Mit zunehmender Annäherung an die Sonne wird der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko aktiver. Die Aufnahmeserie stammt von Rosettas OSIRIS-Kamerasystem und zeigt einen spektakulären Gasjet am 29. Juli. Das linke Bild wurde um 15:06 Uhr MESZ aufgenommen: Noch keine Spur von einem Jet. Um 15:24 ist der Ausbruch (Mitte) deutlich zu erkennen; um 5:42 Uhr (rechts) ist der Spuk bereits wieder vorbei.

Foto: ESA/Rosetta

Köln – Auf seinem Weg durch das innere Sonnensystem hat der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko demnächst einen entscheidenden Wendepunkt erreicht: Der Brocken erreicht am 13. August um 4.03 Uhr seinen sonnennächsten Punkt, das sogenannte Perihel. Rund 186 Millionen Kilometer wird das Forschungsobjekt der ESA-Sonde Rosetta und des Minilabors Philae dann von unserem Zentralgestirn entfernt sein, das ist etwa 36 Millionen Kilometer mehr als der Abstand der Erde zur Sonne.

In der zunehmenden Sonnenwärme durchläuft der Kometen einige Veränderungen: Seine Oberfläche wird heißer, er gast aus und staubt dabei ganz schön. Einen aktuellen, massiven Gas-Ausbruch konnte nun von Rosetta am 29. Juli beobachtet werden, wie das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Dienstag mitteilte.

"Jetzt beginnt die interessante Phase, weil die Wärme der Sonne den Kometen immer aktiver macht", erklärte IWF-Weltraumforscher Martin Volwerk. Die Forscher vermuten in kommenden Tagen und Wochen daher weitere größeren Ausbrüchen.

Riesenausbruch am 29. Juli

Zu solchen Ereignissen kommt es, wenn Eis unter der Kometen-Oberfläche schmilzt. Werden dort Wasser, Kohlendioxid und andere Verbindungen in Dampf umgesetzt, baut sich in Höhlen großer Druck auf. Wird dieser zu hoch, bilden sich Bruchstellen und das Gas strömt aus. "Am 29. Juli war das ein Riesen-Ausbruch mit unglaublich viel Gas und Staub", sagte Volwerk.

Das hatte große Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung des Kometen, der selbst kein Magnetfeld besitzt. Mit dem in der Raumsonde eingebauten Messgerät "RPC-MAG", an dessen Entwicklung das IWF beteiligt war, konnte das Magnetometer-Team die Abläufe analysieren.

Das den Himmelskörper in verschiedenen Abständen umgebende Magnetfeld wird vom Sonnenwind verursacht. Rund um den Kometen selbst befindet sich eine Blase aus Gasen und Staub, die nicht magnetisch geladen ist. Der Ausbruch hatte zur Folge, dass sehr viel zusätzliches neutrales Gas rund um "Tschuri" vorhanden war, das durch die UV-Strahlung der Sonne ionisiert wurde, sich ausgebreitet hat und in Wechselwirkung mit dem Sonnenwind getreten ist.

Sonnenwind vs. Gasaustoß

"Wenn ein Magnetfeld in Kontakt mit einer Schicht geladener Teilchen kommt, kann es sie nicht einfach so durchdringen. Diesmal war der Ausstoß von ionisierten und neutralen Gasen aber so groß, dass die Reibung zwischen diesen Teilchen und dem Sonnenwind zu so starker Reibung geführt hat, dass es das Magnetfeld des Sonnenwindes einfach von dem Kometen weggedrückt hat", erklärte Volwerk.

Die Blase um "Tschuri" dehnte sich kurzzeitig auf einen Umkreis von weit mehr als 180 Kilometer aus. Das verursachte einen entsprechenden Ausschlag bei dem Messgerät auf der Rosetta-Sonde, die den Himmelskörper aus einer Entfernung von 186 Kilometern beobachtet. Mittlerweile schrumpfe die Blase allerdings wieder.

