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In den 1970er Jahren handelte Egon Bahr unter anderem die Verträge zum Gewaltverzicht mit Moskau und Warschau aus.

Foto: EPA/MAURIZIO GAMBARINI

Wandel durch Annäherung ist das Schlagwort, das Egon Bahr prägte, aber durch Willy Brandt bekannt wurde. Der frühere Journalist war der enge Vertraute des charismatischen SPD-Politikers. Er war als Chef des Planungsstabs im deutschen Außenministerium an Brandts Seite, ab 1969 als Staatssekretär im Bundeskanzleramt und ab 1972 als Minister für besondere Aufgaben: Bahr war das Hirn, Brandt das Herz der deutschen Sozialdemokratie.

In den 1970er-Jahren, mitten im Kalten Krieg, handelte der 1922 im thüringischen Treffurt geborene Bahr die Verträge zum Gewaltverzicht mit Moskau und Warschau aus. Später wurden diese Schritte der Entspannungspolitik als Voraussetzung für die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas genannt.

Weinkrampf im Parlament

Als Brandt im Zuge der Affäre rund um die Enttarnung des DDR-Spions Günter Guillaume 1974 zurücktrat und der damalige Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehner, ausrief: "Willy, du weißt, wir alle lieben dich", begann Bahr zu weinen. Diese Aufnahmen des von einem Weinkrampf geschüttelten Bahr sind eine der stärksten Szenen aus dem Parlament, eine, an die sich viele Sozialdemokraten noch heute erinnern. Später sagte er in Interviews immer wieder, er habe Wehners Ausruf als unfassbaren Gipfel der Heuchelei empfunden, und schrieb ihm eine Mitschuld am Sturz von Brandt zu.

Bis ins hohe Alter blieb der langjährige Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg aktiv. Zu seinem Markenzeichen wurden seine Hosenträger und sein Wortwitz. Er konnte mit seinen analytischen Fähigkeiten Zuhörer in den Bann ziehen.

Erinnerungen an Brandt publiziert

Seinen letzten öffentlichen Auftritt in Österreich hatte Bahr im November 2013, als er seine als Buch publizierten Erinnerungen an Willy Brandt, "Das musst Du erzählen", im Kreiskyforum in Wien vorstellte. An seiner Seite seine Frau Adelheid, die er mit knapp 90 Jahren geheiratet hatte. Sein Fazit von damals hat noch heute Gültigkeit: "Die Welt verändert sich in atemberaubendem Tempo, die Politik jedoch ändert sich wenig."

Seine Entspannungspolitik trieb ihn bis zuletzt um: Noch Ende Juli war Bahr in Moskau und sprach sich dort zusammen mit dem Ex-Sowjetpräsidenten Michail Gorbatschow für ein Ende der Entfremdung zwischen Deutschland und Russland in der Ukraine-Krise aus. In der Nacht auf Donnerstag starb Bahr mit 93 Jahren an einem Herzinfarkt. (Alexandra Föderl-Schmid, 20.8.2015)