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"Die Arbeit wäre da" für die 376.522 Menschen, die Ende Juli in Österreich ohne Job waren, sagte Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl in einem Interview.
Sehr geehrter Herr Leitl, ich habe Ihr Interview im "Neuen Volksblatt" gelesen und möchte Ihnen als Betroffener antworten. "Jeder, der arbeiten will, findet eine Arbeit." Laut dem Interview ist das Ihr Kerngedanke. Ich sage Ihnen, dass das ein Mythos ist.
Herr Leitl, ich will arbeiten, jedoch bekomme ich keinen festen Job. Damit ich weiterhin auf dem Laufenden bleibe, arbeite ich seit einem halben Jahr in einer Redaktion auf geringfügiger Basis. Im September läuft der Vertrag aus. Ich will arbeiten, aber es gibt keine Aussicht auf eine längerfristige Anstellung.
Hohe Mobilitätsbereitschaft
Ich bin aus Deutschland nach Österreich gezogen. Meine Mobilitätsbereitschaft ist daher sehr hoch. Das ist mittlerweile ein Jahr her. Seit einem Jahr habe ich bereits um die 110 Bewerbungen abgeschickt. Es hagelte nur Absagen. Ich bekam lediglich fünf Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch. Doch selbst dann kam es nicht zu einem Anstellungsverhältnis.
Ich will arbeiten, laut den zahlreichen und unpersönlichen Absagemails heißt es, dass ich überqualifiziert sei oder zu wenig Berufserfahrung habe. Mit meinen 25 Jahren und dem recht frischen Bachelor-Abschluss kann ich Forderungen wie zwei bis fünf Jahre Berufserfahrung kaum erfüllen.
Generation Praktikum
Schaut man sich meinen Lebenslauf an, wird man feststellen, dass ich zur sogenannten Generation Praktikum gehöre. Beschämenderweise wird den meisten Praktikanten die Festanstellung wie die Karotte vor die Nase hingehalten, bis dann doch nichts daraus wird. Ich habe allmählich Angst davor, abgehängt zu werden. Ich will arbeiten, aber man gibt mir nicht die Chance für eine längerfristige Anstellung.
Soziale Herkunft
In keinem anderen Land der Welt entscheidet die soziale Herkunft so sehr über den Karriereweg wie in Deutschland und Österreich. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und habe es, dank der Aufopferungsbereitschaft meiner Eltern, dennoch zu einem Studienabschluss gebracht. Doch die meisten freien Stellen werden intern durch Kontakte und Netzwerke vergeben, die ich aufgrund meiner sozialen Herkunft kaum besitze. Ich will arbeiten, doch mit gewöhnlichen Bewerbungen werde ich keinen Job bekommen.
Ausländisch klingende Namen
Ich bin überzeugt, dass die meisten Arbeitssuchenden einen Job wollen. Aber viele Arbeitgeber haben Vorbehalte gegenüber bestimmten Gruppen. Es ist kein Geheimnis, dass ein Bewerber mit einem ausländisch klingenden Namen länger auf Arbeitssuche ist als einer mit einem österreichisch beziehungsweise deutsch klingenden Namen. Ich will arbeiten, aber nicht wenige Arbeitgeber sind der Meinung, dass ein Onur angeblich mehr Probleme in einem Betrieb mache als ein Oliver.
Ich will arbeiten. Ich will eine gewisse Verantwortung übernehmen. Ich will keine Steuern empfangen, sondern zahlen, damit ich einen Beitrag für diese Gesellschaft leisten kann. Ich will meine Eltern entlasten. Ich will eine Perspektive für eine halbwegs gute Zukunft. Ich glaube, ich habe eine Chance verdient. (Onur Kas, 14.8.2015)