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Die Asylbetreuung ist ihr Geschäft. Das Innenministerium hat mit der ORS Service GmbH einen unbefristeten Vertrag – inklusive Geheimhaltungsklausel. Genauere Zahlen über die Finanzierung verweigert man daher auch. Die Firma hält sich als Dienstleister an die Anweisungen des Auftraggebers. Das Ministerium ist zufrieden.

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Für die Situation im Asylzentrum Traiskirchen sei das Innenministerium "auf Punkt und Beistrich verantwortlich", sagt Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt.

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Organisation für Regie und Spezialaufträge (ORS) heißt das Unternehmen, dessen Geschäftszweig im Firmenbuch mit "Erbringung von Dienstleistungen im Asylbereich" angeführt ist. Die Firma ist derzeit in aller Munde – oft als Sündenbock für die Zustände im Flüchtlingslager Traiskirchen.

Die ORS Service GmbH ist die österreichische Tochter der 1977 gegründeten ORS Service AG, die in der Schweiz seit den 1990er-Jahren im Asylbereich tätig ist. 2013 übernahm ORS auch zwei Standorte in Deutschland. Man setzt in den Ländern viele Millionen Euro um. In Österreich sollen laut Homepage 400 Mitarbeiter rund 5.500 Asylwerber betreuen.

Ins Kreuzfeuer geriet der Dienstleister am Freitag erneut, weil mehrere unbegleitete Minderjährige, die von Traiskirchen nach Wien verlegt werden sollten, nicht auffindbar waren.

Wiederaufgetauchte Kinder

Die Kinder tauchten wieder auf. Laut Vertrag ist ORS zu einer 24-Stunden-Betreuung verpflichtet. Der operative Leiter der ORS Service GmbH, Wilhelm Brunner, will auf Nachfrage vom STANDARD nicht darauf antworten, wer genau im Lager auf Kinder aufpasst, die niemanden mehr haben und allein auf der Straße herumlaufen. Brunner verweist auf das Innenministerium (BMI). Dort meint man, Asylwerber seien eben nicht inhaftiert und die Kinder wollten teilweise nicht nach Wien, weil sie in Traiskirchen zwar keine Eltern, aber andere verwandte Bezugspersonen hätten.

Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) lässt – wie berichtet – bei der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen-Abgeordneten Alev Korun vieles im Dunkeln. So kassiert ORS zusätzlich zu Tagsätzen, die man für jeden Flüchtling bekommt, eine Sockelfinanzierung. Wie hoch diese ist, sagt Mikl-Leitner nicht.

Auf Punkt und Beistrich

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, sieht in ORS nicht den Schuldigen, sondern den "Erfüllungsgehilfen". Das Ministerium sei "auf Punkt und Beistrich für alles verantwortlich". Einen privaten Dienstleister zu engagieren habe für das Ministerium den Vorteil, dass es eine vertragliche Geheimhaltungspflicht verlangen kann. Diese Verpflichtung wird auch allen Subunternehmern und Mitarbeitern auferlegt. "Eine NGO würde so eine Klausel nie unterschreiben", sagt Patzelt.

Zu klären sei, so der Amnesty-Chef, ob die Betreuung in Traiskirchen deshalb schlecht funktioniert, weil das BMI zu "knausrig bei den Ressourcen" ist oder ob der Dienstleister "üppiges Geld" erhält, aber dafür "nichts leistet". Die Diskussion wolle sich das Ministerium ersparen, indem es genaue Zahlen nicht nennt.

Paradox oder nicht erfüllbar

Personen, die mit dem Alltag in Traiskirchen vertraut sind, sehen die Verantwortung bei der Regierung. Was das BMI verlange, sei oft paradox oder nicht erfüllbar. Weil sie überfordert seien, würden ORS-Mitarbeiter immer öfter kündigen oder in Krankenstand gehen, hört man aus informierten Kreisen. Das dementiert Brunner.

Die Flüchtlingsbetreuung wurde 2003 unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) privatisiert. Betraut wurde die deutsche European Home Care (EHC), die 2010 den Vertrag wegen Unrentabilität kündigte. Nach europaweiter Ausschreibung übernahm ORS 2012 mit der EHC-Mannschaft – inklusive Brunner.

"Nicht sauber"

Kritik gibt es auch, weil ORS auf ihrer Homepage zum Spenden, etwa von Kleidung, Spielsachen oder Sportartikeln, aufruft. Rechtlich dürfe das eine gewinnorientierte Firma, sagt Günther Lutschinger, Chef des Fundraising Verbands Austria. Das Unternehmen müsse aber Einnahmen durch Spenden versteuern. Bei Sachspenden sei der Wert zu schätzen. Inwieweit das etwa bei Secondhandkleidung geschehe, sei fraglich. "Das finde ich nicht sauber", so Lutschinger. Eine private Firma müsse zudem – anders als NGOs – Spenden nicht weitergeben. Brunner meint dazu, wie auch auf die Frage, ob man Steuern in der Schweiz abführe, nur: "Wir halten alle (steuer)rechtlichen Vorgaben ein."

ORS übernimmt auch die Betreuung im slowakischen Gabčíkovo, wo 500 Asylsuchende aus Traiskirchen hingebracht werden sollen. Dafür gründet man eine weitere Tochter in der Slowakei. Der Zeitpunkt der Belegung von Gabčíkovo hängt laut Brunner von den slowakischen Behörden ab.

Beim Rechnungshof läuft derzeit keine Prüfung zur ORS. (Christa Minkin, Colette M. Schmidt, 23.8.2015)