Amüsiert hatte man beim Frühstück im Hotel den Tautropfen auf dem Plastikblumengesteck entdeckt. Jetzt war jedoch alles echt: das noch feuchte, wadenhohe Gras zwischen den dicht stehenden niedrigen Nadelbäumen, die Schweißperlen auf der Stirn, der Duft der Fichten – und ja, auch der leichte Schwindel nach dem steilen Aufstieg über den Naglsteig, am Fuß des Hinteren Rauchers, hoch über Altaussee.

Klima, Gerüche, Bewegung, all das gehöre zum ästhetischen Erleben, sagt Dirck Möllmann. Er verantwortet gemeinsam mit Elisabeth Fiedler das Projekt "Politische Landschaft" im Ausseerland. Wie ist diese Landschaft, in der die Geschichte des Zweiten Weltkrieges so kulminierte, beschaffen, und wie wirkte sie auf die Menschen? Die vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark eingeladenen Künstlerinnen und Künstler sollen die Historie zwar nicht illustrieren, wohl aber denkwürdige Orte markieren, allzu tief Schlummerndes wecken.

Einst war das Salzkammergut Sehnsuchtsraum des jüdischen Bürgertums, Sommerfrischeparadies etwa von Theodor Herzl, Gustav Mahler, Sigmund Freud oder Jakob Wassermann, der notierte: "Altaussee ist kein Dorf, sondern eine Krankheit, die man nicht mehr los wird." Aber gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, als das Dritte Reich immer mehr zerfiel, wurde die Region perfiderweise zum Zentrum des letzten Aufbäumens des NS-Regimes und ihres Propagandamärchens von der uneinnehmbaren Alpenfestung. Es wurde zu einer Art "Nazi-Walhalla" (Christian Strasser) für hohe NS-Funktionäre wie Joseph Goebbels, Ernst Kaltenbrunner oder Adolf Eichmann.

Der Toplitzsee als "politische Landschaft": In seinen Tiefen wähnte man noch lange von den Nazis versenkte Goldschätze, an seinem Ufer lässt Susan Philipsz nun ein Klagelied aus dem 17. Jahrhundert erklingen.
Foto: Rainer Iglar

Einerseits. Denn andererseits gab es hier im unzugänglichen, karstigen Toten Gebirge auch einen breiten Widerstand in der Bevölkerung, von Kommunisten und Sozialisten ebenso getragen wie von Katholiken. Historiker Wolfgang Quatember attestiert dem Salzkammergut aufgrund der Lohnabhängigkeiten der Arbeiter in den Salzbergwerken und den Forstbetrieben eine lange Tradition des Widerstands, ja eine gewisse "Widerborstigkeit".

Stachelig war auch der Namenspatron eines Partisanenunterschlupfes, auf dessen Spuren man gerade durch das unwegsame Tote Gebirge, inzwischen 600 Höhenmeter über der Blaa-Alm, wandert: der Igel. Das Tier war dem Kern der Untergrundgruppe "Willy-Fred" beim Bau des Verstecks vor die Füße gelaufen. Sepp Plieseis, der aus einem Außenlager des KZ Dachau geflohen war, Karl Gitzoller, Alois Straubinger und weitere Widerständler verbargen sich dort ab Ende des Winters 1943/44. Der Igel passt als Bild auch zur Strategie: sich einigeln statt angreifen.

Keine Partisanen

Man sah die Zeit noch nicht gekommen, um Aktionen zu setzen. Die Hauptaufgabe bestand für sie eher darin, die Mehrheit der Bevölkerung für den Widerstand zu gewinnen, und nicht darin, Sabotageakte zu setzen – Versorgungswege wie Brücken zu sprengen oder die Stromversorgung zu kappen. Es gab solche Pläne, sonst wäre kein Sprengstoff organisiert worden, aber im Grunde wollte man die Lebensgrundlage der dort lebenden Menschen nicht zerstören, also nicht jene, die man für den Kampf gegen einen gemeinsamen Feind gewinnen wollte, gegen sich aufbringen. Und freilich war da auch Angst, von den Häschern entdeckt zu werden. Partisanen waren sie im engeren Sinne zwar keine, nur "Kriegsdienstverweigerer", wie es die Widerstandskämpferin Edith Hauer-Frischmuth herunterspielt, waren sie auch nicht. Obwohl es auch solche gab. Straubinger erinnert sich an die letzte Zeit im Igel: "Zum Schluss haben wir Feiglinge dazubekommen, mit denen wir unsere Probleme hatten."

