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Der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisen Bank International (RBI), Karl Sevelda, kann auch für das Geschäftsjahr 2015 einen Verlust "nicht ausschließen".

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Wien – Schrumpfen kann schwieriger und schmerzhafter sein als Wachsen: Diese Erfahrung, in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, dürfte der Vorstand der Raiffeisen Bank International (RBI) unter Karl Sevelda (1 Meter 90) gerade machen. Das Institut, in 15 Ländern Ost- und Südosteuropas und in Österreich aktiv, ist seit September dabei, sein Geschäft zurückzufahren. Bis Ende 2017 sollen 26 Mrd. Euro abgebaut sein; betroffen sind vor allem die Märkte Ukraine, Russland, Polen, Slowenien, Asien und die USA. Allein dort sollen die risikogewichteten Aktiva (RWA; Geschäft, das mit Eigenkapital unterlegt werden muss) um 16 Mrd. Euro sinken.

"Mittelstreckenlauf"

Das "Oberziel" in diesem "Mittelstreckenlauf", wie RBI-Chef Sevelda die sportliche Übung am Dienstag bei der Präsentation des Halbjahresergebnisses 2015 nannte: Das harte Kernkapital soll bis Ende 2017 auf eine Quote von zwölf Prozent steigen, derzeit liegt sie bei 10,7 Prozent. "Ich bin überzeugt, dass wir das erreichen", erklärte Sevelda – um aber doch einzuräumen, dass es bei den geplanten Verkäufen "leichte Verzögerungen gibt".

Mit dem Halbjahresergebnis (288 Mio. Euro Nettogewinn und damit mehr als erwartet, aber um 16,4 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2014; um 4,3 Prozent höhere Kreditrisikovorsorgen von 592 Mio. Euro) sei er "nicht unzufrieden", so der Banker. Grund für das Gewinnminus: Wechselkurse, niedrige Zinsen und "leicht gestiegene Risikokosten in Russland und Ukraine". Fürs Gesamtjahr schließt Sevelda "einen Verlust nicht aus". Zur Erinnerung: 2014 gingen 493 Mio. Euro verloren.

Größter Stolperstein bei der Umsetzung der Raiffeisen-Schrumpfkur: Der Verkauf der polnischen Polbank, der eigentlich bis Mitte 2016 auf Schiene sein sollte. Denn: Die RBI hat sich beim Kauf der Polbank 2012 (wurde mit der seit 1991 aktiven polnischen Raiffeisenbank fusioniert) verpflichtet, bis dahin 15 Prozent an die Börse zu bringen. Dieser Börsegang wird derzeit, parallel zum Verkauf, auch vorbereitet.

Der Plan der polnischen Regierung, Schweizer-Franken-Kredite zu günstigen Konditionen für die Kunden und auf Kosten der Banken in Zloty zu konvertieren, bringt dieses Vorhaben ins Wanken. Die Polbank hatte zum Halbjahr Frankenkredite im Volumen von 3,21 Mrd. Euro vergeben – was den Verkauf des Instituts naheliegenderweise erschwert.

Zwar habe man der polnischen Regierung geschrieben, dass das Gesetzesvorhaben "juristisch extrem problematisch ist, auch in Hinsicht auf das polnisch-österreichische Investitionsschutzabkommen" und erwarte "intensive Gespräche" (Sevelda), trotzdem bereiten sich die Banker nun auf alle Eventualitäten vor. Finanzchef Martin Grüll: "Wir denken intensiv darüber nach, das Schweizer-Franken-Portfolio aus der Bank herauszulösen, weil sie sonst nicht zu einem vernünftigen Preis verkauft werden kann". Das würde dazu führen, dass die RBI das Portfolio in den eigenen Büchern behielte und selbst auf dem Franken-Risiko sitzen bliebe. Dass für eine dermaßen ausgehöhlte Retailbank viel gezahlt würde, ist auszuschließen – aber immerhin hätte die RBI ein Problem weniger.

Auch beim Verkauf der slowenischen Tochter spießt es sich: Mangels Interessenten soll ihr Geschäft nun abgewickelt werden.

Sektoranalyse von OeNB

Summa summarum dreht sich bei Raiffeisen, wie bei den meisten Geldhäusern, fast alles ums Eigenkapital. Für die Erfüllung der von den Aufsehern geforderten Quoten und Puffer könnte ein Umbau des dreistufigen Sektors (Raiffeisenkassen, Landesbanken, Raiffeisen Zentralbank; RZB) samt Fusionen zweckdienlich sein. Von der RBI-Spitze ist dazu aber nichts zu erfahren, denn "Gerüchte kommentieren wir nicht" . Tatsächlich existieren bereits Papiere zu diesem Thema: Die Nationalbank (OeNB) hat eine Sektoranalyse angestellt, laut der zwar die Primärstufe gut mit Kapital ausgestattet sein soll, Landesbanken und RZB (hält 61 Prozent der RBI) aber nicht so gut aufgestellt seien. Mit dieser Analyse wird sich auch die Aufsicht in der Europäischen Zentralbank EZB beschäftigen.

Und: Raiffeisen selbst hatte die Berater von McKinsey im Haus; sie rechnen angeblich die Effekte aller Varianten durch: von strategischen Partnerschaften über enge Kooperationen im Sektor bis hin zu Fusion RZB mit RBI und Landesbanken mit RZB. Diese Berechnungen sollen den Aufsehern im Herbst vorgestellt werden. Auch das kommentiert die RBI nicht. (Renate Graber, 19.8.2015)