
Die Pflege der Angehörigen werde von Männern so angepasst, dass sie mit dem Beruf in Einklang gebracht wird, lautet das Ergebnis der Studie.
Düsseldorf – Die häusliche Pflege gewinnt immer mehr an Bedeutung. Etwa 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Österreich werden zu Hause durch Angehörige gepflegt. In Deutschland liegt der entsprechende Anteil bei etwa 70 Prozent. In beiden Ländern sind etwa ein Viertel der Hauptpflegepersonen Männer. "Seit 1998 hat sich in Deutschland der Anteil pflegender Söhne verdoppelt", sagen Wissenschaftler der Hochschule Düsseldorf, Fachhochschule Köln und Justus-Liebig-Universität Gießen.
Vor diesem Hintergrund wollten die Forscher wissen, wie Männer die doppelte Aufgabe von Beruf und Pflege organisieren. Weitere Forschungsfragen waren: "Wie sehen gut funktionierende Lösungsmuster aus? Und wie können die Unternehmen ihre pflegenden Mitarbeiter unterstützen?", ergänzt Studienleiterin Simone Leiber von der Hochschule Düsseldorf.
Um den Alltag pflegender Männer zu untersuchen, nahmen die Forscher Kontakt zu Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen auf, die sich selbst als sensibel für diese Fragestellung bewerten. Dort führten sie 37 qualitative, leitfadengestützte Interviews mit pflegenden Söhnen und befragten pro Unternehmen je ein Mitglied aus der Mitarbeitervertretung sowie der Unternehmensleitung oder Personalabteilung.
Beruf steht weiterhin im Mittelpunkt
"Unsere Interviewpartner übernehmen umfangreiche Aufgaben in der Pflege. Mehr als die Hälfte sind Hauptpflegepersonen, 15 von ihnen leisten pro Woche mindestens 14 Stunden Pflege-, Versorgungs- und Betreuungsarbeit", sagt Sigrid Leitner von der Fachhochschule Köln. Dabei sind die Forscher von einem weiten Pflegebegriff ausgegangen. Pflege bedeutet demnach: "Körperpflege, aber auch Begleitung zum Arzt oder zu Behörden, Einkäufe und ähnliches", erklärt Leitner.
Trotz dieser Belastungen arbeiten 30 von 37 Befragten weiter in Vollzeit, nur wenige reduzieren ihre Stunden oder verschieben ihre Kernarbeitszeit. "Trotz dieser umfangreichen Pflegetätigkeit geben 26 von 37 Söhnen an, keine Vereinbarkeitsprobleme zu haben", sagt Diana Auth von der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Das liege daran, dass die Erwerbstätigkeit weiterhin im Mittelpunkt steht. Die Pflege der Angehörigen werde so angepasst, dass sie mit dem Beruf in Einklang gebracht wird – oft mit Hilfe eines Netzwerks aus professionellen Pflegediensten, Partnerinnen und Verwandten. "Auch wenn die befragten Männer keine Probleme mit der Vereinbarkeit sehen, halten wir diese Strategie nicht für empfehlenswert", betont Auth. Schließlich seien in den Interviews auch die Nachteile sehr deutlich geworden. Viele Befragten klagten über große Belastungen und mangelnde Erholung und Freizeit.
Unternehmen nur teilweise kooperativ
Eine wichtige Unterstützung könnten die jeweiligen Arbeitgeber leisten. Viele der befragten Unternehmen boten Arbeitszeitflexibilisierungen an, hielten Informationen zum Thema Pflege bereit oder schulten ihre Führungskräfte. Auch die Benennung konkreter Ansprechpartner oder die Kooperation mit externen Anlaufstellen sind verbreitet.
"Obwohl wir bewusst in Unternehmen gegangen sind, die sich selbst als pflegesensibel bezeichnen, haben wir einen sehr unterschiedlichen Umfang der angebotenen Maßnahmen festgestellt und in vier Betrieben auch Hinweise auf Anwendungsprobleme", sagt Leiber.
Die Probleme beruhten häufig auf einer sehr leistungsorientierten Unternehmenskultur, die eine flexibilisierte oder reduzierte Arbeitszeit nicht toleriert sowie einem fehlenden Vertrauen in die Mitarbeiter oder einem traditionellen Geschlechterbild, das Pflege eher als Frauensache betrachtet, so Leitner.
Ältere und junge Chefs besonders problematisch
"Unternehmen können ihre pflegenden Angestellten sehr aktiv unterstützen. Grundlage dafür ist aber immer eine pflegesensible Unternehmenskultur", ergänzt Auth. Die Forscherinnen konnten zwei Erfolgspfade identifizieren: Großunternehmen betreiben häufig sehr umfangreiche Maßnahmen, während kleine und mittlere Unternehmen eher auf informelle Absprachen und Flexibilität setzen.
"Zwei Typen von Vorgesetzten sind für pflegende Männer besonders problematisch: Ältere, konservative Führungskräfte, die nicht akzeptieren, dass auch Männer pflegen, und junge Chefs, die mit dem Thema privat noch nicht in Kontakt gekommen sind", so Auth. (red, 12.8.2015)