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Das Feuer des chinesischen Drachen schwächt sich ab und schickt die Börsen in die Tiefe.

Foto: Reuters / Jason Lee

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Der zittrige Strich sieht aus, als sei er der Ausschlag eines unterirdischen Bebens. Er fängt auf der Tabelle um 9.30 Uhr morgens an, fällt sofort auf mehr als minus drei Prozent. Bis zum Mittag geht es mal schwach auf und immer wieder ab bis zu seinem absoluten Tiefpunkt von minus 8,99 Prozent. Massive Aktienkäufe der staatlichen Petrochina geben dem Strich eine Stunde später 2,2 Prozentpunkte Auftrieb. Aber er verharrte dabei weiterhin deutlich im negativen Terrain.

Dann ging es nur bergab. Um 15 Uhr endet der Strich bei minus 8,49 Prozent, weil die Schanghaier Börse schloss. Nur 15 Aktien großer Staatsunternehmen konnten in Schanghai und den beiden anderen, ebenso tief mitabgestürzten Aktienmärkten Shenzhen und ChiNext positiv zulegen. Doch 2200 Papiere fielen bis zum erlaubten Höchstverlust pro Tag auf minus zehn Prozent. Schanghai verzeichnete den tiefsten Fall seit dem 27. Februar 2007.

Auch am Dienstag sind Aktienmärkte in China weiter eingebrochen. Nach den Verlusten an der Wall Street rutschten die Kurse noch tiefer in den Keller. Der Nikkei-Index in der japanischen Hauptstadt Tokio machte hingegen Auftaktverluste wett. Auch der Aktienmarkt in Australien notierte klar im Plus.

Börsen als Spielbanken

Chinas Börsen, die manche Zeitgenossen Achterbahnen und andere treffender Spielbanken nennen, erlebten ihren "schwarzen Montag". Das Wort war sofort in aller Munde. Als die Nachbarbörsen von Japan, Hongkong, Taiwan bis zu den Philippinen ebenfalls kräftig abrutschten, warnte die populäre Nachrichtenwebseite Pengpai hinsichtlich des neuen Tsunamis: "Alarm auf ganzer Linie für Asiens Aktienmärkte."

Dabei hat der Montagmorgen voll positiver Erwartungen begonnen, die von Chinas offiziellen Medien bewusst geschürt worden waren. Nach jahrelangen Beratungen hatte der Staatsrat am Sonntag eine Börsenreform genehmigt, um den Kapitalmarkt in Schwung zu bringen.

Peking erlaubt den staatlichen Rentenfonds, unter scharfen Auflagen und vielen Kontrollen bis zu maximal 30 Prozent ihres Vermögens künftig in Aktien anzulegen. Die Fonds sind mit einem in mehr als 20 Jahren angehäuften Vermögen von zwei Billionen Yuan (rund 300 Milliarden Euro) ausgestattet. Sie machten mit ihren konservativen Anlagen inflationsbereinigt zumeist Verluste. Nun sollen sie an der Börse bessere Renditen erzielen.

Auch künftig fiebrige Börsen

Massenweise würde frisches Geld in die Märkte gespült, die das dringend brauchten, schrieb Xinhua. Denn am Freitag war der Schanghaier Index erneut um 4,3 Prozent gefallen – oder um elf Prozent in der ganzen Woche – nachdem mehrmals hintereinander schwache Wirtschaftsdaten bekannt wurden. Damit lag der Börsenindex Shanghai Composite um 30 Prozent unter seinem Höchststand im Juni.

Doch statt am Montag wie erwartet kräftig anzuziehen, brach Schanghais Börse erst richtig ein und machte den gesamten Jahresgewinn zunichte. "Ich stehe jetzt da, wo ich im Januar war." Viele Gründe kamen dafür zusammen, sagte der erfahrene Börsianer dem STANDARD nach dem "schwarzen Montag". Er zählte auf, warum alle vom Börsenbeginn an nur noch verkaufen wollten.

Das erste Signal gab der "schwarze Freitag" in den USA, von dem China zeitversetzt am Samstag erfuhr. Dann blieben am Wochenende erwartete Signale von der Zentralbank aus. Sie ließ weder die Mindesteinlagen für Geschäftsbanken senken, um Kreditvergaben zu erleichtern, noch die Zinsen, um chinesischen Sparern neue Anreize zu geben, Aktien zu kaufen.

Am Sonntag kam dann die Nachricht von den Rentenfonds. Aber alle hätten gewusst, dass die Sozialkassen viele Monate brauchen würden, um (wenn überhaupt) in Chinas Börsen zu investieren. "Also haben wir alle verkauft." Der Markt sei so volatil, dass es auch künftig fiebrig zugehen werde. (Johnny Erling aus Peking, APA, 24.8.2015)