Aufgestöbert hat sie zum Glück niemand. Zu entlegen war das vom Revierjäger empfohlene Versteck; ihn hatte man ins Vertrauen gezogen, weil er den Unterschlupf auf seinen Kontrollgängen unweigerlich entdeckt hätte. Nicht entdeckt hätte man selbst heute hingegen den großen Findling mit der rosaroten Markierung, man wäre stattdessen schnurstracks dem Weg weiter in Richtung Ischler Hütte gefolgt.

Am Weg zum "Igel".
Foto: Anne Katrin Feßler

Der Findling weist einen schmalen Pfad durch die jungen Fichten. Die Route zum Igel führt durch ein lichtes, brachliegendes Stück Schutzwald, Steinmännchen weisen den über vom Sturm gefällte Stämme führenden Weg.

Minuten später findet man sich in einer kleinen Senke zwischen halbhohen Felsen wieder, nach vorn öffnet sich das Gelände; der Blick streift etwa den Sandling gegenüber, in dessen Massiv das Salzbergwerk liegt. Direkt vor des Wanderers Nase: ein stacheliges, hockerartiges Objekt aus schwarz lackiertem Holz.

Hier, wo man sich jetzt zur Rast niederlässt, stand, angelehnt an die Felswand, einst der Unterschlupf, eine Konstruktion aus Baumstämmen, gedeckt mit Rinde, die anfangs sechs bis acht, später zehn bis 15 Männern – vorübergehend auch mehr – Versteck bot. Es sei fast zu eng geworden, erinnerte sich Straubinger an jene Zeit. Es kamen immer mehr, weil "viele nicht mehr einrücken wollten und unten im Tal kein Versteck mehr gefunden haben". Die Knappheit der Lebensmittel und die einseitige Ernährung ließen sogar die Ruhr ausbrechen.

Ohne Brot, so erinnert sich Straubinger, wurden die Leute "narrisch". Mit dem gewilderten Fleisch allein hätte man nicht überleben können; man war auf die Frauen, die unter widrigsten Umständen Lebensmittel organisierten, angewiesen. Auf kleinstem Raum waren Spannungen vorprogrammiert, auch weil manche die ganze Gruppe der Gefahr aussetzten, entdeckt zu werden, weil sie ins Tal abstiegen, um ihre Familien zu besuchen. Karl Feldhammer musste einen solchen nächtlichen Ausflug zu seiner Frau Maria im Jänner 1945 mit dem Leben bezahlen. Als es an der Tür klingelte, versuchte er mit einem Sprung aus dem Fenster zu fliehen. Er wurde erschossen.

In den Rucksack passen

Künstlerin Eva Grubinger, von der die Idee zum Projekt "Politische Landschaft" stammt, vergleicht ihren "Igel" mit einem "kultischen Objekt", um das man sich "wie um ein Feuer versammelt". Er ist alles andere als ein Monument, vielmehr eher klein. Denn eine Vorgabe für die in der Landschaft ausgesetzten Objekte – für deren Realisierung die Beteiligten einige Male auf dem Berg waren – war es, in einen Rucksack passen zu müssen.

Eva Grubingers Objekt "Igel" beim einstigen Partisanenunterschlupf.
Foto: Rainer Iglar

Mehr als am großen Hallo einer skulpturalen Geste, die man hier nur mit dem Helikopter abseilen könnte, war man eben an den langsamen Prozessen interessiert, am Erfahren der Landschaft im Gehen, eine Bewegung, die das Unmittelbare der körperlichen Erfahrung mit dem Nachsinnen verschmilzt: Darin liegt ein Geheimnis dieses Projekts, dessen Kunstwerke für sich allein genommen, als Objekte, eher unspektakulär sind.

