Geordnete Kommune: Die Liberland-Siedlungs-Kapitalgesellschaft (LSC) hat 100.000 Euro Kapital und will zunächst in Straßen und Strom investieren. Der kroatische Staat findet das gar nicht lustig.

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Dafür, dass es in Liberland keine Gesetze geben sollte, gibt es ganz schön viele Regeln. An der Küchenwand der libertären Kommune steht penibel aufgelistet, wer wann für welchen Hausdienst zuständig ist. In Liberland springen auch alle um acht Uhr aus den Federn. Dann wird im Garten geturnt. Und wessen Scheitel nach dem Aufwachen nicht gleich gerade gezogen ist, wird einer "Morgenfrisur" bezichtigt. "Entschuldigung, ich habe heute noch eine richtige Morgenfrisur", sagt etwa Kenneth Lilieholm, der Chef des Liberland-Besiedlungsvereins.

Ultraliberale im Dreiländereck

Zurzeit leben zwölf Leute Mitte zwanzig in dem Holzhaus im Dorf Bezdan im Dreiländereck von Serbien, Kroatien und Ungarn. Sie kommen aus Deutschland, den Niederlanden, der Türkei, den USA, der Slowakei, aus Tschechien und anderen Staaten. Wer durch die Sonnenblumenfelder nach Bezdan fährt, sieht am Abend eine orange Kugel unter dem flachen Land versinken. Erst nach Mitternacht wird es ein wenig kühler. Über der Donau schwebt ein Dunstschleier, die Mücken tanzen.

Hier, wo aus kroatischer Sicht die Grenze zu Serbien nicht mitten durch die Donau geht, sondern zwischen den Donauufern hin- und hertanzt, liegt Liberland. Eine Landzunge von sieben Quadratkilometern, die in den Fluss hineinragt und die der Tscheche Vít Jedlicka am 13. April dieses Jahres zu einem neuen Staat erklärte. Die Flagge mit einem Vogel, einem Baum und einer Sonne wurde in den weißen Ufersand gerammt.

Terra nullius

Jedlicka behauptet, es handle sich um ein Niemandsland, um eine "Terra nullius", die er laut internationalem Recht beanspruchen kann. Der Präsident von Liberland möchte hier mit Gleichgesinnten seine ökonomischen und politischen Vorstellungen umsetzen, ein libertäres System errichten, wo alles in den Händen privater Unternehmer liegen soll. Selbst die Polizei. Jedlicka und seine Freunde glauben an die ordnende Kraft des freien Markte wie andere an die Zehn Gebote.

Manche der Liberländer nennen sich Minarchisten, sie akzeptieren zumindest ein bisschen Staat. Aber auch sie träumen von einem Leben ohne Steuern und Regeln. Deswegen strotzt die Verfassung nur so von Paragrafen, die alle damit beginnen, dass "kein Gesetz" zu etwas eingeführt werden darf. "Kein Gesetz soll opferlose oder auf gegenseitigem Einverständnis beruhende Vergehen schaffen", lautet etwa einer.

Lilieholm erklärt dazu: "Wir brauchen sicher kein Gesetz, das besagt, dass man keinen Sex mit Tieren haben darf. Denn es gibt hier in der Realität praktisch keine Opfer. Wozu dies also unter Strafe stellen?" Sein philosophisches Vorbild ist Ludwig Heinrich Edler von Mises (1881–1973), ein Austroamerikaner und Vertreter der sogenannten "Österreichischen Schule", die staatliche Interventionen in den Markt radikal ablehnt.

Lilieholm ist auch dafür, dass jeder eine Waffe bei sich tragen darf. Der Däne findet, dass die Gefängnisse "viel zu nett sind". "Da bekommst du ein Einzelzimmer und eine Playstation." Dänemark ist seiner Meinung nach "ein rein kommunistischer Staat", weil es dort 40 bis 60 Prozent Einkommenssteuer gibt. Die einzige Steuer, die die Liberländer akzeptieren, ist eine Steuer auf das Land, auf dem sie in Zukunft leben wollen. Zurzeit ist das nicht wirklich möglich, denn wann immer sie per Boot oder auf der kroatischen Seite über Land in "ihren Staat" gelangen wollen, warten da schon einige kroatische Polizisten in hübschen blauen Uniformen, die die Superliberalen verhaften.

Im Gefängnis in Osijek

Die Liberländer haben bereits zahlreiche Strafen wegen illegalen Grenzübertritts ausgefasst. Einer von ihnen, der Brasilianer Crom, sitzt sogar für 58 Tage im Gefängnis in Osijek. Aus kroatischer Sicht gehört Liberland zum Staat Serbien, der eigentlich auf der anderen Seite der Donau liegt, gleichzeitig beansprucht Kroatien aber Land am anderen Ufer und geht deshalb gegen die Liberländer vor. Den serbischen Behörden scheinen aber sowohl die Anarchisten am Donaukanal als auch die kroatischen Grenzauffassungen ziemlich egal zu sein.

Und die Leute von Bezdan freuen sich über die Ausländer, weil diese permanent aus PR-Gründen Partys schmeißen. Vergangenes Wochenende sollen beim Bodrog-Fest bei kräftigem Bier die Beziehungen noch vertieft worden sein. (Adelheid Wölfl, 10.8.2015)