuvor lag die Austrorate bei 21,5 Prozent, nirgends sonst in der EU stürzten die Werte derart ab.

Lesen ist nicht alles, aber ohne Lesen ist – im Kontext Bildung – alles nichts: ohne Lesekompetenz keine Sprachkompetenz, kein Zugang zum Bildungserwerb. Das gemeinsame Ziel der EU-Bildungsminister, den Anteil der leseschwachen 15-Jährigen bis 2020 von 20 auf 15 Prozent zu reduzieren, trägt dieser fundamentalen Bedeutung Rechnung.

Mit der neuen Buchempfehlungsserie "Agenda Lesen" (die alle zwei bis drei Wochen zu lesen sein wird) möchten wir einen Beitrag dazu leisten: Ausgewählte Titel speziell für die besonders leseunwilligen Altersstufen zwischen zwölf/13 und 16 werden vorgestellt, wobei Aufmachung (die sollte "Lies mich!" schreien) und Unterhaltungswert (nur Leseabenteuer animieren zum Weiterlesen) von entscheidender Wichtigkeit sind.

Den Auftakt bildet ein Öko-Revolutions-Scifi-Romantik-Thriller für Leserinnen und Leser ab 15.

"Zwischen uns die Flut"

MAX: "Die Trockene hat sich neben mich gesetzt."

NINA: "In meinem Kopf verfolgt er mich überall."

Die Niederlande der Zukunft: ein riesiges, völlig isoliertes Überschwemmungsgebiet mit weni-gen Zonen bewohnbaren Landes. Die Trockenen sind der neue Adel, verschanzt in geschlossenen Gemeinschaften. Für die Nassen haben sie nichts als Verachtung und Lügen übrig. Doch die Fluten überschwemmen alle gleich. Deshalb muss Nina, die Tochter des Gouverneurs, an eine nasse Schule. Max und sie, Feuer und Wasser, verlieben sich – doch weiß er nicht, wer sie wirklich ist. Und sie nicht, dass ihr Vater Schuld am Tod von Max' Pa trägt. Als der junge Rebell die Wahrheit über Nina erfährt, willigt er in ihre Entführung ein, um den Gouverneur zu erpressen.

Schnörkellose, wie hingestanzte Sätze formen sich zu einem rasenden, leidenschaftlichen Text, zum – ein wenig detailarm gezeichneten – Bild eines durchdigitalisierten Überwachungsstaats nach der Ökolypse, die man Gerüchten zufolge hätte verhindern können ...

Die unmögliche Liebesgeschichte wird im harten, treibenden Sound eines Thrillers erzählt – und steht dann auch im Zentrum eines hochpolitischen, actiongeladenen Geschehens, bei dem keine Seite vor dem Einsatz härtester Mittel zurückschreckt.

Der niederländischen Autorin gelingt in ihrem von den gleichrangigen Protagonisten Nina und Max abwechselnd ich-erzählten Debütroman die Verschmelzung von Lovestory, leicht Scifi-lastiger Gesellschaftskritik und Öko-Revolutions-Thriller. Wegen Ersterem richtet der Verlag sein Marketing an einer weiblichen Leserschaft ab 15 aus. Burschen kann indes nur empfohlen werden, sich dieses adrenalinreiche, zupackende Leseabenteuer ebenfalls zu vergönnen. Fortsetzung folgt. (Helmuth Santler, Album, 7.8.2015)