Der Kastenwagen, in dem der Schlepper versuchte, der Polizei zu entkommen.

Wien – Ein mutmaßlicher Schlepper hat am Montagnachmittag auf der Wiener Südosttangente (A23) versucht, einem Polizisten zu entkommen. Laut Polizeisprecher Roman Hahslinger sprang der 35-Jährige auf der Tangente aus einem Kastenwagen und lief auf der Fahrbahn nach Norden in Richtung A2. Der Beamte stoppte ihn auf der Praterbrücke und verhinderte einen Sprung in die Donau.

Beamte in Zivil von der Einheit Ausgleichsmaßnahmen (AGM) entdeckten den Lieferwagen auf der A23, der offensichtlich schwer beladen war. Sie wollten das Kfz anhalten und alarmierten auch weitere Einsatzfahrzeuge. Der Fahrer, ein 35-jähriger Kroate, versuchte mehrfach, die Polizeiautos abzudrängen. Dabei wechselte er wiederholt die Fahrstreifen und geriet ins Schlingern. Zwischen zweitem und drittem Fahrstreifen bremste er quer zur Fahrspur ab und sprang aus dem Wagen. Entgegen der Fahrtrichtung sprintete er in Richtung Süden.

Fitter Verdächtiger

Ein Polizist verfolgte ihn aber auf der richtigen Seite. Zweimal nahm ein privater Lenker den Polizisten mit, doch jedes Mal entkam der offenbar sehr fitte Verdächtige. Auch insgesamt vier Schreckschüsse stoppten ihn nicht. Schließlich kletterte der mutmaßliche Schlepper auf der Praterbrücke auf ein Brückengeländer und drohte, in die Donau zu springen. Die Polizisten konnten ihn erst nach zehn Minuten dazu überreden, aufzugeben und sich festnehmen zu lassen.

Im Wagen fanden die Polizisten 29 Menschen zusammengepfercht. Es handelte sich um Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, 23 Männer, zwei Frauen und vier Kleinkinder. Einen zweiten Schlepper gab es Hahslinger zufolge entgegen ersten Meldungen nicht.

Bereits in der Früh hatte sich ebenfalls ein mutmaßlicher Schlepper mit einem Škoda eine Verfolgungsjagd mit der Polizei durch das sogenannte Böcklinviertel in der Leopoldstadt geliefert. Der Wagen war den Polizisten in der Schüttelstraße aufgefallen, weil er überladen war. Der Lenker stieg aufs Gas. In der Prater Hauptallee war Endstation. Der 64-jährige serbische Lenker wurde festgenommen. Fünf Syrer hatte er nach Österreich gebracht.

Beruhigungstropfen verabreicht

Bereits Sonntagfrüh wurde ein 37-jährige Schlepper gefasst, der zwischen Weiden und Podersdorf im Bezirk Neusiedl am See 30 Flüchtlinge, darunter mehrere Kleinkinder, aus einem Klein-Lkw stiegen ließ. Bei seiner Einvernahme gestand er, den Kindern Beruhigungstropfen verabreicht zu haben, damit sie sich ruhig verhalten, teilte die Polizei mit.

Nachdem die Zeugen die Polizei verständigt hatten, fahndeten die Beamten nach dem Verdächtigen. Der Mann konnte in Mönchhof angehalten und festgenommen werden. Er wurde in die Justizanstalt Eisenstadt gebracht.

Auch in der Nacht auf Montag endete die Schlepperfahrt für einen 45-Jährigen in der Justizanstalt. Polizisten hatten gegen 3.00 Uhr auf der B10 in Nickelsdorf ein verdächtiges Fahrzeug wahrgenommen und den Wagen angehalten. Im Fahrzeug befanden sich 21 afghanische Staatsbürger, darunter zwei Frauen und sechs minderjährige Kinder. Der Schlepper gab an, dass er nach Deutschland unterwegs sei und für die Schleppung einen dreistelligen Eurobetrag bekommen habe, hieß es von der Exekutive in einer Aussendung.

Kurz vor Mitternacht wurde am Montag auch eine 26-jährige Schlepperin auf der Ostautobahn (A4) von Ungarn kommend bei Nickelsdorf angehalten und festgenommen. In ihrem Wagen befanden sich vier irakische Staatsbürger, die sie illegal über die Grenze nach Österreich gebracht hatte. Die Frau wurde am Dienstagvormittag noch einvernommen.