Man wandert entlang der historischen Schauplätze und wird etwa dessen gewahr, dass Eichmanns Fluchtweg hier begann; er führte über die Blaa-Alm, wo später auch einige Goldkisten gehoben worden sein sollen. Kaltenbrunner hatte Eichmann, der sich so wie er im Altausseer Ortsteil Fischerndorf einquartiert hatte, unmissverständlich erklärt, er solle verschwinden. Was dieser auch tat. Direkt hinter der Villa Kerry, wo Kaltenbrunner oft seine Geliebte Gisela von Westarp besuchte, führt ein Weg in das Loser-Gebiet. Erst 1960 wurde Eichmann in Argentinien verhaftet; Simon Wiesenthal, der sogenannte "Nazijäger", hatte aber vermutet, dass Eichmann einige Male nach Altaussee zurückgekehrt war, er hatte ihm dort aufgelauert. Vergebens. ("Doch die Mörder leben", Simon Wiesenthal in "Der Spiegel", 1967)

Auf der Flucht nutzten die Nazis jene Höhlen und Almhütten, die zuvor den Widerstandskämpfern als Versteck gedient hatten. Einen dieser Felsunterschlupfe hat der Künstler Florian Hüttner mit einem Propagandamotiv aus dem russischen Partisanenkampf versehen. Man muss auf allen vieren unter den Stein kriechen, um die Arbeit zu entdecken. Man muss die Haltung ändern, sich in eine ungewohnte Position begeben, um das Bild zu sehen: Darin liegt der bereits erwähnte Unterschied zur beiläufig konsumierten Kunst. Das persönliche Erleben verleiht der Kunst ein Plus an Authentizität.

Auf der Blaa-Alm.
Rainer Iglar

Auf den steilen Pfaden kommen einem aber auch die Frauen der auf dem Berg versteckten Widerstandskämpfer in den Sinn. Sie versorgten die Männer im Igel unter großer Gefahr und beträchtlichen Kraftanstrengungen mit Lebensmitteln, warnten vor Suchaktionen oder übernahmen Kurierdienste, "wei ma hoit miassn håt", wie Plieseis' Frau Maria es formulierte. Und Leni Egger: "Weil hoid da Mo dabei gwesen is." Der Vorteil des weiblichen Widerstands war, dass man es den Frauen nicht zutraute. Widerstand war patriarchal organisiert. Ruhm brachte den Frauen ihr Engagement daher nicht ein; ihre Schicksale blieben blass. Historikerin Martina Guggelberger: "Die Frauen haben sich selbst nicht als Widerstandskämpferinnen gesehen. Der Begriff ist ganz stark männlich geprägt und auch mit bewaffnetem Widerstand verbunden. Mit diesem Begriff haben sich Frauen überhaupt nicht identifizieren können."

"Raubärtige Partisanen"

Eine Ausnahme bildete Edith Hauer-Frischmuth, geehrt mit dem jüdischen Titel "Gerechte unter den Völkern", die ihre Verdienste stets äußerst selbstbewusst dargestellt hat. Die Frau eines Wiener Arztes quartierte sich im Seehotel ein, um dort Gestapo- und SS-Männer auszuhorchen. "Ich habe diese Leute unter den Tisch gesoffen, um Informationen zu erhalten." Und: "Wer Fingerspitzengefühl genug besaß, um diese Menschen, die vor den Trümmern ihrer Weltanschauung und ihrer Existenz standen, für seine Zwecke einzuspannen, der brauchte keine raubärtigen, von Sonne und Wind lederhäutigen Partisanen. Der brauchte nur ein paar Leute, die auf einen aufpassen, die Informationen zusammentrugen, die wichtige Kurierdienste übernehmen konnten."

