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Immer wieder kommt es an der Unglücksstelle zu neuerlichen Explosionen. Zahlreiche Brandherde müssen noch gelöscht werden.

Foto: APA/EPA/WU HONG

Tianjin – Neue Explosionen haben die Unglücksstelle auf dem Hafengelände in der nordchinesischen Metropole Tianjin erschüttert, wo zuvor mindestens 112 Menschen ums Leben gekommen sind. Wie die Nachrichtenagentur China News Service berichtete, sei am Samstag plötzlich wieder ein größeres Feuer aufgeflammt. Reporter vor Ort hätten sieben oder acht Explosionen gehört. 95 Menschen werden noch vermisst, darunter 85 Feuerwehrleute.

Starker Rauch sei von mindestens drei Stellen hochgestiegen, berichtete die Agentur. Drei Tage nach den Explosionen in einem Gefahrgutlager mit Chemikalien schwelte an mehreren Stellen demnach immer noch Feuer.

Gefahrenzone wird evakuiert

Unterdessen hat die Regierung Evakuierungen rund um die Unglücksstelle angeordnet. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua am Samstag meldete, wurden die Menschen nahe des Gefahrgut-Lagers wegen der Befürchtung, dass sich "toxische Substanzen ausbreiten" könnten, in Sicherheit gebracht.

Der Zeitung "Beijing News" zufolge begann die Polizei am Morgen damit, die Menschen in Sicherheit zu bringen. Zuvor war bekannt geworden, dass sich in dem Lager auch Natriumcyanid befindet. Einem Bericht zufolge wurde die giftige Chemikalie auch in Abwasserproben in der Gegend nachgewiesen. In welchem Umkreis nun die Evakuierungen angeordnet wurden, darüber gingen die Angaben am Samstag auseinander. Die Rede war von zwei bis drei Kilometern rund um den Unglücksort.

Wie die Nachrichtenagentur Xinhua am Samstag berichtete, liegen noch 721 Verletzte in Krankenhäusern. Darunter seien 58 Schwerverletzte, davon 33 in einem ernsten Zustand.

Als Reaktion auf die Katastrophe ordnete die Regierung landesweit Inspektionen bei Unternehmen an, die mit gefährlichen Chemikalien und Explosivstoffen umgehen.

Auf dem Hafengelände im Binhai Distrikt der Millionenmetropole waren in der Nacht auf Donnerstag tonnenweise gefährliche Chemikalien explodiert und hatten schwere Zerstörungen angerichtet. In einem kilometerweiten Umkreis gab es noch Schäden. 17.000 Haushalte, 1.700 Unternehmen und 675 Geschäfte waren betroffen. In zwölf Schulen und drei Wohnhäusern wurden Unterkünfte für 6.300 Obdachlose geschaffen, deren Wohnungen zerstört oder schwerbeschädigt wurden.

Angst vor giftigen Gasen

Nach dem Unglück ging Angst in der Bevölkerung vor giftigen Gasen in der Luft um. Die Schadstoffe nahe des Unglücksortes überschritten am Freitagabend kritische Grenzen, so dass Feuerwehrleute und eine Kommandozentrale vorübergehend in Sicherheit gebracht werden mussten, berichtete Xinhua. Die Bergungsarbeiten kamen angesichts der anhaltenden Gefahr durch die gelagerten Chemikalien nur langsam voran. Mehr als 1.000 Feuerwehrleute waren im Einsatz.

Nie zuvor in der Geschichte der Volksrepublik sind bei einem Unglück so viele Feuerwehrleute ums Leben gekommen wie bei den Explosionen in Tianjin. "Als die Explosion passierte, waren Feuerwehrleute dabei, den Brand zu löschen, und Nachschub war gerade eingetroffen. Sie wurden völlig überrascht, so dass die Opferzahl hoch ist", schilderte Zhou Tian, Chef der Feuerwehr von Tianjin.

Die Feuerwehrleute waren zu dem Einsatz in dem Gefahrgutlager gerufen worden, ohne zu wissen, was dort brannte oder gelagert war. Auch setzten sie Wasser ein, was bei Chemikalien wie dem unter anderem dort gelagerten hochgiftigen Natriumcyanid explosive Reaktionen auslösen kann. Die hohe Opferzahl löste Diskussionen aus, ob die Feuerwehrleute für solche Situationen ausreichend ausgebildet waren.

Umgang mit Gefahrengütern wird überprüft

Der Staatsrat ordnete im ganzen Land eingehende Untersuchungen an, wie mit gefährlichen Chemikalien und Explosivstoffen umgegangen wird. Die Lehren aus dem Unglück seien "äußerst tiefgreifend", fand die Kommission für Arbeitssicherheit. Das Unglück in dem Gefahrgutlager "enthüllt einen Mangel an Sicherheitsbewusstsein bei Unternehmen und eine lockere Umsetzung von Sicherheitsvorschriften", zitierte Xinhua.

Andere Probleme seien eine "unangemessene Handhabung von Gefahrgütern an Häfen, uneinheitliche Praktiken unter Arbeitern, schwache Reaktion von Rettungskräften auf Zwischenfälle und lasche Aufsicht durch Behörden", zitierte die Staatsagentur aus einer Anweisung der Kommission. Behörden auf allen Ebenen müssten den Umgang mit solchen Gefahrgütern strenger kontrollieren. Das Chemikalienlager in Tianjin lag nur 500 bis 600 Meter von großen Wohnsiedlungen entfernt. (APA, 15.8.2015)