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Ein freundliches Wort, ein wenig Zeit, ein offenes Ohr für die Patienten: So sollte es sein. Ist es aber oft nicht.

Foto: AP/Thomas Kienzle

Die Armutskonferenz hat nun über eine Studie herausgefunden, dass viele arme Menschen sich im Gesundheitssystem mit "massiver Stigmatisierung, Geringschätzung oder mangelndem Respekt" konfrontiert sehen. Das sei vor allem in Krankenhäusern, teils aber auch bei niedergelassenen Ärzten der Fall, sagte Armutskonferenz-Sprecher Martin Schenk.

Man erinnere sich kurz zurück: Als die Spitalsärzte mit der Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely um eine neue Arbeitszeitvereinbarung und, damit verbunden, höhere Gehälter verhandelten, war auch viel von Wertschätzung die Rede. Beziehungsweise vom Fehlen derselben. Die Ärztevertreter beklagten, vor allem den im Krankenanstaltenverbund beschäftigten Medizinerinnen und Medizinern werde zu wenig davon zuteil, man fühle sich zu wenig wahrgenommen und verstanden.

Bedenkenswerte Klage

Nun mag man darüber streiten, wie strategisch günstig es ist, bei Gehaltsverhandlungen mit Wertschätzung zu operieren (Personal Coaches empfehlen, lieber mit "Leistung" zu argumentieren) – bedenkenswert ist diese Klage allemal. Wer sich selbst nicht wertgeschätzt fühlt, kann Wertschätzung auch nicht weitergeben. Und das trifft im Gesundheitssystem dann leider oft das schwächste Glied – in dem Fall den Patienten.

Tatsächlich kann jeder, der einmal stundenlang in einer beliebigen Spitalsambulanz auf Behandlung gewartet hat, von wenig wertschätzenden Erlebnissen berichten: Gestresste Ärzte stellen knappe Fragen, bellen kurze Therapiebefehle, sind sichtbar froh, wenn sie den jeweiligen Patienten wieder bei der Tür hinauskomplimentieren können. Ein bisschen freundlicher als mit Frau Meier oder Herrn Bauer geht man dort schon mit Herrn oder Frau Doktor Meier-Bauer um – aber auch das sind zumeist Nuancen.

Unfreundlicher Umgangston

Möglicherweise läuft im Gesundheitssystem etwas grundsätzlich schief. Es scheint, als sei der normale Umgangston alles andere als freundlich, und alle leiden darunter. Der Faktor Zeit – ein ganz wesentlicher im Umgang mit Kranken – hat keinen (Geld-)Wert. Es wird vom System nicht entsprechend honoriert, wenn Ärzte ihren Patienten viel Zuwendung geben.

Überspitzt formuliert: Primarii bellen ihre Oberärzte an, die ihre Assistenzärzte, jene die Turnusärzte, die vielleicht dann das Pflegepersonal – und zu den Patienten ist am Ende, vor lauter Frust, niemand mehr nett. Wenn diese keine Zusatzversicherung, keinen Titel und keine Freunde im System haben, sind sie in doppelter Hinsicht arm dran.

Soziale Qualitäten

Es macht Sinn, wenn die besten Experten auf ihrem Gebiet eine Abteilung leiten – das soll und kann alle in der Abteilung Beschäftigten zu Höchstleistungen anspornen. Das wird aber nur dann möglich sein, wenn besagte Koryphäen auch soziale Qualitäten, sogenannte Soft Skills, haben und wissen, was Führungsarbeit bedeutet. Darauf wurde bisher im Gesundheitswesen wenig geachtet. Doch das ist die Voraussetzung für einen insgesamt gepflegteren und achtsameren Umgang miteinander.

Die Armutskonferenz hat schon recht mit ihrer Forderung nach einer besseren finanziellen Absicherung armer und ärmster Patienten. Aber Geld ist nicht immer alles – ein freundliches Wort für jene, denen es elend geht, kann mitunter wahre (Heilungs-)Wunder bewirken. (Petra Stuiber, 20.8.2015)