Schlepper verurteilt

Die Verurteilung eines Schleppers zu zwei Jahren unbedingter Haft wurde indes am Dienstag am Wiener Straflandesgericht verkündet. Der 33-jähriger Syrer hatte im Vorjahr im Rahmen einer kriminellen Vereinigung 178 Landsleute durch Österreich geschleust. Die Flüchtlinge wurden zunächst nach Polen gebracht. Von Krakau aus wurde ihre Weiterreise nach Deutschland und Skandinavien organisiert.

Der Angeklagte war im Februar 2014 als Kriegsflüchtling nach Österreich gekommen, wo er um Asyl ansuchte. Als Verwandte und Bekannte nach Wien kamen, die nicht hier bleiben, sondern Schweden erreichen wollten, baten sie ihn um Hilfe. Er unterstützte sie nach Kräften, was sich herumsprach. Unter etlichen gestrandeten Syrern kursierte alsbald die Telefonnummer des Mannes, von dem es hieß, er sei bei der Weiterreise eine große Hilfe.

Der 33-Jährige war in eine Bande eingebunden, die von Polen aus operierte. Syrern, die in Wien gelandet waren, kein Dach überm Kopf hatten und ein konkretes Ziel im nördlichen Europa vor Augen hatten, half er weiter, indem er ihnen zunächst eine Unterkunft verschaffte. Wie der umfassend geständige Angeklagte dem Gericht erklärte, kamen sie um 50 Euro pro Nacht in privaten Wohnungen unter. Meistens ging es bereits am nächsten Tag weiter Richtung Krakau, wobei die Fahrer eigens mit Kleintransportern oder Pkw aus Polen anreisten.

50 Euro pro Person

32 derartige Fahrten organisierte der Mann zwischen Juni und Dezember. Pro geschleppter Person hätte er 50 Euro bekommen sollen, wie sein Verteidiger Andreas Strobl erläuterte: "Das ist kein Verbrecher, der im Luxus gelebt hat. Das ist einer, der in erster Linie seinen Leuten geholfen hat. Die 50 Euro haben gerade einmal seine Unkosten gedeckt." Nicht alle, sondern nur rund 100 Landsleute hätten ihn bezahlt, betonte der Angeklagte. Von den insgesamt eingenommenen 5.000 Euro habe er "gelebt. Ich habe am Anfang ja nur 40 Euro Unterstützung im Monat gehabt." Erst als er im Oktober Asylstatus zugestanden bekam, sei es ihm finanziell besser gegangen.

Der Schlepper war am 20. Jänner nach umfangreichen Ermittlungen einer von der Landespolizeidirektion Burgenland gebildeten Sonderkommission, der 15 Beamte angehören, in Ungarn festgenommen worden. Nach seiner Auslieferung kooperierte er mit den Behörden, nannte Hintermänner und Mittäter und ermöglichte deren Festnahme. Seine umfangreichen Angaben gewährten auch Einblicke ins Schlepperwesen. Demnach müssen Syrer, die den Kriegswirren in ihrer Heimat entkommen wollen, 10.000 bis 15.000 Euro bezahlen, um nach Europa zu gelangen. Oftmals ist das Aufbringen dieser Summe nur mit dem Verkauf von Grundstücken und sämtlichem Hab und Gut möglich, sodass die Flüchtlinge nichts mehr besitzen, außer das, was sie am Leib tragen.

In diesen Fällen fungieren die Schlepper als "Zahlstelle", wie der 33-Jährige dem Schöffensenat (Vorsitz: Ulrich Nachtlberger) erläuterte. Verwandte oder Freunde, die in Syrien verblieben sind und noch Geld besitzen, überweisen über Geldtransferfirmen den Mittellosen dringend benötigte Beträge, die dann von den Schleppern, die im Unterschied zu den meisten Flüchtlingen einen gültigen Reisepass besitzen und sich daher legitimieren können, behoben werden. Er habe die angewiesenen Geldbeträge den Flüchtlingen stets zur Gänze weitergegeben und nicht "mitgeschnitten", versicherte der 33-Jährige.

"Ich fühle eine Schande bis ans Ende meines Lebens", stellte der Angeklagte am Ende des Beweisverfahrens fest. Angesichts der über ihn verhängten Strafe schlug er entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen. Bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren sei aus generalpräventiven Gründen kein Platz für eine teilbedingte Strafnachsicht, setzte ihm der Vorsitzende auseinander. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (APA, 25.8.2015)