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ORF-Online-Chef Thomas Prantner, hier bei den Medientagen 2012 zu sehen, arbeitet mit dem ORF an einer App-Offensive.

Foto: APA/Schneider

Wien – Der ORF plant rund um den Jahreswechsel den Start seiner Radiothek. "Sofern es nicht durch Einwände der Bundeswettbewerbsbehörde zu Verzögerungen kommt", wie ORF-Online-Chef Thomas Prantner im APA-Interview erklärt. Genau das ist allerdings der Fall, wie die Wettbewerbsbehörde am Freitagnachmittag auf ihrer Homepage mitteilte.

Darüber hinaus arbeitet der öffentlich-rechtliche Sender an einer App-Offensive. In Planung sind etwa eine eigene Fußball-App, eine Ski-App sowie Apps zu den Landtagswahlen. Die Fußball-App soll bereits Anfang September rund um Österreichs nächstes EM-Qualifikationsspiel unter dem Motto "ORF-Fußball: Neu im Web und als App" präsentiert werden. Bei der TVthek ist laut Prantner unter dem Arbeitstitel "MyTVthek" eine "technologische Weiterentwicklung in Richtung interessensbezogener, individueller Abrufmöglichkeit von Sendungen und Beiträgen geplant". Mit der Vermarktung der Plattform erwirtschaftet man bereits "rund 10 Prozent der gesamten Online-Werbeeinnahmen des ORF – Tendenz steigend". Die Online-Werbeeinnahmen des Senders betrugen zuletzt etwa 13 Mio. Euro im Jahr.

Für die Wahl der neuen ORF-Geschäftsführung im Spätsommer 2016 stellt Prantner eine Bewerbung für einen Direktorenposten in Aussicht. "Es spricht vieles dafür anzutreten – immerhin kann ich langjährige Managementerfahrung , unter anderem jeweils 5 Jahre als Online-Direktor beziehungsweise als stellvertretender Technik-Direktor, und eine erfolgreiche Leistungsbilanz vorweisen", so Prantner, der als FPÖ-nah gilt.

Zum Thema FPÖ hält Prantner fest, "dass es für die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des ORF als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen wichtig ist, alle Parteien in der Berichterstattung in TV, Radio und Online gleich zu behandeln. Diese redaktionelle Gleichbehandlung sollte gegenüber allen Parteien gelten, selbstverständlich auch gegenüber der FPÖ."

Das Interview im Wortlaut:

APA: Die Medienbehörde KommAustria hat grünes Licht für den Start der ORF-Radiothek gegeben. Wann geht es los?

Prantner: Die ORF-Radiothek wird – sofern es nicht durch Einwände der Bundeswettbewerbsbehörde zu Verzögerungen kommt – Ende 2015/Anfang 1. Quartal 2016 operativ starten. Die Radiothek wird die zentrale Radio-Livestream- und On-Demand-Plattform des ORF sein, sozusagen die "kleine Schwester" der ORF-TVthek. In der ersten Ausbaustufe werden wir diese Online-Dienste live und on demand für die drei nationalen Radiosender Ö1, Ö3 und FM 4 anbieten. Es wird möglich sein, News, redaktionelle Storys und Musikbeiträge sieben Tage lang abzurufen und zwar über PC/Laptop genauso wie über mobile Smartphones inklusive einer eigenen Radiothek-App. Unsere Strategie heißt, ORF-Content auf alle multimedialen Plattformen zu bringen und da werden wir mit der ORF-Radiothek ein ganz deutliches Zeichen setzen. Gleichzeitig werden wir auch die Livestreams und die Apps der erfolgreichen Regionalradios der ORF-Landesstudios in die Radiothek integrieren.

APA: Nach dem jüngsten Spruch des Verwaltungsgerichtshofs wird man die Radiothek nutzen können, ohne Rundfunkgebühr bezahlen zu müssen, wenn man nur einen Computer zu Hause hat. Wird sich das auf das Angebot auswirken?

