Zu Gast beim Jazzfestival Saalfelden (27.-30. 8.): die in Wien lebende Blockflötistin und Sängerin Maja Osojnik.

Foto: Rania Moslam

Saalfelden – Die Wiener Sängerin und Blockflötistin Maja Osojnik schert sich nicht um Grenzen. Sie flottiert zwanglos zwischen den musikalischen Sphären. Heute improvisiert sie auf ihrer Bassblockflöte Noisemusik, morgen eignet sie sich slowenische Volkslieder an. In mehr als nur einer Handvoll Bandprojekten widmet sie sich aber auch Alter Musik, Rock, Jazz oder Elektronik.

Wenn Osojnik jenes Programm, mit dem sie am 28. August das Jazzfestival Saalfelden eröffnet, All.The.Terms.We.Are nennt, wirkt das also einigermaßen selbstreflexiv: Es ist schwer, diese sympathische Weltenwanderin auf einen Begriff zu bringen. Bestreiten wird sie den Kompositionsauftrag denn auch mit keiner bereits bestehenden Band, sondern mit einem (fast) ganz neuen Ensemble. Die bemerkenswerte slowenische Jazzpianistin Kaja Draksler hat sie sich etwa an Bord geholt, aber auch die Cellistin und Vokalavantgardistin Audrey Chen. Schlagzeuger und Bassist sind indes schon gut eingespielt: Lukas König und Manu Mayr sind in Saalfelden auch als Part der Experimental-Jazzfunk-Combo Kompost 3 zu hören.

STANDARD: Wie haben Sie Ihre Band für Saalfelden zusammengestellt?

Maja Osojnik: Ich habe lange überlegt: Nehm ich mein Zuhause mit, also schreibe ich für eine bestehende Band? Oder nehme ich die Gelegenheit wahr, musikalisch neue Leute kennenzulernen? Am Ende habe ich ein Ensemble sozusagen aus alten Wunschvorstellungen zusammengestellt. Kaja Draksler kenne ich noch gar nicht persönlich. Mit den meisten habe ich noch nicht gespielt.

STANDARD: Außer mit Matija Schellander, der auch Ihr Bandkollege im Experimentalduo Rdeca Raketa ist. Also doch ein Stück Zuhause?

Osojnik: Ein kleines Stück! Aber ich setze ihn in eine neue Rolle. Bei Rdeca Raketa improvisieren wir ja viel freier.

STANDARD: Hat sich die Band schon zum Proben getroffen?

Osojnik: Nein, wir treffen uns erst ein paar Tage vor dem Konzert. Der spannendste Teil liegt also noch vor mir. Ich bin wirklich neugierig, wie das Ensemble meine Kompositionen "lösen" wird. Aber ich lass mich überraschen.

STANDARD: Wie viel haben Sie komponiert, wie viel wird improvisiert?

Osojnik: Eigentlich sind es fertige, notierte Kompositionen, und ich habe sehr klare Vorstellungen. Ich sage nirgends: Du bist total frei. Mir geht's aber darum, dass die Musiker ihren Eigensinn innerhalb klarer Räume ausleben. Wichtig ist, zu reagieren, gemeinsam einen Klang zu bauen. Die Befreiung von vorgegebenen Strukturen: Das verbinde ich auch am ehesten mit Jazz. Man könnte auch sagen, die Stücke sind stark experimentelle Songs.

STANDARD: Und welche Ihrer Facetten zeigen die Kompositionen?

Osojnik: All.The.Terms.We.Are ist eine Verbindung von allem, was ich bin. Manchmal klinge ich extrem von Alter Musik beeinflusst, dann kommen wieder rockige Teile. Ich tue mir ja so schwer, zu trennen. Oder: Ich versuche zu trennen, aber dann kommt doch immer die Maja durch. Auch wenn ich was anderes probiere, komme ich auf dieselben "Ingredients": Ich nehme mir Zeit; ich brauche vibrierende Cluster oder Drones; dann wieder Spoken Word und manchmal ein über sich hinauswachsendes Schreien. Je nachdem, was ein Text von mir verlangt.