Grubingers "Igel", der wie alle anderen Arbeiten noch einen korrespondierenden Drilling im Tal – und im Kunsthaus Graz (in der Ausstellung dort allerdings nur bis 6.9.) – besitzt, reißt jedoch noch eine andere Geschichte auf, verknüpft einen Widerstandsort mit dem nächsten: dem Salzbergwerk. Ab 1943 wurde es zum Bergungsort der vom Hitlerregime zusammengerafften Kunstgüter, darunter etwa der Genter Altar der Brüder van Eyck, Michelangelos "Madonna", ein Selbstbildnis Rembrandts oder die "Bauernhochzeit" von Bruegel. In den Karteien der Nazis fand die Bildhauerin auch ein Objekt, das zur beschlagnahmten Sammlung des Wiener Zuckerfabrikanten Oscar Bondy gehörte: Das 25 Zentimeter große, mit Zacken übersäte Ding, das man vermutlich irgendwann einmal fürs Schaufechten verwendet hat, wurde das Vorbild für Grubingers Skulptur.

Kurzfilm über Albrecht Gaiswinkler.
trauntide

Wer kann sich allerdings wirklich die Rettung der Kunstwerke, die Gauleiter August Eigruber vernichten lassen wollte, damit sie nicht in die Hände des "kapitalistischen Weltjudentums" gelangen, auf die Fahnen heften? An diesem Punkt beginnen sich die Erzählungen der Widerstandskämpfer und Zeitzeugen zu widersprechen: Albrecht Gaiswinkler, der als Agent der Briten 1945 mit dem Fallschirm absprang, um Goebbels, der mit seiner Familie in der Villa Roth am Grundlsee wohnte, zu verhaften, aber zu spät kam, gilt als umstrittene Figur. Er reklamiert diese und auch andere tragende Rollen in der unblutigen Übergabe des Salzkammerguts an die Alliierten für sich. Nicht nur Plieseis zweifelt diese Großtat im Bergwerk an: "Die hatten gar keine Ahnung, dass im Stollen Kunstschätze lagerten. Sie waren ja erst wenige Tage vorher abgesprungen und suchten Unterschlupf für sich."

Das weiße Gold

Vereiteln konnte man die geplante Sprengung im Salzbergwerk nur, weil man vom Plan wusste, nicht nur die Zugänge zu den Stollen, sondern die ganzen Kunstschätze in die Luft zu jagen. Dabei wäre das gesamte Bergwerk zerstört worden: Dieser Umstand ist nicht unwesentlich für die Motivation der Einheimischen, beherzt einzugreifen, schließlich hätte dies den Zugang zu einer ihrer wichtigsten Ressourcen – dem weißen Gold – vernichtet.

Ein Indiz für diese verheerenden Pläne waren Kisten mit der Aufschrift "Vorsicht Marmor, nicht stürzen". Verdacht schöpfte ein Kunstexperte, der nicht wie sonst ein Verzeichnis der Werke erhalten hatte und daraufhin die Widerstandsbewegung informierte. Das taten auch zwei Bergarbeiter, Alois Raudaschl und Hermann König: Sie waren misstrauisch geworden, öffneten die verdächtigen Kisten und fanden die Bomben.

Angelika Loderer: "Lärchen und Steine" (2015).
Rainer Iglar

Drei Maßnahmen setzten die Widerständigen: Man überwachte die Zufahrtsstraße, denn für das Scharfmachen der Fliegerbomben sollten Spezialzünder geliefert werden. Man setzte den Ortsgruppenleiter, ein "willenloses Ausführungsorgan", fest. Und – vermutlich entscheidend – man intervenierte bei Kaltenbrunner persönlich, Eigrubers Pläne zu verhindern.

Kaltenbrunner half, schließlich suchte er nach Möglichkeiten, beim Eintreffen der Alliierten wenigstens ein bisschen besser dazustehen. Letztlich konnten die Sprengkörper tatsächlich aus dem Berg entfernt werden: Geholfen hatten Salinendirektion, Bergarbeiter und Antifaschisten. Für den Film "Monuments Men" von und mit George Clooney gab das mehr als genug nervenkitzelnden Stoff ab. Historische Wahrheit darf man sich von der Hollywoodproduktion aus dem Jahr 2014 freilich nicht erwarten.

