Auch Fußball-WM und Olympia können über die strukturellen Probleme Brasiliens nicht hinwegtäuschen. Die Bevölkerung ist unzufrieden und geht erneut zu Hunderttausenden auf die Straße. Ihr Zorn gilt der politischen und wirtschaftlichen Krise sowie der systematischen Korruption. Diese zeigt sich vor allem anhand des Skandals um den Ölkonzern Petrobas, in den auch Präsidentin Dilma Rousseff indirekt verwickelt sein soll.

Dafür gibt es bisher keine Beweise, und für ein Amtsenthebungsverfahren, wie es die Opposition anstrebt, fehlt der Hinweis auf handfeste Vergehen. Immerhin kann man der Präsidentin zugutehalten, dass Affären wie diese nun nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden.

Allerdings agierte Rousseff bisher ungeschickt und konnte keine Nähe zur Bevölkerung, geschweige denn zu den Demonstranten aufbauen. Die Dimension der Proteste unterschätzte sie immer wieder. Aktuelle Zustimmungswerte im einstelligen Prozentbereich müssen auch sie selbst an ihrem Politikstil zweifeln lassen. Noch argumentiert sie mit der Verfassung: Ein Rücktritt würde die demokratischen Institutionen beschädigen. Das mag Taktik sein. Wenn aber solche Warnungen vor Demokratieverlust von einer Frau kommen, die unter der Militärjunta drei Jahre in Haft war, sollte man diese nicht von der Hand weisen. Zumal auch die Opposition bisher kaum glaubhafte Vorschläge präsentiert hat, wie sie die Lage verbessern würde. (Noura Maan, 17.8.2015)