STANDARD: Haben Sie die Stücke neu komponiert?

Osojnik: Sie entstanden parallel und in Verbindung zur Arbeit an meiner nächsten Soloplatte. Dort beschäftige ich mich zum Beispiel mit "Extended Instruments", das heißt, ich habe alles aufgenommen, was mir unter die Finger gekommen ist und Sound macht, auch Küchengeräte. Zweitens habe ich "verlassene" Klaviere aufgenommen, die, wenn sie sich verstimmen, ein ganz eigenes harmonisches Leben entwickeln. Und drittens arbeite ich auf dem Album mit "Rejects", also all diesen Sounds, die auf einer Aufnahme falsch sind: kaputt, übersteuert, verzerrt, Trash.

STANDARD: Und diese Ästhetik legen Sie jetzt aufs Ensemble um?

Osojnik: Die Ästhetik des "Schiachen", die Härte, das Rauschen haben beeinflusst, wie ich für die Band komponiert habe. Aber ich sehe Musik ja als eine Kombination aus Weichheit und Härte. Sie ist wie ein Waschvorgang ...

STANDARD: Wie bitte?

Osojnik: Oh je ... nein, also es geht überhaupt nicht darum, irgendwas zu putzen, sondern um das, was da zusammenkommt: ein gewisses hartes Wasser und ein gewisses, ja, Weichspülmittel, das an den Ecken ein bisschen die Falten entfernt. Und es wird nicht gebügelt. Gewisse Falten müssen bleiben, eine gewisse Realität, eine Ästhetik des für manche vielleicht auch "Schiachen".

STANDARD: Wie haben Sie sie notiert?

Osojnik: Das war spannend, weil ich ja zum Beispiel alles selbst eingespielt habe. Und als Schlagzeug verwende ich etwa tiefergestimmte Pingpongball-Geräusche. Daraus ergibt sich natürlich eine ganz andere "Attitude" im Groove – etwas anderes, als der "human body" produzieren würde.

STANDARD: Wie selbstreflexiv ist denn der Titel "All.The.Terms.We. Are"?

Osojnik: Definitionen, Schachteln, Trademarks, Regeln, Wiedererkennbarkeiten – damit tu ich mir schwer. Ich sehe mich als Erzählerin, und ich möchte alles verwenden dürfen, was es braucht, um etwas auszudrücken. Auch wenn ich mir selber beim Komponieren Regeln mache, brech ich sie ja gleich wieder, weil ich mir denke: "Neiiin! Ich will aber das und das und das auch noch probieren. Und das!"

STANDARD: Worum geht's in den Texten?

Osojnik: Ich habe mich gerade viel mit meiner Rolle als Frau, Musikerin, Kollegin, Freundin beschäftigt. Mit Kommunikation: Wie werden Worte aufgefasst? Wie wichtig ist eigentlich ein Gegenüber für uns? Aber auch mit Wünschen und Ängsten, familiären oder gesellschaftlichen. Ein Titel heißt zum Beispiel "I was dying, so I'm now probably dead".

STANDARD: Wird Ihr Saalfelden-Konzert politisch?

Osojnik: Es gibt keine direkten Botschaften, aber die Texte sind zwiespältig. Man kann eine "leichte" Version nehmen und den Text persönlich auffassen. Gleichzeitig spreche ich aber auch die Welt an.

STANDARD: Und in welcher Ihrer Sprachen?

Osojnik: Ursprünglich wollte ich mehrere verwenden, aber dann war's plötzlich Englisch – ich weiß nicht, wieso. Slowenisch gehört zur Maja Osojnik Band (einem volksmusikorientierten Projekt, Anm.); Deutsch traue ich mich noch nicht zu schreiben. Also wurde es Englisch. Vielleicht wollte ich ja doch von vielen verstanden werden. (Roman Gerold, 22.8.2015)