Im Herbst vergangenen Jahres taten die beiden Politiker noch so, als wären sie einander spinnefeind, dann kamen die großen Freundschaftsgesten – und jetzt nützen sie all dies, um sich als die großen Balkanführer zu stilisieren. Voriges Jahr in Berlin durfte der albanische Premier Edi Rama für die Balkan-Staaten-Gruppe sprechen, heuer ist es der serbische Premier Aleksandar Vucic.
Die zwei diskutieren bei der Westbalkankonferenz, die zurzeit in Wien stattfindet, gleich mehrmals miteinander. Ein TV-Duell zwischen den beiden, heute Donnerstag, wird auf sämtlichen TV-Sendern in Südosteuropa übertragen. Im Zentrum des Treffens von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Außenminister Sebastian Kurz und den Premiers und Wirtschafts- und Außenministern jener Balkanländer, die noch nicht in der EU sind, stehen aber regionale Kooperationsprojekte, die die Regierungen bis zum Gipfel ausarbeiten mussten. So hat man sich auf sechs Transport- und vier Energieprojekte geeinigt, die mit EU-Vorbeitrittshilfen (IPA) über 200 Millionen Euro ab sofort unterstützt werden. Dazu gehört etwa die Autobahn vom serbischen Nis ins albanische Durrës, die eigentlich bis auf ein Teilstück schon fertig ist.
Brücken bauen
Zusätzlich sollen bis 2020 Straßen und Brücken sowie Gasverbindungen gebaut werden, die von der EU mit einer Milliarde Euro aus IPA-Mitteln und Mitteln der EU-Kommission gefördert werden. Es geht darum, die wirtschaftliche Entwicklung durch die Infrastruktur zu fördern – aber auch darum, die Balkanstaaten dazu zu bringen, besser zu kooperieren. In den vergangenen zehn Jahren gab es keine Einigung bezüglich dieses Transportnetzwerks. Nun soll sich die Gesamtinvestition auf 7,5 Milliarden Euro belaufen, ein Prozent Wachstum pro Jahr und 200.000 zusätzliche Jobs bringen.
Im Gegenzug fordert die EU, dass die Balkanstaaten ihre Gesetze im Energiebereich an das EU-Regelwerk anpassen, Behörden einrichten und den Gasmarkt anpassen. Albanien, Bosnien-Herzegowina, der Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien werden weiters dazu angehalten, sich gegenseitig bei der EU-Integration und beim Beitritt zu Internationalen Organisationen nicht zu behindern und offene bilaterale Konflikte zu lösen.
Dies ist insbesondere wichtig, da Serbien den Kosovo nicht anerkennt und dessen Mitgliedschaft in internationalen Organisationen bisher verhindert. Der Kosovo wartet auf ein EU-Abkommen und die Visaliberalisierung – und Serbien auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen.
Bei der Westbalkankonferenz wird auch ein regionales Jugendaustauschprogramm begründet, um die Beziehungen zwischen Volksgruppen und Staaten zu verbessern. (awö, 27.8.2015)