Strache hat Stronach geschlagen. 992.000 Seher hatte das ORF-Sommergespräch mit dem FPÖ-Chef, das somit sogar die hohen Werte von Teamleader Frank Stronach (827.000) übertroffen hat. Beide konnten damit sogar den verstorbenen Jörg Haider überholen. Strache ist jetzt die neue Nr. 1 vom Küniglberg. Die Quote dürfte also stimmen, aber wie steht es um die Inhalte?

Nachdem nun alle Oppositionsvertreter von ORF-Innenpolitik-Chef Hans Bürger befragt worden sind, zeigen sich zwei Dinge: Das Sendungsformat funktioniert im Sinne einer politischen Diskussionssendung nicht, und der Moderator hat seine Form offensichtlich noch nicht gefunden.

Zum Format: Die Sendung dauert zwar fast eine ganze Stunde, als Gebührenzahler hat man aber am Ende nicht das Gefühl, wirklich viel mitgenommen zu haben. Das liegt vermutlich daran, dass es grundsätzlich viele Fragen an die Vertreter der Politik gäbe, die auch die Zuseher beantwortet haben wollen, durch seltsame Imagefilme rund um die Teams der Spitzenpolitiker und einen noch seltsameren Wordrap am Ende wertvolle Sendezeit verlorengeht.

Ist es wirklich wichtig, Parteifreunde von Strache sagen zu lassen, dass er "ein sehr fescher junger Mann" gewesen sei? Ist es journalistisch vertretbar, dass ein Weggefährte Straches unhinterfragt sagen kann, dass dieser in seiner Jugend "gar nicht rechts" und "mit Sicherheit nicht nationalsozialistisch" gewesen sei, sondern sich nur "in einer blöden Umgebung" befunden habe? Zugegeben, alle Vertreter der Parteien haben diese Werbefilme bekommen. Es wäre jedoch sehr viel spannender, zu erfahren, was beispielsweise die politischen Gegner oder Vertreter aus dem Volk über die Volksvertreter zu sagen haben als deren Freunde.

Die Rubrik "Ausgesprochen" am Ende der Sommergespräche ist ähnlich inhaltsleer. Derartige Wordraps sind vor mehreren Jahrzehnten im Journalismus aufgekommen, um von Politikern, denen nichts Spannendes zu entlocken ist, wenigstens ein paar peppige Zitate rauszuquetschen. In Facebook-Zeiten sind solche Zitate auch wirklich dankbar. Man kann sie gut teilen, erreicht noch mehr Menschen. Stronach sagt: "Frauen sind Menschen wie wir." Strache sagt, er singt die Hymne wie Gabalier töchterlos. Das freut den Herren-Stammtisch beim Sommerspritzer, da schaltet man doch gerne wieder ein, auch wenn man zu wirklich wichtigen Themen wie Arbeitsmarkt- oder Asylpolitik nichts Neues erfährt.

Stichwort Bundeshymne: Strache meinte, diese habe eine Frau Berlakovich (sic!) geschrieben. Dass das Paula Preradović war, war Moderator Bürger keinen Einwurf wert. Strache konnte mit Asylzahlen aus dem Kosovo in "Südjugoslawien" (sic!) um sich werfen, die jedoch nicht mehr aktuell sind. Der Moderator hätte hier mehrfach einhaken müssen und zumindest Nachfragen stellen (siehe STANDARD-Faktencheck). Die Aussage "Sie haben unsinnige Feststellungen getroffen, die ich so nicht stehenlassen kann" war besonders bezeichnend. Sie kam nämlich nicht von Bürger, sondern von Strache, der mit dem Moderator über weite Strecken machte, was er wollte, und so seinen Wien-Wahlkampf einläuten konnte.

Dass die Sommergespräche von vielen Menschen gesehen werden, ist zwar gut, weil sich die Bevölkerung für Politik zu interessieren scheint. Für Mitterlehner und Faymann brauchte es nun aber dringend mehr Inhalt. (Rainer Schüller, 18.8.2015)