Solche Wechselwirkungen zwischen Sonnenwind und Kometen konnte man bisher nur am Computer berechnen. In den Simulationen von Kollegen der Universität Braunschweig entfernte sich das Magnetfeld allerdings nie weiter als 20 bis 30 Kilometer vom jeweiligen Himmelskörper. Dass sich diese Distanz so stark erhöhen kann, ist laut Volwerk eine sehr interessante Beobachtung.

Auseinanderbrechen "sehr unwahrscheinlich"

Mit mehr "Tschuri"-Aktivität rechnen die Wissenschafter ab Monatsende: Laut Rosetta-Flugdirektor Andrea Accomazzo dürfte die Aktivität des Kometen im September 2015 am größten sein – also erst nach dem sonnennächsten Punkt. "Die Erwärmung von "Tschuri" dauert ein bisschen", meint der 45-Jährige in Darmstadt, von wo aus Rosetta gesteuert wird. Dass es "Tschuri" zu heiß werden könnte und er auseinanderbricht, hält Accomazzo für "sehr unwahrscheinlich".

Die Nähe zur Sonne sei auch für Rosetta kein Problem, meint der Flugdirektor. Zu "Tschuri" werde die Raumsonde aber vorsichtshalber einen Sicherheitsabstand von voraussichtlich mindestens etwa 200 Kilometern einhalten. Rosetta muss wegen der Gas- und Staubentwicklung des Kometen vorsichtig sein. Durch den Kometenstaub hatte die Raumsonde im April vorübergehend Probleme mit der Orientierung.

Der größere Abstand von Rosetta zu "Tschuri" schmälere die Chancen für eine gute Verbindung zu Philae, sagt der Philae-Projektleiter am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Stephan Ulamec. Es gebe keine verlässliche und stabile Verbindung. "Das ist das Hauptproblem", sagt Ulamec. Deshalb können die Forscher dem Roboter keine Kommandos für Experimente geben.

Kommunikationsprobleme im Schatten

Woran liegt das? Durch die außerplanmäßige Landung an einem schattigen Ort war es eigentlich zu kalt für die Elektronik, sagt Ulamec. "Sie hat es trotzdem überlebt. Aber es kann sein, dass es zu thermischen Spannungen kommt und Kontakte brechen und es jetzt zu einer Art Wackelkontakt kommt." Aber das ist nur eine Annahme. Philae hatte sich zuletzt am 9. Juli gemeldet und in erster Linie Informationen über seinen eigenen Zustand geliefert.

Die DLR-Forscher wollten von dem Landeroboter Bilder von dem Gelände bekommen, um zu sehen, ob sich die Umgebung seit der Landung im November verändert hat. Sie wollen organische Gase messen, die Temperatur bestimmen und weitere Daten zur inneren Struktur nehmen. Philae soll an Ort und Stelle das Kometenmaterial – das wohl ursprünglichste und älteste Material des Sonnensystems – analysieren und damit einen Blick in die Kinderstube des Systems erlauben. Zwei Monate bleiben noch. "Im Oktober, November sind wir so weit von der Sonne entfernt, dass keine Chance mehr besteht, den Lander zu aktivieren", sagt der DLR-Mann.

Spannende Veränderungen

Spannend wird es trotzdem bleiben. "Nächstes Jahr werden wir uns mit Rosetta wieder deutlich näher an "Tschuri" heranwagen können", sagt ESA-Flugdirektor Accomazzo, was schärfere Fotos ermögliche. "Dann sehen wir, was sich auf seiner Oberfläche verändert hat. Das ist genau das, was wir wollen." DLR-Kollege Ulamec hofft auch, dass man auf den Bildern Philae erspähen kann. "Dann sehen wir, was los ist mit dem Lander", in welchem Gelände er steht und in welcher Situation.

Das Ende der "Rosetta-Mission ist für September 2016 geplant – nach zwölfeinhalb Jahren im All. Dann hat Rosetta ausgedient. Die Sonde soll sich auf "Tschuri" niederlassen und nach der Landung – wie ursprünglich auch Philae – Signale zur Erde senden. Die Chancen dafür seien zwar nicht unbedingt groß, meinte Accomazzo. "Aber wir werden es versuchen." (APA/red, 11.8.2015)