Prantner: Die eigentliche Neuerung der ORF-Radiothek ist insbesondere die Audio-On-Demand-Bereitstellung der ORF-Radioprogramme. Für die On-Demand Bereitstellung hat die GIS nie Gebühren eingehoben, daher gibt es aus unserer Sicht auch keine Auswirkungen durch das Erkenntnis des VwGH. Im Bereich der zeitgleichen Bereitstellung der ORF-Radioprogramme bündelt die Radiothek die Radio-Streams, die derzeit nur unter oe1.ORF.at, oe3.ORF.at, fm4.ORF.at und oesterreich.ORF.at angeboten werden. An diesem Plan wird sich ebenfalls nichts ändern.

APA: Wie läuft es bei der TVthek und gibt es auch dort weitere Ausbaupläne?

Prantner: Wir haben es geschafft, die ORF-TVthek innerhalb von fünfeinhalb Jahren zur größten österreichischen Videoplattform zu machen. Derzeit haben wir laut ÖWA-Plus fast eine Million User und rund 20 Millionen Videoabrufe pro Monat auf ORF.at-Sites, der überwiegende Teil davon auf der ORF-TVthek. Dazu wurde gerade in den vergangenen Monaten das Video-Embedding von ORF-TVthek-Videos in die großen redaktionellen ORF.at-Sites News und Sport stark ausgebaut. Damit wurde die von Generaldirektor Alexander Wrabetz und mir 2006 vorgegebene Strategie der intensiven Vernetzung und Verschränkung zwischen dem TV-und dem Online-Angebot des ORF erfolgreich umgesetzt. Es ist äußerst positiv, dass diese neue Multimediastrategie von der gesamten Geschäftsführung unterstützt wird, insbesondere vom Kaufmännischen Direktor Richard Grasl, der hier auch starkes Vermarktungspotenzial und neue Einnahmenquellen für die Zukunft sieht.

APA: Was kommt als nächstes?

Prantner: Für die kommenden ein, zwei Jahre ist unter dem Arbeitstitel "MyTVthek" eine technologische Weiterentwicklung der ORF-TVthek in Richtung interessensbezogener, individueller Abrufmöglichkeit von Sendungen und Beiträgen geplant. Auch Additional Content und Highlights-Videos, speziell Sport, werden auf der ORF-TVthek eine stärkere Rolle spielen als bisher. Schritt für Schritt erweitern wir die ORF-TVthek auch auf neue technologische Plattformen, heuer etwa auf Netrange-Smart-TV, Chromecast/iOS-App und Amazon Fire-TV. Darüber hinaus werden wir die Videoarchive im Rahmen der Aktion "ORF-TVthek goes school" ausbauen, besonders unsere Serie "Die Geschichte der österreichischen Bundesländer". Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass Online-Content nicht primär von Wien aus generiert und dominiert wird, sondern dass wir alle anderen acht Bundesländer gleichermaßen berücksichtigen und damit auch regionalen Video-Content mehr und mehr auf ORF.at und in die ORF-TVthek integrieren.

APA: Wie viel nimmt der ORF mit der Vermarktung der TVthek ein?

Prantner: Die Vermarktung der ORF-TVthek läuft – trotz der starken rechtlichen Restriktionen – sehr zufriedenstellend und macht bereits rund 10 Prozent der gesamten Online-Werbeeinnahmen des ORF aus – Tendenz steigend. (Die gesamten Online-Werbeeinnahmen betragen etwa 13 Mio. Euro im Jahr, Anm.)

APA: Der ORF hat bei den jüngsten Rundfunknovellen auf ein Ende des App-Verbots gehofft. Dazu ist es nicht gekommen. Wie geht es nun mit den App-Angeboten weiter?

Prantner: Es ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber diese seit 2010 bestehende und damit antiquierte App-Bestimmung nicht den modernen Medien-Nutzungsgewohnheiten angepasst hat. Wir müssen dennoch damit leben und werden uns im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bemühen, neue, attraktive Angebote für alle Plattformen, das heißt auch für Smartphones zu präsentieren. Uns geht es vor allem auch um eine plattformübergreifende Strategie: Bei den Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland haben wir bereits umfassende Online-Multimedia-Specials für PC/Laptop und als App für Smartphones angeboten, diese wird es auch zu den Landtagswahlen in Oberösterreich und in Wien geben. Das zweite große Thema im Herbst ist Fußball. Im September geht die Fußball-EM-Qualifikation in ihre entscheidende Phase, außerdem startet wieder die UEFA-Champions-League im ORF. Unser Motto wird heißen: "ORF-Fußball: Neu im Web und als App". Weitere Multimedia-Angebote wird es zum Ski-Weltcup geben, darüber hinaus soll das bestehende Teletext-Web-Angebot auch per App bereitgestellt werden.

