"Das ist kein Beruf, das ist eine Berufung", beschreibt Thomas Nothegger seinen Zugang zur Politik. Aus der ÖVP ist er ausgetreten, um dann mit einer eigenen Liste in den Kitzbüheler Gemeinderat zu kommen.

Foto: Mittelstaedt

Kitzbühel – Im Auto vom Papa. Vorbei am Anwesen von Karl-Heinz Grasser, auf dem Weg zum Schwarzsee, "seinem" Schwarzsee, wenn man so will. "Demografisch ist Kitzbühel wohl die komplexeste Stadt Österreichs", sagt Thomas Nothegger und lässt kurz die Scheibe runter, um jemandem zu winken. "Bei uns leben Straßenkehrer neben einem Millionär." Nothegger wurde kürzlich 30 Jahre alt.

Ende 2009 trat er aus der ÖVP aus, ein halbes Jahr später kandidierte er mit seiner eigenen Liste, den Jungen Unabhängigen Kitzbüheler/innen, bei der Gemeinderatswahl in seiner Heimatstadt. "Ich hatte zweieinhalb Monate Zeit für den Wahlkampf, acht Kandidaten und Geld für zwei mobile Transparente und ein Roll-up-Plakat", sagt Nothegger.

Ein Mandat aus dem Stand

Das reichte. Er zog auf Anhieb in den 19-köpfigen Kitzbüheler Gemeinderat ein, zweites Mandat nur knapp verfehlt, mit fast acht Prozent der Stimmen lag er gleichauf mit der freiheitlichen Liste.

Heute, fast sechs Jahre später, ist er in Kitzbühel eine lokale Prominenz. Nicht jeder mag ihn, aber jeder kennt ihn. Was selbst seine Kritiker nicht leugnen können: Nothegger ist einer dieser jungen Menschen, die für die Politik leben. Pathetische Sätze wie "Das ist kein Beruf, sondern eine Berufung", die glaubt man ihm.

466 Euro brutto

Zusätzlich zu seiner Funktion als Gemeinderat ist er Obmann des Schwarzsee-Ausschusses. Somit bekommt er monatlich für seine politische Tätigkeit 466 Euro – brutto. "Die Arbeit für den Gemeinderat erledige ich meistens nachts." Er nehme vor jeder Abstimmung Akteneinsicht, als Einziger in der Kitzbüheler Opposition, wie er sagt. Ortet er Unstimmigkeiten, geht er mit Akribie vor: studiert Dokumente, spricht mit Experten – und versucht dann mit beispielloser Hartnäckigkeit, Medienvertreter von den neuesten Kitzbüheler Lokalskandalen zu überzeugen.

"Natürlich geht es in der Politik auch darum, im Gespräch zu bleiben", sagt er. Vor allem für die ÖVP und den Kitzbüheler Bürgermeister findet er gern scharfe Worte – was denen wiederum gar nicht gefällt. "Gerade auf lokaler Ebene entstehen so schnell Abhängigkeiten, Freunderlwirtschaft ist allgegenwärtig. Dem muss man doch etwas entgegensetzen."

Im Herbst wird Nothegger seinen Master in "PR und integrierte Kommunikation" an der Donau-Universität Krems abschließen. Daneben hat er gekellnert, in Agenturen gejobbt, als Reiseleiter gearbeitet, Praktika im EU-Parlament in Brüssel und bei Magna absolviert – um nur ein paar seiner Stationen zu erwähnen. Wie es jetzt weitergehen soll, wisse er noch nicht: "Ich bin gerade auf Jobsuche, ob ich 2016 in Kitzbühel noch einmal kandidiere, halte ich mir derweil noch offen."

"Ich lasse mich nicht verheizen"

Er könne sich auch vorstellen, nach Wien zu gehen und dort politisch zu arbeiten. "Aber auf keinen Fall als Mitläufer in einer Partei wie der ÖVP, die bloß Klientelpolitik betreibt und Querdenker nicht akzeptiert. Ich lasse mich sicher nicht verheizen", sagt Nothegger und schaut hinaus auf den Schwarzsee. Das sagt er zwar nicht, aber man sieht es ihm an: Vorerst einmal wäre er eigentlich schon gerne Bürgermeister.

"Würde ich in die Privatwirtschaft wechseln, will ich das mit dem Gefühl, nach bestem Wissen und mit großer Leidenschaft für den Staat und die Menschen gearbeitet zu haben" – es ist noch einer dieser abgedroschenen Politikersätze, die man ihm abnimmt. "Aber wirklich loslassen wird mich die Politik sowieso nie." (Katharina Mittelstaedt, 15.8.2015)