"Die Wiedergenesene" von 1864 ist eines von Ferdinand Georg Waldmüllers letzten Bildern. Zwischen dem Leid der Mutter und dem Lachen der Kinder wirkt die Szene einmal unfreiwillig komisch und einmal herzzerreißend. Irritierend auf seine Zeitgenossen wirkte allerdings vor allem die neue Farbigkeit.

Foto: Belvedere

Porträt "Elisabeth Waldmüller, die Mutter des Künstlers" von 1830: Meisterlich zeigt sich Waldmüller hier in den Codes und Finessen der repräsentativen Darstellung des Bürgertums.

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Wien – Künstlerisch steht das 19. Jahrhundert in Verruf. Die unberührte Schönheit der Natur, die Idylle des Landlebens und das repräsentable Selbst, das sind die Bilder, die sich das Biedermeier vom Erdenrund machen wollte: Die heile Welt im Zimmer, während es auf der anderen Seite der Wand zuging. Heute gilt der kollektive Kitschverdacht.

Österreichischer Inbegriff der Malerei jener Jahrzehnte, bevor in der Kunst alle Schranken brechen sollten, ist Ferdinand Georg Waldmüller. Doch 1793 geboren, haderte der heute mit Beschaulichkeit Assoziierte zu Lebzeiten mit dem Etablierten.

Dabei könnte er um 1830 schon "angekommen" sein, wie das Porträt Elisabeth Waldmüller in zweifacher Hinsicht vor Augen führt: Künstlerisch erweist sich der von Landluft umwehte Name als Meister im Glanz der Stoffe. Als Profi im Drehen der Korkenzieherlocken. Als Könner der zarten Spitze. Und soziologisch illustriert das Bildnis der Mutter den Wohlstand, zu dem es der ehemalige Piaristenschüler als Porträtist der feinen Gesellschaft gebracht hat.

Die geschönten Bilder von matronenhaften Damen, Familienglück auf Sommerfrische und Comtessen mit rosigen Backen sind aber nicht, was er eigentlich will.

Licht und Atmosphäre

Reisen nach Italien (1825) und Paris (1830) erweitern ihm Bildrepertoire sowie -sprache. Die luftigen Landschaften, die er hier kennenlernt, setzt er zu Hause mit Motiven aus dem Salzkammergut und dem Prater um. Nach der Natur statt nach dem Ideal malt er ausladende Bäume und Gebirgsansichten als einer der Ersten im Freien, "Licht" und "Atmosphäre" sind sein Credo.

Doch in der Vorhut des Stimmungsimpressionismus fehlt dem gültigen, mehr Harmonie gewohnten Geschmack das Verständnis für die Szenen aus leuchtenden Flecken und Schlagschatten. Sein Stern beginnt zu sinken.

Nicht besser ergeht es ihm mit seinen Ideen zur Künstlerausbildung. Seit 1835 im Rat der Akademie, will er jene abschaffen, Studenten müssten ihre eigenen Wege finden, ist er überzeugt. Nach Unterrichtsverbot ab 1838 bringt ihm das 1857 den vorzeitigen Ruhestand ein – 40 Jahre später allerdings auch die Ehre des "Ursecessionisten".

Nachträglich recht zu bekommen scheint das Drama seines Lebens. Wie recht hat er heute?

Kitsch und Kritik

Waldmüllers nachhaltigste Schaffensphase sind seine Genrebilder. In häuslichen Szenerien wehen da Kittel im Wind, ziehen Kinder an Schürzen, sitzen Blumenkränze auf brav frisierten Scheiteln und leuchten Trachten und Kopftücher mit saftig grünen Baumkronen um die Wette. Die Höfe sind sauber gefegt, es wird aufgespielt, getanzt, gegessen, Hunde werden gestreichelt. Die Füßchen sind nackt, die Kommunionskleidchen so rein wie Kinderseelen.

Nun, das muss niemanden interessieren. Dennoch kann das ganz nett anzuschauen sein, dienen Waldmüller Details doch, Realismus hin oder her, immer auch der Unterhaltung und einem Schmunzeln. Aber reicht das, um sich heute noch Waldmüllers anschauen?

In seiner letzten Werkphase wagt der Maler sich auch thematisch weiter vor. Mit der gleichen Erzählfreude zeigt er neben Bauernhochzeiten und Kirchenfesten zunehmend auch die Härten des Lebens. Etwa in der sichtlich noch immer versehrten Wiedergenesenen von 1864. Bitter im Leid der Mutter und süß im Lachen der Kinder, ist das Bild kitschig und mitfühlend zugleich. Reisigsammler im Wiener Wald mit der erschöpft auf den Boden niedergesunkenen Sammlerin ist eine weitere dieser, nicht wirklich Milieu-, aber doch in Ansätzen sozialen Studien.

Dass die Dargestellten auch solcher Szenen – immer ein wenig zu sauber, zu bunt, zu glatt und zu sehr im Vordergrund platziert – oft eher tragischen Figuren auf einer pittoresken Bühne ähneln, mag etwas irritieren. Und passt doch wiederum wunderbar in seine Zeit. Und zu den Anfängen des Künstlers u. a. als Kulissenmaler fürs Kärntnertortheater.

Schau zum Todestag

Unverstanden, aber bis zuletzt tätig, starb Waldmüller am 23. August 1865. Seit langem versucht sich das Belvedere, immerhin weltgrößter Sammler seiner Arbeiten, an einer Neubewertung. 2009 richtete man ihm eine große Werkschau aus; zum 150. Todestag wählte man aktuell 30 Arbeiten aus der eigenen Kollektion.

Nun mag eine solche Imagekorrektur, zugegeben, nicht leicht sein. Doch einen ernsthaften Versuch kann man in den beiden Räumen für Waldmüller nur schwerlich erkennen. Ob er über die Überzahl an Porträts jubilieren würde? Wohl kaum. Zu wenig Platz erhalten seine revolutionärsten "letzten" Werke, zu wenig Widerspruch regt sich in der Auswahl gegen die wegzuargumentierende biedermeierliche Bequemlichkeit. Informationstechnisch unterspielt man die Neuerungen seiner Farbigkeit.

Die Impressionisten, die im Oberen Belvedere zwei Ausstellungsräume weiter hängen, hat der Maler auf der Suche nach einer neuen Malweise nicht mehr erreichen können. (Michael Wurmitzer, 23.8.2015)