APA: Wie ist der Status des geplanten Video-Projekts mit dem Verband Österreichischer Zeitungen?

Prantner: Die Verhandlungen mit dem VÖZ verliefen äußerst positiv und wir konnten weitgehend Konsens erzielen. Derzeit läuft die rechtliche Begutachtungs- und Abstimmungsphase mit der Bundeswettbewerbsbehörde. Ob die Einwände der BWB lösbar sind, werden weitere Gespräche zeigen. Ein wichtiger Player in diesem Zusammenhang könnte die APA sein, in der ja fast alle wichtigen österreichischen Zeitungen und der ORF Gesellschafter sind.

APA: Im kommenden Jahr wird eine neue ORF-Geschäftsführung gewählt. ORF-General Alexander Wrabetz hat dafür bereits eine neue mögliche Organisationsstruktur präsentiert die einen Informationsdirektor und einen Programmdirektor für alle Medien des ORF vorsieht. Ihre Hauptabteilung wäre damit obsolet. Was halten Sie von einer solchen Organisationsstruktur?

Prantner: Die Entscheidung über die Direktionsstruktur liegt beim Stiftungsrat auf Vorschlag des gewählten Generaldirektors. Nach meinen Informationen ist die Diskussion über diese neue Organisationsstruktur zwischen Generaldirektor und Stiftungsrat im Laufen und noch lange nicht abgeschlossen. Ich habe mich immer für einen eigenständigen und starken New Media- und Onlinebereich im ORF ausgesprochen und dies war und ist ein ganz wesentlicher Grund für die objektiv messbare Erfolgsstory von ORF-Online in den vergangenen Jahren inklusive TVthek-Gründung 2009. Ich bin fest davon überzeugt, dass die rasanten technologischen Veränderungen in der digitalen Multimediawelt eine sichtbare Aufwertung des Digitalbereichs in der ORF-Managementstruktur auf Direktionsebene notwendig machen würde.

APA: Werden Sie sich 2016 um einen Direktorenposten bewerben?

Prantner: Die Bestellung von Generaldirektor und Direktoren findet erst in rund einem Jahr statt. Bis dahin haben wir noch viel Sacharbeit vor uns. Ich werde mich zeitgerecht Anfang/Mitte 2016 definitiv entscheiden, ob und wenn ja für welche Funktion in der Geschäftsführung ich mich bewerben werde. Es spricht vieles dafür anzutreten – immerhin kann ich langjährige Managementerfahrung, unter anderem jeweils fünf Jahre als Online-Direktor beziehungsweise stellvertretender Technik-Direktor, und eine erfolgreiche Leistungsbilanz vorweisen. Diese Entscheidung hängt aber letztlich auch von personellen und strukturellen Konstellationen ab.

APA: Die FPÖ wird von Wahl zu Wahl stärker. Erhöht das Ihr Standing im ORF? Sie gelten ja als FPÖ-nah ...

Prantner: Mein Standing im ORF hängt primär von meinen Leistungen als Onlinechef, von der professionellen Umsetzung der Online- und Neuen Medienprojekte und von meinem Beitrag zum Erfolg des Gesamtunternehmens ab. Zum Thema FPÖ halte ich fest, dass es für die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des ORF als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen wichtig ist, alle Parteien in der Berichterstattung in TV, Radio und Online gleich zu behandeln. Diese redaktionelle Gleichbehandlung sollte gegenüber allen Parteien gelten, selbstverständlich auch gegenüber der FPÖ. Was den Onlinebereich betrifft, funktioniert dieses Prinzip weitgehend gut, daher gibt es da auch kaum Kritik.

APA: Die FPÖ soll Ihnen auch schon einmal einen Wechsel in die Politik angeboten haben. Ein Thema?

Prantner: Derzeit nicht. Ich war zwar in den 1990er-Jahren fast neun Jahre Gemeinderat einer von mir gegründeten unabhängigen Bürgerliste und bekam damals auch ein Angebot in eine politische Funktion auf höherer Ebene zu wechseln – ich habe mich aber damals für den ORF entschieden. Diese Entscheidung war und ist bisher richtig. (APA, 21.8.2015)