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Nach wie vor zu viele Menschen haben in Sachen Spähprogramme und Datenschutz eine rosa Brille auf: Herold-Manager Friess protestiert mit einem Buch gegen die NSA-Machenschaften.

Foto: Reuters / Larry Downing

STANDARD: Wie kommt es, dass ausgerechnet der Manager eines Unternehmens, dessen Geschäft Onlinedienste sind, ein Buch mit Fokus auf die beängstigenden Konsequenzen der Tätigkeit von Datensammlern und Geheimdiensten, von Spähprogrammen und Killerdrohnen schreibt? Gehen Sie da nicht gegen Ihre Zunft vor?

Friess: Da ist was dran. Aber es geht mir letztlich um den verantwortungsvollen Umgang mit Daten. Und bei aller Begeisterung über die Möglichkeiten des Internets darf man über dessen Schattenseiten nicht schweigen. Es ist für mich in erster Linie ein politisches Thema. Wenn unsere Privatsphäre zunehmend zerstört wird, wird auch unsere Demokratie zerstört.

STANDARD: Sie haben Ihre Beobachtungen in einen Krimi verpackt, in dem ein Journalist einen Bericht über die Machenschaften der NSA schreiben will. Bei der Recherche gerät er in einen nicht mehr zu kontrollierenden Strudel aus Manipulationen und existenzieller Bedrohung. Warum haben Sie dieses Genre gewählt?

Friess: Ich höre so oft den Satz: "Ich hab doch nichts zu verbergen, was soll mir schon passieren", wenn man über das Thema Geheimdienste und Datenschutz spricht. Wie also kriegt man die Leute niederschwellig dazu, etwas über die bereits tagtägliche Überwachung zu lesen? Mit Fiktion hat man mehr Spielraum, sie zu schildern. Aber alles, was im Buch vorkommt, ist schon so oder ähnlich passiert.

STANDARD: Was bringt Sie bei dem Thema besonders in Rage?

Friess: Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung nehmen sich Staaten zunehmend heraus, vorhandene Rechte wie Privatsphäre oder Unschuldsvermutung zu unterlaufen. Die Datensammelwut der USA ist erschreckend, wenn man bedenkt, dass es dort eine Liste von 3000 Menschen gibt, die mittels Drohnen getötet werden sollen, weil sie "wahrscheinlich" Terroristen sind. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig. Abgesehen davon, wer kann denn garantieren, dass nicht eines Tages alles, was "zufällig" mitgesammelt wird, gegen jeden Einzelnen von uns verwendet wird? Es ist jetzt schon Realität, dass in manchen Ländern Überwachungskameras nicht nur zur Prävention und Aufklärung von Verbrechen, sondern auch zum Ausforschen von Parksündern eingesetzt werden.

STANDARD: Eigentlich sollte die Gesetzgebung eines Staates die Bürger vor Missbrauch ihrer Daten und ungehemmter Überwachung schützen ...

Friess: Ja, es ist eine politische Entscheidung, wie und wen der Staat überwacht. Aber die Politiker kennen sich mit der Materie leider zu wenig aus. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat das Internet ja bezeichnenderweise als "Neuland" bezeichnet. Deutschland hat leider die Chance verschlafen, zur Aufklärung der NSA-Abhöraffäre Edward Snowden Asyl zu gewähren.

STANDARD: Gleichzeitig bieten viele von uns sehr persönliche Informationen von sich offen in sozialen Netzen an.

Friess: Die verspielte, unpolitische Masse, die glaubt, sie wäre durch die Nutzung dieser Medien modern, ist leider sehr groß. Sie denken kaum darüber nach, was die Konsequenz für diese freiwillige Transparenz sein kann.

STANDARD: Zurück zur Ausgangsfrage: Wie können Sie Ihr Wissen mit der Tätigkeit Ihres Unternehmens vereinbaren?

Friess: Ich weiß, das klingt jetzt sicher wie Marketingsprech: Man kann im Datenbereich gute Geschäfte machen, ohne gesetzliche Grenzen zu überschreiten. Wir können es uns leisten, datenschutzkonform zu arbeiten.

STANDARD: Was erwarten Sie für Reaktionen auf Ihr Buch?

Friess: Es wird die Welt nicht rocken. Mir geht es darum, andere für das Thema zu sensibilisieren. Ich will mein Buch daher auch auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren. Über einen Achtungserfolg würde ich mich freuen. (Karin Tzschentke, 24.8.2015)