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Sieht grobe Defizite in der Verfolgung der NS-Kriegsverbrecher in Österreich: Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Center in Jerusalem.
Österreich habe Nazi-Verbrecher im eigenen Land zu lasch verfolgt, kritisiert Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Center in Jerusalem laut einem Bericht der schottischen Investigativplattform "The Ferret".
Anlass ist ein 2008 geführtes, aber erst jetzt auf "The Ferret" veröffentlichtes Interview mit dem Waffen-SS-Offizier Herbert Schweiger, der bis zu seinem Tod 2011 in Österreich lebte. Dass Schweiger trotz "mehrerer Kriegsverbrechen" nie wirklich zur Verantwortung gezogen worden sei, ist in Zuroffs Augen "kaum überraschend angesichts des fast gänzlichen Versagens Österreichs, Nazi-Kriegsverbrecher gerichtlich zu verfolgen".
"Oft unkooperativ"
Österreich sei "oft unkooperativ" gewesen, wenn sein Zentrum versucht habe, NS-Kriegsverbrechen aufzuklären, sagt Zuroff gegenüber dem Magazin. Er nennt Alois Brunner, Aribert Heim und Milivoj Ašner als Beispiele für Kriegsverbrecher, die trotz schwerwiegender Vorwürfe nicht für ihre Verbrechen belangt wurden.
Schweiger als Neonazi-"Kaderausbilder"
Schweiger erzählt in dem Interview, das wegen eines zwischenzeitlich verlorenen Datenträgers erst jetzt publiziert wird, freimütig über seine Tätigkeit als "freischaffender Ideologe" im Dienste der "Kaderausbildung" des Neonazi-Nachwuchses in Österreich und Deutschland. Er gibt auch über seine Rolle in der jungen FPÖ Auskunft. "Da haben wir dann die FPÖ gegründet", sagt Schweiger, er sei auch Landesvorsitzender in der Steiermark gewesen. Das bestreitet der heutige steirische FP-Chef, Gerhard Kurzmann, auf STANDARD-Anfrage: "Das ist mir völlig neu" – erster FP-Landesvorsitzender sei Alexander Götz senior gewesen.
Aus der FPÖ ausgetreten sei er, weil seine NS-Vergangenheit die Finanzierung der Partei gefährdet hätte: "Dann hat also der Industriellenverband gesagt, wenn also der Schweiger weiterhin die Grundsätze der FPÖ mitbestimmt (…), dann stellen wir sofort die Finanzierung ein. Und da bin ich dann mit'm (FP-Bundesparteiobmann, Anm.) Reinthaller so weit geblieben, dass ich gesagt habe, pass einmal auf, ich trete aus, damit die Bezahlung weiter erfolgt."
Auch seine Verwicklung in Bombenattentate in Südtirol gibt Schweiger zu: "In einem Hotel haben wir die Sprengung gemacht, ich war ja Pionier (lacht)."
"So eine schleißige Anklage"
In dem Gespräch, das wenige Wochen vor Beginn seines fünften Wiederbetätigungsprozesses stattfand, äußert sich Schweiger zudem belustigt über die seiner Meinung nach "schleißige" Anklageerhebung im Welser Wiederbetätigungsprozess gegen den rechtsextremen "Bund freier Jugend" (BfJ), der in einen Freispruch mündete: "Sie werden lachen, ich hab 50 Euro g'wonnen, weil ich hab mit einem Kollegen gewettet, dass die freig’sprochen werden. Ich war mir absolut sicher, dass die freig'sprochen werden, und wissen S' wieso? Weil so eine schleißige Anklage hab ich überhaupt im Leben noch nie g'sehn."
Schweiger zeigt sich in dem Interview zuversichtlich, was den Neonazi-Nachwuchs in Deutschland betrifft. Er erzählt von einer Ansprache vor 1.500 jungen Menschen in Deutschland, wo ihm aufgefallen sei, dass sich die Szene verändert habe und sich besser vor strafrechtlicher Verfolgung schütze: "Es kommt mir so vor, als ob das jetzt in Deutschland besser ist, da sind keine B'soffenen mehr und so, da wird extrem aufgepasst. (…) Diese Zeit, wo diese primitive Art von Demonstration da war, die ist vorbei, auch in Berlin usw. sind da bereits sehr gute Kadergruppen, die sehr diszipliniert auftreten, auch Mecklenburg, auch Thüringen." (Maria Sterkl, 19.8.2015)