Wien – Nach der Ärzteausbildung wird die Pflegeausbildung reformiert. Das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz ist in Begutachtung, Begeisterung bleibt bei den Betroffenen aber aus.

Für Josef Zellhofer, ÖGB-Vorsitzender der Fachgruppe Gesundheits- und Sozialberufe, gibt es viel Nachholbedarf. Er kritisiert im STANDARD-Gespräch, dass die Ausbildung zu spitalslastig sei, Langzeitpflege und Behindertenarbeit würden kaum berücksichtigt. Dazu sei aber schon ein Termin zur Nachverhandlung vereinbart.

Hintergrund: Wer künftig als Pflegekraft arbeiten will, kann die dafür erforderlichen Qualifikationen künftig in drei Professionalisierungsstufen erwerben. Für Pflegehilfen ändert sich nur der Name. Sie werden zur Pflegeassistenz, die Ausbildung dauert ein Jahr. Pflegefachassistenten müssen sich zwei Jahre lang an Pflegeschulen ausbilden lassen. Die größte Neuerung bildet der gehobene Pflegedienst: Berufsanwärter müssen künftig einen der neu zu schaffenden FH-Lehrgänge absolvieren.

"Keine Weiterentwicklung"

Mit der dreistufigen Ausbildung kann sich Zellhofer wenig anfreunden. Er befürchtet eine Ausdünnung des diplomierten Pflegepersonals, wenn die Spitalsträger die Möglichkeit haben, billigere Pflegefachassistenten einzustellen.

Zellhofers Kritik richtet sich gegen die Ärztekammer, er vermutet starke Einflussnahme auf das Gesetz – vor allem im Bereich der interdisziplinären Zusammenarbeit. "Es gibt keine Weiterentwicklung, wir sind zurück am Stand von 1997", sagt der Gewerkschafter. Die Pflege habe zwar die Durchführungsverantwortung, aber weniger bei der Behandlung mitzureden. Das werde vor allem bei Entlassungen aus dem Krankenhaus deutlich: dazu brauche es keinen Arzt, sondern die Vernetzung zwischen Spital und Nachbetreuung.

Entlastung der Ärzte

Auch bei den Spezialisierungen vermutet er die Handschrift der Ärztekammer. Pflegepersonal, das sich in Bereichen wie Intensivpflege oder Hospizbetreuung weiterbilden möchte, bräuchte nach dem neuen Gesetz die Erlaubnis eines Arztes: "Ich lass mir aber nicht von einem Doktor sagen, ob ich qualifiziert bin oder nicht."

Das weist der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres zurück, aber auch er bricht im STANDARD-Gespräch nicht in Jubel aus. Zwar sei "die Akademisierung der Pflege international üblich und begrüßenswert", aber auch er befürchtet, dass in Spitälern eher die billigeren Assistenten als die akademischen Pfleger angestellt werden. Die Professionalisierung könnte seiner Ansicht nach unerwünschte Nebeneffekte haben: "Wir sehen im Laborbereich, dass die akademisch Ausgebildeten eher in die Wissenschaft gehen. Wenn das bei der Pflege auch so ist, haben wir ein Problem. Wir brauchen die Leute am Krankenbett, nicht nur Managing Nurses."

Wichtig ist ihm vor allem, dass die Ärzte entlastet werden. Dabei: "Das ginge ja jetzt schon. Diplomierte Pflegekräfte dürfen Infusionen setzen, EKG schreiben und Blutdruck messen." Aber sie würden zumeist "eine Stufe unter ihren Qualifikationen eingesetzt", weiß Szekeres. Er erklärt sich das so: "Einerseits aus wirtschaftlichen Überlegungen, andererseits ist das immer noch eine Folge des Lainz-Skandals." Seit damals würden solche Tätigkeiten von Turnusärzten übernommen, für den Ärztechef "komplett sinnlos". (mte, riss, stui, 12.8.2015)