Auch kritische Kunst – wie jene von Elisabeth Tambwe (Produktion "Symposium") – beim Wiener Impulstanz-Festival. Dessen Intendanz beklagt, in Sachen Subvention diskriminiert zu werden.

Foto: Karolina Miernik

Wien – Seit heute ist das Weltmuseum wieder geschlossen. Es folgt ein Umbau vor der Neueröffnung 2017. Über die Zusammenarbeit mit dem Impulstanz-Festival zeigt sich Museumsdirektor Steven Engelsman begeistert: "Großartig!" Zuletzt präsentierte Claudia Bosse, die drei Monate lang erste Künstlerin in Residence des Hauses war, "a third step of Ideal Paradise": den performativen Rundgang durch ihre über sechs Räume verteilte Installation, eine Auseinandersetzung mit den Inhalten der alten Ethnologie und ihren Verbindungen zur Gegenwart.

Auch die aus Polen stammende Wienerin Magdalena Chowaniec hat mit dem in Nigeria geborenen Tänzer Mani Obeya eine neue Arbeit ins Weltmuseum gebracht. Im Mittelpunkt von Songs of the Water / Tales of the Sea stehen sechs Flüchtlingsburschen, die in Rechnitz leben. Unter eingeschränkten Bedingungen, wie Impulstanz-Kurator Michael Stolhofer berichtet: "Diese Jugendlichen dürfen nicht im Badesee schwimmen, nicht zum Fußballplatz und nicht in den Stadtpark."

Vor einigen Jahren hat Elfriede Jelinek dem burgenländischen Ort einen Theatertext gewidmet: Rechnitz (Der Würgeengel) in Erinnerung an das NS-Massaker an jüdische Zwangsarbeiter 1945. Wird hier 70 Jahre danach eine Apartheid, als Trennung zwischen Flüchtlingen und Einheimischen, initiiert?

Bedingungen der Flucht

Chowaniec und Obeya schleusten ihr Publikum durch ein Labyrinth heißer, dunkler Räume. Immer den sechs jungen Männern aus Afghanistan, Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) und Somalia nach, die in kurzen Szenen die Bedingungen ihrer Flucht darstellten. Die Odyssee endete in der Säulenhalle des Museums, wo die Burschen ihre Ankunft tanzten.

Die künstlerische Bilanz des Impulstanz hat Gewicht, denn die zeitgenössische Choreografie zeigte sich politisch. Nicht nur bei den Kooperationsprojekten von Bosse, Choy Ka Fai und Superamas im Weltmuseum, sondern auch in der von Christine Standfest kuratierten Zusammenarbeit mit dem Mumok. Da vor allem etwa bei den Performances von Keith Hennessy, Elisabeth B. Tambwe und Ivo Dimchev. Oder im Museum des 21. Jahrhunderts, dem dritten Kooperationspartner, in Christine Gaiggs untitled (look, look, come closer) mit Klaus Schedl und Netzzeit. Das Verlangen nach gesellschaftlicher Veränderung brachten dort Anne Juren mit einem unter die Haut gehenden Trip in den Körper und Philipp Gehmacher mit der Darstellung eines neuen Denkraums zum Ausdruck.

Auch außerhalb seines sensationellen Museenkooperationsprojekts gab es kritische Kunst. Von Amanda Piña mit Daniel Zimmermann, wiederum von Elisabeth B. Tambwe in ihrem "Symposium" oder von Sergiu Mathis. Tambwe und Mathis traten im Rahmen der Serie [8:tension] auf. Vorschläge für ein anderes Denken kamen von Lisa Hinterreithner mit Jack Hauser ebenso wie von Akemi Takeya, Padmini Chettur, Ian Kaler, Barbara Kraus und Maarten Seeghers. Deutlich wurde hier, dass sich die zeitgenössische Choreografie nur zum Teil und wenn, dann mit Ambivalenz, in eskapistisches Feelgood, nackerpatzigen Körperkult oder naiven Wer-bin-ich-Kitsch einigelt.

Nun die schlechte Nachricht

So weit die guten Nachrichten über die Qualität des Künstlerischen sowie des Festivals – die schlechten betreffen die Politik: in der Tatsache, dass die immer vehementer kritisierte Flüchtlingspolitik ihr – wenn auch vergleichsweise harmloseres – Äquivalent auch bei der Kulturpolitik hat. Impulstanz-Intendant Karl Regensburger lieferte zwar wieder ein mit rund 124.000 Besuchern (146 Vorstellungen, 257 Workshops) und mehr als 96 Prozent Auslastung bestens besuchtes Festival ab.

Doch bereits zum zweiten Mal musste reduziert werden: diesmal mit extremen Maßnahmen wie der Ausladung von 27 internationalen Gruppen. Denn die Stadt Wien war nicht bereit, das für ein Festival von dieser Größe extrem knappe Budget von gesamt 5,2 Millionen um jährlich 700.000 Euro aufzustocken. Gegenüber vergleichbaren Institutionen werde Impulstanz von der Stadt diskriminiert, rechnet Regensburger, dem es auch um internationale Konkurrenzfähigkeit geht, vor.

Und zwar nicht ein bisserl. Sondern im Verhältnis 1:6 zum Nachteil für das Erfolgsfestival. Das Nachsehen hat das breite Wiener Publikum, das die Aufführungen der großen Kompanien in Burg-, Volks- oder Akademietheater immer geradezu gestürmt hatte. (Helmut Ploebst, 17.8.2015)