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Ungleichheit in der Bildung setzt sich über Generationen hinweg hartnäckig fort.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Soziale und ökonomische Ungleichheit ist ein integraler Bestandteil der westlichen Kultur – unsere Gesellschaft basiert sogar darauf. Ohne die Armen kann es keine Reichen geben. Allerdings bedeutet die Tatsache, dass wir in einer solchen Welt leben, nicht, dass das unsere beste Option ist. Denn an Ungleichheit gibt es viel zu kritisieren.

Wertvolle Fähigkeiten liegen brach

Am einfachsten beginnen wir direkt mit Argumenten rund um Gerechtigkeit. Ist es akzeptabel, dass einige Leute mehr Geld haben, als sie jemals ausgeben können, während andere keine Nahrung oder Unterkunft haben? Das ist einerseits eine Frage, die jede oder jeder für sich selbst beantworten muss, aber andererseits auch eine, mit der sich Regierungen beschäftigen müssen: Denn sie können Ungleichheit einschränken.

Jenseits von Gerechtigkeitsfragen geht es jedoch auch um Überlegungen rund um Effizienz. Eine ungleiche Verteilung von Ressourcen bedeutet, dass einige Menschen nicht die gleiche Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten zum Wohle der Gesellschaft einzusetzen. Wenn Menschen nicht die gleichen Möglichkeiten haben, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, werden wertvolle Fähigkeiten nicht genutzt.

Bildungsstatus wird vererbt ...

Ein zentrales Thema im Kontext sozialer und ökonomischer Ungleichheit ist die Hartnäckigkeit wichtiger Outcomes über Generationen hinweg, wie etwa Bildung, Einkommen oder soziale Klasse. In Österreich gibt es tatsächlich sehr beständige Outcomes über Generationen: Nur sechs Prozent der Kinder, deren Eltern nur einen Pflichtschulabschluss haben, besuchen eine Universität und schließen sie ab. Demgegenüber studieren mehr als die Hälfte (54 Prozent) aller Kinder von Eltern mit einem Hochschulabschluss an einer Universität oder Fachhochschule.

Die Gründe für diese Immobilität sind komplex, aber ein so integraler Bestandteil des Alltagslebens, dass sie leicht zu beobachten sind. Manche Kinder werden in Haushalte geboren, in denen es viele Ressourcen gibt, die ihnen dabei helfen, jene Fähigkeiten und Interessen zu entwickeln, die sie gerne weiterverfolgen möchten: Von ihren Eltern bekommen sie finanzielle Ressourcen – in Form von Einkommen und Vermögen –, Bildungsmöglichkeiten – einschließlich privater Nachhilfe –, soziale Netzwerke und die Perspektive, dass sozioökonomischer Erfolg erreichbar ist und erwartet wird. Diese Kinder sind gesünder, haben mehr Bücher zu Hause und verbringen mehr Zeit mit Erwachsenen, die ihnen gegenüber ein größeres Vokabular und eine positivere Sprache verwenden ("du kannst das" statt "du darfst das nicht").

... das trägt zu Vermögensungleichheit bei

Diese Kinder aus ressourcenstarken Haushalten werden oft einen Partner oder eine Partnerin aus einem ähnlichen sozioökonomischen Hintergrund wählen, da sie wahrscheinlich in denselben Schulen und sozialen Netzwerken sind und weil sie dazu ermutigt werden, ihre wichtigsten persönlichen Beziehungen mit Menschen mit ähnlichen Hintergründen zu haben.

Wenn Nachkommen aus zwei vermögenden Haushalten gemeinsam ihre eigene Familie gründen, haben ihre Kinder noch bessere Startbedingungen. Die geringe "Vermischung" von Menschen mit verschiedenen Hintergründen verstärkt Ungleichheit über Generationen und trägt zum dramatischen Anstieg der Einkommens- und Vermögensungleichheit bei, den wir in den letzten 50 Jahren beobachten konnten.

"Chancengleichheit" oder "Ergebnisgleichheit"?

Viele Leute unterscheiden zwischen "Chancengleichheit" und "Ergebnisgleichheit" und argumentieren, dass die Gesellschaft Menschen nicht die gleichen Ressourcen oder das gleiche Geld zur Verfügung stellen muss, aber dass es für alle die gleichen Chancen geben soll, etwas aus ihrem Leben zu machen. Daher besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass eine gewisse Grundbildung für alle kostenlos sein soll und dass Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts, Alters, ihrer Ethnizität, sexuellen Orientierung etc. diskriminiert werden sollen.

Allerdings impliziert eine Unterscheidung zwischen den beiden Konzepten fälschlicherweise, dass Menschen, die mit weniger Ressourcen aufwachsen, jemals die gleichen Chancen haben können wie jene mit mehr Ressourcen. Ungeachtet der Tatsache, dass in den meisten entwickelten Ländern Kinder kostenlos die Schule besuchen können, haben Kinder aus reichen und armen Haushalten nicht die gleiche Chance auf ökonomischen Erfolg.

Was die Politik tun kann

Einige politische Maßnahmen sind erwiesenermaßen effektiv beim Abbau dieser intergenerationalen Hartnäckigkeit. In Ländern und Regionen mit mehr Kindergartenjahren beziehungsweise -plätzen, wo die Pflichtschule früher beginnt und Schülerinnen und Schüler erst später in bestimmte Tracks getrennt werden – das heißt, länger eine gemeinsame Schule besuchen –, gibt es mehr intergenerationale Mobilität. Da Länder mit hoher intergenerationaler Persistenz auch eine höhere Einkommensungleichheit haben, lohnt es sich für Länder, die Einkommensungleichheit bekämpfen wollen, diese politischen Wege einzuschlagen.

Ungerechtigkeit reduzieren

Sozioökonomische Ungleichheit hemmt Effizienz und Wachstum sowie die Möglichkeit, Gerechtigkeit für sich zu beanspruchen. Vielleicht ist die wichtigste Eigenschaft von Ungleichheit, dass sie nicht die einzige Möglichkeit ist, unsere Gesellschaft zu organisieren. Wir sollten existierende Ungleichheit und ihre Wurzeln anerkennen und danach fragen, ob ihr derzeitiges Ausmaß uns etwas bringt oder ob wir besser daran täten, sie zu reduzieren – etwa durch bessere und zugänglichere Bildung, Frauenförderung am Arbeitsmarkt und die Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze. (Alyssa Schneebaum, 10.8.2015)