Ankara/Sofia – Die Sanduhr rieselt, aber große Eile legt die geschäftsführend amtierende Regierung in der Türkei nicht an den Tag, um über die Bildung einer Koalition zu entscheiden: Eine weitere Woche ist seit dem Ende der Sondierungen zwischen der regierenden konservativ-islamischen AKP und der sozialdemokratischen CHP verstrichen.

Erst Montagabend will Premier Ahmet Davutoglu den Chef der CHP, Kemal Kiliçdaroglu, treffen. Bis zum 23. August um Mitternacht läuft die Frist zur Bildung einer neuen Regierung. Danach kann Staatspräsident Tayyip Erdogan Neuwahlen ansetzen. Er entscheidet auch nach allgemeinem Dafürhalten, ob Davutoglu, sein Statthalter in der AKP, eine Koalition bilden darf.

Appell zu Verantwortungsbewusstsein

Davutoglu appellierte am Sonntag an alle Parteien, Verantwortungsbewusstsein zu zeigen angesichts der militärischen Operationen gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Offen blieb, ob dies die Bevölkerung auf ein Ja zu einer großen Koalition vorbereiten sollte.

Denn die Hürden auf dem Weg zu einem Regierungsbündnis zwischen den beiden bisher erbittert gegeneinander kämpfenden Parteien sind hoch: Die CHP verlangt Korrekturen in der Außenpolitik, die jahrelang von Davutoglu geführt worden war, insbesondere eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel.

Konträre Positionen

Kaum annehmbar scheint auch die Forderung nach Rücknahme von Reformen im Schulwesen, die auf eine Islamisierung zielten. Die AKP wiederum hält die wirtschaftlichen Versprechen der Sozialdemokraten, wie eine Erhöhung der Pensionen, für nicht realistisch.

Fallen ließ Kiliçdaroglu offenbar seine frühere Forderung nach einem Wechsel im Amt des Premiers nach der Halbzeit der Legislaturperiode. Die AKP hatte bei den Wahlen am 7. Juni ihre absolute Mehrheit verloren.

Militärkooperation mit USA

Vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik aus begannen indes vergangenen Dienstag die ersten Einsätze von Drohnen der US-Armee gegen die Terrormiliz IS in Syrien. Die Angriffe der unbemannten Maschinen werden von US-Basen in den USA aus gesteuert. Ankara machte erst Ende Juli eine politische Kehrtwende und schloss sich aktiv dem Kampf an. (Markus Bernath, 9.8.2015)