Trauermarsch zum 1. Todestag des Fußballtorwarts Robert Enke

Foto: wikipedia/nifoto

Leipzig – Die Berichterstattung über den Suizid des deutschen Nationaltorhüters Robert Enke hat das Stigma gegenüber der Erkrankung Depression positiv beeinflusst. Die Deutschen sind seitdem eher bereit, bei Depression professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wie die Deutsche Depressionshilfe berichtet.

Dies zeigen Bevölkerungsumfragen im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes zur Aufklärung über Depression und Suizidprävention (Optimising suicide prevention programmes and their implementation in Europe, kurz: OSPI-Europe). Das Projekt sollte die Wirkung einer lokalen Aufklärungskampagne in Leipzig im Vergleich zu einer Kontrollregion ohne Kampagne in Magdeburg untersuchen.

Befragungen am Telefon

Vor (Juni 2009) und nach der Kampagne (November/Dezember 2010) wurden telefonisch je 1.000 Personen zu ihrer Einstellung und ihrem Hilfesuchverhalten bei Depression befragt. Da zwischen diesen beiden Untersuchungszeitpunkten der Suizid von Robert Enke lag, ergab sich die unerwartete Gelegenheit, Effekte der Medienberichterstattung zu analysieren.

"Wir konnten große Verbesserungen in Wissen und Haltung bezüglich Depression, nicht nur in Leipzig, sondern auch in der Kontrollregion Magdeburg feststellen. Deshalb ist davon auszugehen, dass diese durch die Medienberichterstattung zum Suizid von Robert Enke bewirkt worden sind", vermutet Hegerl.

Einige zentrale Ergebnisse der Befragung zeigen: 2009 hielten 30 Prozent der Befragten in Leipzig und 20 Prozent der Befragten in Magdeburg die Depression für ein Zeichen persönlicher Schwäche. 2010 glaubten dies nur noch zehn Prozent.

Auch glaubten 2009 noch 30 Prozent der Befragten in beiden Städten, Menschen mit Depression seien gefährlich, 2010 waren es nur noch zehn Prozent. Veränderungen konnten auch in der Einstellung zum Hilfesuchverhalten festgestellt werden. Im Juni 2009 sagten die Hälfte der Befragten: "Ein Mensch sollte seine Probleme alleine lösen, psychologische Beratung wäre das letzte Mittel". 2010 teilte nur noch ein Fünftel der Leipziger und ein Viertel der Magdeburger diese Meinung.

Weitere Aufklärungsarbeit nötig

Trotz der Erfolge in der Aufklärung über Depression nehmen sich pro Tag in Deutschland immer noch fast 30 Menschen das Leben. Die Ursache ist in den allermeisten Fällen eine unzureichend behandelte Depression. Doch dies findet in der öffentlichen Diskussion und bei Entscheidungsträgern aus dem Gesundheitssystem kaum Beachtung, wie die Deutsche Depressionshilfe beklagt.

Nur Einzelfälle wie die Selbsttötung Robert Enkes im Jahr 2009 oder der Germanwings-Absturz 2015 rücken das Thema schlaglichtartig in den öffentlichen Fokus. "Die Berichterstattung zum Germanwings-Absturz könnte das Stigma gegenüber der Depression in der Zwischenzeit sogar wieder verstärkt haben."

Wie die Reaktionen im Online-Diskussionsforum Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zeigen, wurden viele depressiv Erkrankte durch die öffentlich diskutierte Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht mit Meldepflicht für Depressionen bei bestimmten Berufsgruppen oder die Frage nach Berufsverboten verunsichert.

"Ich befürchte, dass sich dadurch wieder weniger Betroffene trauen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es braucht dringend weitere Aufklärungsarbeit" sagt Ulrich Hegerl. Einen Beitrag soll der 3. Deutsche Patientenkongress Depression am 12./13. September in Leipzig leisten. "Mit Hilfe des Patientenkongresses wollen wir den fast fünf Millionen Menschen, die in Deutschland im Laufe eines Jahres an einer Depression erkranken, eine Stimme geben und fundierte Informationen über die Erkrankung vermitteln", sagt Hegerl. (red, 24.8.2015)