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Wenn Frauen Männern das Rednerpult zum Thema Feminismus überlassen.

Foto: AP/Elaine Thompson

Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erleben. Beziehungsweise nach seiner Rückkehr. Ich sitze also nach zweiwöchigem Urlaub tiefenentspannt an meinem Schreibtisch und fahre den Arbeitsrechner hoch, da wispert es aus allen Ecken – E-Mail, SMS, Telefon: "Das hast du jetzt davon … Wie geht es dir denn damit … Hätte man auch vorher wissen können." Was ist passiert? Unter dem Hashtag #ThingsFeministMenHaveSaidToMe diskutieren Netzfeministinnen über Bemerkungen von Männern, die sich angeblich oder tatsächlich als Feministen verstehen, ihnen gegenüber:

"Wenn ihr netter wärt, hättet ihr mehr Verbündete."

"Meine Mutter/Schwester/Freundin ist ja auch eine Frau."

"Ich denke einfach, Männer würden viel verständnisvoller reagieren, wenn du …"

"In der echten Welt gibt es Frauen mit echten Problemen, warum kümmerst du dich nicht mal darum?!"

Einige machen ihren Ärger über diese Form der übergriffigen Herablassung sehr deutlich und kritisieren dabei nicht nur diesen "Lass mich dir erklären, Schätzchen"-Tonfall, sondern die Grundannahme, dass Männer notwendig seien, um Frauen irgendetwas zu ermöglichen: "Ich hasse Alliierte. Ich hasse die Vorstellung, dass Frauen Rettung brauchen und dass es zu dieser Rettung Männer braucht", schreibt etwa Chrissy Stockton.

Alleinstellungsmerkmal im feministischen Diskurs

Und von mir wird nun offenbar erwartet, dass ich mich gleichermaßen angesprochen wie angegriffen fühle. Angesprochen fühle ich mich tatsächlich. Schließlich ergreife ich in Räumen das Wort, die ausdrücklich dazu gedacht sind, Frauen zu ermächtigen und ihre Stimme hörbar zu machen. Darüber hinaus verschafft mir die Inszenierung meiner Positionen qua Geschlecht ein Alleinstellungsmerkmal und verhilft mir dort zu Sichtbarkeit, wo es eigentlich um die Sichtbarmachung anderer gehen sollte. Mich (und andere) darauf hinzuweisen ist kein Angriff, sondern lediglich die Feststellung struktureller Ungleichheit und die Frage nach meinen Motiven.

Als weißer, mittelalter, mittelschichtiger Heteromann ohne Behinderung könnte ich doch praktisch überall mitreden. Wieso also gerade bei feministischen Themen? Was verspreche ich mir davon? Solche Fragen sollte Mann schon aushalten können. Und zwar wegen Hugo Schwyzer. Falls Ihnen der Name nichts sagt: Schwyzer ist so etwas wie der Prototyp des männlichen, weißen Feministen, dem viel Platz eingeräumt wird, um Frauen zu erklären, was Feminismus ist.

Weißen Männern hört man zu

Aus seinen akademischen Leistungen im Bereich mittelalterliche Kirchengeschichte baute er sich irgendwie eine Karriere als kontroverser Professor für Gender Studies zusammen. Inklusive kolumnistischer Tätigkeiten für prominente feministische Plattformen und Fernsehauftritten. Hugo Schwyzer war einfach überall. Weil er sich für seine Thesen die akademische Legitimation erschlichen hatte. Weil er eloquent und durchaus selbstkritisch über Themen schrieb, die die Leute interessierten.

Weil man es so gewohnt ist, weißen Männern zuzuhören. 2013 ist das Kartenhaus dann zusammengebrochen. Zahlreiche bekanntgewordene Affären mit Studierenden, ein versuchter Mord an seiner Exfreundin, Drogenmissbrauch und die Verächtlichmachung schwarzer Stimmen innerhalb des feministischen Diskurses führten zu einem sehr öffentlichen Zusammenbruch Schwyzers.

Seitdem werde ich in unregelmäßigen Abständen gefragt, ob ich nicht wie Hugo Schwyzer sei. Wenn man sich nicht, wie jetzt, erkundigt, warum ich mich mit denen abgebe. Nein, ich bin nicht wie Hugo Schwyzer. Ich finde es jedoch nachvollziehbar, dass man das argwöhnt. Feminismus wäre nicht das erste Feld, in dem Männer nach einer Phase sogenannter Professionalisierung die Spitzenpositionen einnehmen wollen (Gruß an die Fernsehköche). Dass es dort was zu holen gibt, hat Schwyzer ja bewiesen.

Und wenn überhaupt, dann geben die sich mit mir ab, obwohl sie nicht müssen. In diesem Sinne bleibe ich entspannt und überlege mir weiterhin dreimal, was ich in feministischen Kontexten sage und schreibe. Das ändert nichts daran, dass das ziemlicher Unfug sein kann. Es lohnt sich aber trotzdem. (Nils Pickert, 26.8.2015)