Widrigkeiten angepasst

Geschichte ist geduldig und biegsam, so wie die Lärchen: Deren Überformung in der Natur, widrige Umstände haben die Bäume in skurrile Formen gepresst, hat Angelika Loderer für eine skulpturale Metapher der Anpassung unter dem Druck eines Regimes genutzt. Sie hat Lärchensetzlinge in Beton eingegossen – etwa am Waldrand bei der Villa Kerry. Die Malerin Christl Kerry (tatsächlich mit US-Außenminister John Kerry verwandt) zählte einst Künstler, darunter der Tenor Joseph Schmidt, der Jude war, zu ihren Gästen; 1945 beherbergte sie Himmlers Stellvertreter Ernst Kaltenbrunner.

Bojan Šarčević: "Partisan" (2015).

Der Chef der Sicherheitspolizei setzte sich erst am 7. Mai ab (Eichmann war in den ersten Maitagen verschwunden), am Tag, als die Amerikaner von Bad Ischl aus ihren Vorstoß auf den Pötschenpass begannen. Bereits fünf Tage später, im Morgengrauen des 12. Mai, stöberte man Kaltenbrunner jedoch in seinem Versteck, der Wildensee-Alm, auf und nahm ihn fest. ("Totes Gebirge: Ernst Kaltenbrunners Alpeninszenierung des Endes", Werner Liersch in der "Berliner Zeitung", 23.4.2005)

Mit Kaltenbrunners Fluchtroute deckt sich womöglich auch die bei der Loserhütte beginnende Wandertour hinauf zum Hochklapfsattel. Hier im Hochgebirge, im steilen Gelände oberhalb der Weißen Wand hat Bojan Šarčević seine künstlerische Intervention platziert. Es ist eine riesige Muschel, die im Fels kaum auszumachen ist: Farblich verschmilzt sie regelrecht mit der Umgebung. Der Titel "Partisan" verweist allerdings mehr auf die Widersacher als auf die Kollaborateure des Systems.

Unerkannte Fremdkörper im System

"Guter Widerstand wird nicht entdeckt", sagt Helmut Kalss, gebürtiger Altausseer, der seine Dissertation dem Widerstand in der Region gewidmet hat. Er streicht damit insbesondere den Widerstand der Frauen heraus, deren Mut das Überleben vieler versteckter Männer gesichert hat. Und so könnte man die andere, die Muschel komplettierende Hälfte, die Šarčević im Tal am Brückenfundament der Umfahrungsstraße in Bad Aussee anbringen ließ, als Symbol für das weibliche Engagement sehen. Auch sie wird dort eins mit der Materialität des Betons, wird Sinnbild für einen unerkannten Fremdkörper im System oder auch für ein Nest, eine Zuflucht.

Foto: Ulrich Ghezzi

Das, was mitten im Gebirge, mitten in der Landschaft ein irritierender Augenkitzler ist, das wird in dörflichen wie städtischen Umgebungen, die ohnehin eher an einem Zuviel an Gestaltung leiden, fast unsichtbar. Der historische Kontext, erzählt und angestoßen von Künstlerinnen und Künstlern, Kuratorinnen und Kuratoren, macht das, was gerne übersehen wird, jedoch um vieles reicher, lädt auch Konzeptkunst mit einer Art Aura auf.

Bis zum Erreichen dieses Punkts herrscht allerdings oftmals Kopfschütteln, spricht man, wie bei einer Führung im Salzbergwerk erlebt, von "sogenannten Kunstwerken". In der Tat ist dort, wo auch die Fundstelle der geraubten Kunstwerke kommentarlos passiert wurde, eine Soundarbeit von Susan Philipsz sehr unglücklich installiert. Denn wen irritiert das Ertönen eines Liedes, wenn kurz zuvor noch Oriental-Pop aus den Boxen schallte, ja das ganze Schaubergwerk mit einem musikalischen Konzept bespielt wird?

