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Apps und Kundenkarten machen das Leben leichter. Doch unsere Daten lassen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu.

Foto: REUTERS / Christian Hartmann

Dass man Verkehrssysteme und deren Analysen gut findet, um damit Verkehrsflüsse besser regeln zu können, steht außer Frage. Doch heutzutage ist man mit dem Analysieren viel weiter, als uns lieb sein sollte. Der Mensch steht mit seinen Daten im Fokus der Begierde etlicher Maschinen, die gelernt haben, den Menschen scheinbar zu analysieren und Rückschlüsse zu liefern auf das Gesamtbild einer Persönlichkeit.

Man denke nur an Gesundheits- und Sportdaten in diversen Apps. Oder die "Vorteilscard" einer Supermarktkette, die unsere Einkaufsgewohnheiten dokumentiert. Auch das Kreditkarteneinkaufsverhalten lässt Rückschlüsse zu – das Unternehmen weiß eher als Ihre Partnerin, dass Sie fremdgehen. Und erst das Anrufverhalten: Wann telefoniert man mit wem wie lange und wie oft an welchem Ort. Oder die Ortungsdienste, die aus aufgesuchten Orten durch Tracking am Smartphone ein Bewegungmuster zeichnen.

Praktisch durchsichtig

Das Problem dabei ist, dass Maschinen künftig aufgrund ihrer Auswertung Sie vielleicht zu einer depressiven Person machen. Nur weil Sie zu bestimmten Zeiten gerne lange telefonieren. Eine schlechte Gesundheit haben, weil Sie nur "ungesund" einkaufen und infolgedessen irgendwann einmal eine höhere Gesundheitsversicherung zahlen müssen. Oder weil Sie einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort bei einer Demo waren und mitsamt Ihren anderen Auswertungen maschinell beglaubigt verdächtig sind.

Man stelle sich nur vor, der Urin auf Toiletten würde überprüft werden. Dadurch ließe sich feststellen, wer schwanger ist. Ein Arbeitgeber könnte sich mit einer Kündigung teuren Karenzzeiten entziehen. Diese Tests dienen natürlich der Gesundheitsvorsorge und Kenntnis der Menschen, könnten aber auch dementsprechend anders verwendet werden. Kreditvergaben und Bonität sind nicht nur durch den Wohnsitz und das Einkommen prüfbar. Es gibt Firmen, die die vielen Daten, die Sie täglich irgendwo auf diversen Kundenkarten, Handys, Tomtom-Geräten et cetera perge perge liegenlassen, kaufen und weiterverkaufen. Daraus wird ein großes Ganzes.

Der messbare Mensch

Bei der Analyse von Verkehrsleitsystemen ist die Sinnhaftigkeit klar. Aber wenn der Mensch künftig ebenso messbar sein soll wie ein Objekt, dann war es das gewesen mit dem Subjekt-Dasein. Subjekt zu sein bedeutet nämlich auch, dass man Träger von Rechten und Rechtspflichten ist. Ein wesentlicher Unterschied zu Objekten.

Unsere Daten werden von Privatunternehmen ausgewertet. Beim Staat konnte man doch noch halbwegs sicher sein, dass durch Checks and Balances ein Grundmaß an Sicherheit gewährt wird. Natürlich muss auch einiges im Verborgenen liegen. Wenn Geheimdienste alles transparent machen würden, wären sie keine Geheimdienste. Doch bei Marktmächten à la Google könnte einem schon Angst und Bange werden. Google ist schließlich längst nicht mehr nur eine Suchmaschine, sondern auch in militärischen und kartografischen Bereichen tätig. Manipulationen durch solche Unternehmen sind dadurch leicht.

Mal wieder offline gehen

Das Internet und die vielen Helfer, die mir das Leben einfacher machen können, sind gut. Doch sollte man sich darüber im Klaren sein – und auch in der Lage sein, beispielsweise normale Straßenkarten lesen zu können. Genauso wie man nicht jedes Flugticket am Smartphone haben muss – oder überhaupt kein Smartphone. Alles nur bargeldlos zu kaufen ist auch nicht immer sinnvoll – durch Barzahlungen verschuldet man sich nicht, denn wenn nichts da ist, kann nichts ausgegeben werden und ganz nebenbei weiß auch niemand, was Sie gekauft haben.

... und die Offlinewelt entdecken

Die "alte" Welt ist nicht nur schlecht, obgleich das Internet eine tolle Sache ist. Aber eben nicht nur und deshalb gehört das Bewusstsein geschärft – ohne dass man gleich Verfolgungsängste bekommt und sich nur mehr mit dem Tor-Browser ins Internet traut. Man entdeckt in der Offlinewelt wieder Cafés, die Google Maps gar nicht aufgelistet hat und ursprünglich gar nicht dem Mainstream entsprechen, dann aber doch zu einem Highlight werden. Man wird vielleicht plötzlich auf ein Buch aufmerksam, nur weil man vor einem Buchladen steht und dieses im Schaufenster sieht.

Vielleicht schaltet man auch einfach nur mal ab – ob Smartphone, Schrittzähler am Armgelenk, MP3-Player, et cetera – und genießt die Langeweile, die einen auf neue interessante Wege im Leben bringen kann. Und auf dem Weg dorthin lernen Sie vielleicht sogar noch Ihre große Liebe kennen, ganz ohne algorithmische Auswertungen von Online-Partnervermittlungen – also nur durch Ihre eigene Wahrnehmung. (Wolfgang Glass, 18.8.2015)