Die seit fast 20 Jahren andauernde Diskussion um ein "Haus der Republik" spült auf schmerzliche Art demokratiepolitische Defizite an die Oberfläche, die für Österreich kennzeichnend sind: Was ist konstituierend für unsere republikanische Geschichte? Müssen wirklich scheinbarer Glanz und Glorie der Monarchie Teil der Ausstellung sein? Gelingt ein inhaltliches Konzept, in dem parteipolitische Interessen von SPÖ und ÖVP nicht oberste Priorität haben?

Eher nicht. Denn das Projekt scheint schon jetzt so angelegt zu sein, dass es scheitern muss. Die SPÖ will ein "Haus der Geschichte" in der Hofburg, die ÖVP ein "Haus der Zukunft" auf dem Heldenplatz. Der Historiker Oliver Rathkolb will inzwischen beides nebeneinander. Dabei gab es in den letzten zwanzig Jahren durchaus vernünftigere Vorschläge: Andreas Khol als Präsident des Nationalrats und der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel präferierten das Heeresgeschichtliche Museum für ein von ihnen vorgeschlagenes "Republikmuseum".

Am 12. November 2008 wurde in der Säulenhalle des Parlaments die völlig missglückte Republik. Ausstellung 1918/2008 eröffnet. Der damals amtierende Vizekanzler Wilhelm Molterer bezeichnete die Ausstellung als "Nukleus für ein künftiges Haus der Geschichte der Republik Österreich", das wohl der ÖVP-nahe Historiker Stefan Karner hätte betreiben sollen.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer beauftragte daraufhin Claudia Haas von der Agentur Lord Cultural Resources mit der Erstellung eines Detailkonzeptes für ein "Haus der Geschichte der Republik Österreich". In dieser jahrelang geheim gehaltenen soliden Grundlage für das Projekt ist klar festgehalten, dass am Anfang die "Abnahme des inhaltlichen Konzepts" zu stehen habe und erst dann "die Entscheidung über den Standort" erfolgen soll. Das hat man nun kurzerhand umgedreht.

Zurück nach 1848

Die SPÖ brachte Oliver Rathkolb in Stellung. Und der ÖVP dämmerte inzwischen, dass man bei so einem Museum um das Thema Austrofaschismus nicht herumkommt. Rathkolb war offensichtlich bemüht, die Befürchtungen der schwarzen "Reichshälfte" zu zerstreuen, und geübt genug, um großkoalitionäre Kompromisse zu finden. Aus dem "Haus der Republik" wurde ein "Haus der Geschichte". Nicht mehr die Republik-Gründung, die Rathkolb nun als "Republikanische Barriere 1918" (!) bezeichnet, sondern das schwer argumentierbare Revolutionsjahr 1848 soll Ausgangspunkt werden. Als Ort wurde von der SPÖ die Hofburg ins Spiel gebracht: imperialer Glanz statt republikanischer Geist? Oder rein pekuniärer Pragmatismus, damit der von Claudia Haas vorgesehene Neubau nicht notwendig ist?

Im Mai hat Claudia Haas ein weiteres Gutachten vorgelegt – es ist, das kennen wir nun schon, als "Lesebericht vertraulich" gekennzeichnet. Darin führt sie neben einer Kosteneinschätzung eine Auflistung der bereits zutage getretenen Konfliktpotenziale bei einem Standort in der Neuen Burg aus. Immerhin sind dort derzeit ja etliche Institutionen beheimatet.

Der Vorschlag von Khol und Schüssel muss an dieser Stelle wieder aufgenommen werden: Das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) beherbergt ein Sammelsurium an Militaria, ist inhaltlich in einem indiskutablen Zustand und böte ausreichend Platz für ein "Haus der Republik" (HdR), zumal der von Claudia Haas für Teile der Ausstellung geforderte Neubau auf dem riesigen Areal unterzubringen wäre. Das nach 1848 gebaute Arsenal selbst böte unendlich viele Anknüpfungspunkte zur österreichischen Geschichte, könnte den Grundstock für eine eigene Sammlung des HdR bilden und weist eine exzellente Infrastruktur auf.

Das HGM ist in der bestehenden Form verzichtbar: Wozu unkommentierte Ehrbezeugungen für Feldherren in der "Ruhmeshalle", deren Wände mit unzähligen Namen von Offizieren vom 17. Jahrhundert bis 1918 ausgefüllt sind? Wozu für die Geschichte ab 1918 eine mehr oder weniger unkommentierte Anhäufung von Reliquien von Protagonisten aus christlichsozialen Reihen und des "Ständestaats" mit etwas Karl Renner und Otto Bauer, wobei auf eine Darstellung des Roten Wien mehr oder weniger verzichtet wird? Dafür können wir Schuhe, Mantel, Spazierstock und Hut von Ignaz Seipel, Devotionalien von Engelbert Dollfuß besichtigen.

Aus dem Nationalsozialismus ist eine Fülle von Waffen, Orden, Hakenkreuz-Devotionalien und Kriegsdarstellungen mit fragwürdigen Schautafeln, bei denen Nazi-Jargon übernommen wurde, zu sehen. Mit den "Vier im Jeep" endet der Spuk. 1945 wird ganz in der Tradition der Nachkriegsgeschichtsschreibung als Gegensatz zu 1918 präsentiert – es ist "das freie Österreich". Genau hier werden jene Merkmale sichtbar, die die dominante österreichische Geschichtsdarstellung über Jahrzehnte geprägt hatten: der Blick auf eine ruhmvolle Vergangenheit vor 1918, die Erste Republik als Negativfolie zur Zweiten und eine mehr als problematische Darstellung von Austrofaschismus und Nationalsozialismus. Das bedarf nicht einer Korrektur, das bedarf einer völligen Neukonzeption. Warum nicht in Form eines Hauses der Republik?

Debatten und Tumulte

Im Juni gab es eine tumultartige Diskussion im Weltmuseum mit heftigen Attacken gegen Oliver Rathkolb. Dabei ging leider unter, was der ehemalige Geschäftsleiter des Deutschen Historischen Museums Hans-Martin Hinz als Voraussetzung für das erfolgreiche Zustandekommen des deutschen Hauses der Geschichte und des Deutschen Historischen Museums vor 30 Jahren bezeichnete: Es wurden ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt. Die Regierung verzichtete auf jegliche inhaltliche Beeinflussung. Und: Die "Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" hat mit Bonn, Leipzig und Berlin gleich drei Standorte.

Wenn nun also Staatssekretär Mahrer im Gegensatz zu unseren nördlichen Nachbarn meint, auf ein "Haus der Geschichte" verzichten zu können, und stattdessen auf ein "nicht nur rückwärtsgewandtes" "Haus der Zukunft" setzt, so möge er doch die Frage beantworten, wie er denn das von Erwin Pröll geplante "Haus der Geschichte für Niederösterreich" einschätzt. Vielleicht nicht so "rückwärtsgewandt", weil's parteipolitisch eine der ÖVP genehmere Sicht bieten wird?

Im Oktober diskutieren 13 Männer und gerade einmal eine Frau in einer Enquete in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften über das Thema "Braucht Österreich ein neues historisches Museum?". Auch das scheint bezeichnend dafür zu sein, wer hierzulande maßgeblich gehört wird. Vielleicht wäre wenigstens Claudia Haas als Referentin nicht schlecht gewesen. Nicht nur, um die Frauenquote zu erhöhen! (Harald Walser, 12.8.2015)