Kollektives Gedächtnis

Auch nahe der Blaa-Alm hängt ein Lautsprecher: Mit etwas Glück liest gerade jemand aus der "Bibliothek des kollektiven Gedächtnisses 1945" des Künstlerduos Clegg & Guttmann vor. Die Bibliothek, aus der Bürger und Bürgerinnen Bücher ausleihen, in die sie aber auch selbst Publikationen zum Thema Erinnerungskultur stellen können, richteten Michael Clegg und Martin Guttmann im Literaturmuseum in Altaussee, der ehemaligen Auspitz-Villa, ein. 1938 hatte man diese arisiert.

Die handliche Publikation zum Projekt "Politische Landschaft" (Dirck Möllmann, Elisabeth Fiedler (Hg.), Sternberg Press, Berlin 2015) enthält Texte zu den Kunstwerken, zahlreiche Fotografen von Rainer Iglar, Ulrich Ghezzi u.a., aber auch kleine Karten, sodass sie auch wie ein Wanderführer benutzbar ist.

Weitere Literatur zum Thema:
Gerhard Topf: "Auf den Spuren der Partisanen. Zeitgeschichtliche Wanderungen im Salzkammergut", Buchverlag Franz Steinmaßl, Grünbach 2006.
Helmut Kalss: "Widerstand im Salzkammergut", Dissertation, Universität Graz 2013.
Foto: Anne Katrin Feßler

Während die enteignete Villa nach Kriegsende restituiert und 1966 von der Gemeinde gekauft wurde, ist viel Raubgut gar nicht erst wieder aufgetaucht. Etwa der von Hans Pucher unter einem Salatbeet bei der Villa Kerry gefundene 70-Kilo-Golddukatenschatz. Pucher sei aufmerksam geworden, so wird es von Hauer-Frischmuth in einem Interview überliefert, weil immer nur ein bestimmter Teil des Beetes gegossen wurde. Das versteckte Nazigold sei abgegeben worden, aber in dunklen Kanälen verschwunden. Kalss, der zahlreiche Gespräche mit Zeitzeugen geführt hat, schiebt das auf eine weitverbreitete fatalistische Einstellung nach Kriegsende. Obendrein hätten viele keinerlei Skrupel gehabt, sich am schmutzigen SS-Gold zu bereichern.

Im Toplitzsee hingegen werde man kein mysteriöses Nazigold finden. Der ehemalige Gendarmeriepostenkommandant Herbert Stocker in einem Interview 2011: "Dort haben sie nur Dinge hineingeworfen, die man nicht mehr finden sollte." Dazu zählten 17 Kisten gefälschter Pfundnoten, mit denen man London eine Inflation aufzwingen wollte, und die Druckplatten: Als "Die Fälscher" schrieb die "Aktion Bernhard" österreichische Oscar-Geschichte. "Der Schatz vom Toplitzsee – Schüsse im Morgengrauen", von Franz Antel verfilmt, floppte 1959 allerdings. Die Zeit sei womöglich noch nicht reif gewesen für diese Themen, heißt es.

Tränen aus der Salzmine

Den von abenteuerlichen Geschichten umrankten Toplitzsee erreicht man vom Grundlsee aus zu Fuß auf ebener Strecke in guten 30 Minuten. Am Rand des bis zu 103 Meter tiefen Sees – und im Stollen der Mine, wo man das Salz mit Wasser aus dem Stein herauslöste und so aus dem Berg holte – lässt nun Susan Philipsz das englisches Klagelied "Slow Slow Fresh Fount" aus dem 17. Jahrhundert erklingen: Die Nymphe Echo weint dort – salzige – Tränen, weil Narziss sie zurückweist. Nicht nur die antike Mythologie, auch die Legenden jener dunklen Zeit werden überdauern. In vielem lässt sich keine Klarheit mehr schaffen.

Trotzdem sagte Simon Wiesenthal einmal: "Die Vorgänge im Ausseer Gebiet seit Mitte 1944 verdienen mit Bestimmtheit ein besonderes Buch, oder vielleicht sogar mehrere Bücher. Sie würden genügend Material für eine Reihe spannender Filme enthalten, in denen die unglaublichsten Dinge vorkommen dürften, die historisch belegt sind."