Der Westbalkan spielte beim Westbalkangipfel am Ende kaum mehr eine Rolle. Dominiert wurde das Treffen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mit Kanzler Werner Faymann, der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und den Regierungschefs der südosteuropäischen Staaten vom Flüchtlingsthema.

Pressekonferenz in der Wiener Hofburg.
ebs/European Union

Merkel zeigte sich über den Tod der Flüchtlinge in Österreich erschüttert und meinte, man müsse das Thema schnell angehen. "Wir haben mehr Flüchtlinge auf der Welt als jemals seit dem Zweiten Weltkrieg." Aus eigener historischer Erfahrung sei es ihr wichtig, jenen Schutz zu geben, die in einer ausweglosen Situation sind. Merkel sagte weiter, dass man die Flüchtlinge nicht nach Griechenland, Serbien oder Mazedonien zurückschicken könne und es auch nicht sinnvoll sei, sie nach Ungarn abzuschieben. Es habe sich gezeigt, dass das Dublin-Abkommen nicht funktioniere.

Stellungnahme von Angela Merkel.
ebs/European Union

Man müsse aber sowohl jenen, die eine hohe, als auch jenen, die eine niedrige Anerkennungsquote haben, schnelle Verfahren geben. Leute vom Westbalkan, die um Asyl ansuchen, haben praktisch keine Chance, einen positiven Bescheid zu bekommen. Diese könne man großteils nach Hause schicken, so Merkel. Sowohl Faymann als auch Merkel und Mogherini sprachen sich für "faire Quoten" aus. Faymann meinte, man müsse jene EU-Staaten überzeugen, die zurzeit wenige Flüchtlinge unterbringen. Mogherini sprach sich auch für eine EU-weite Liste an sicheren Herkunftsländern aus.

Für Südosteuropa wurde am Donnerstag ein regionales Jugendwerk aus der Taufe gehoben. Jugendlichen aus der Region soll damit die Möglichkeit eröffnet werden – analog zum französisch-deutschen Vorbild nach dem Zweiten Weltkrieg –, einander zu treffen und sich auszutauschen.

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Gruppenfoto der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Westbalkankonferenz.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Südosteuropa-Experte Florian Bieber spricht von einer "Initiative mit Potenzial". Auf politischer Ebene bedeutend ist auch die von Westbalkanstaaten-Vertretern unterschriebene Deklaration, dass man sich künftig nicht gegenseitig auf dem Weg in die EU blockieren werde. "Das ist erstmals ein klares Commitment", sagte Bieber. Die Staaten müssen nun jährlich über die Fortschritte in diesem Bereich berichten. Angeregt wurde auch ein EU-Koordinator für die offenen bilateralen Konflikte.

Ohne das Engagement der EU würden diese Konflikte auf dem Balkan nämlich nicht gelöst, so Bieber. Weil es aber auch offene Probleme zwischen EU- und Nicht-EU-Staaten gibt, fordert Bieber auch mehr Engagement von EU-Staaten. "Der Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien kann nicht von der Uno gelöst werden."

"Dynamik ausgelöst"

Als positiv erachtet der Leiter des Südosteuropa-Zentrums der Uni Graz, dass im Vorfeld des Gipfels Druck entstanden sei, Probleme zu lösen. "Der Gipfel hat als Zielpunkt eine Dynamik ausgelöst." Wichtigstes Beispiel ist das Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo zu dem Verband serbischer Gemeinden im Norden.

Auf die Frage, wann Serbien nun mit den Beitrittsverhandlungen beginnen könne, sagte Merkel in der Hofburg, dass sie noch kein Datum nennen könne, aber dass Serbien durch die Einigung mit dem Kosovo den Verhandlungen ein "bedeutendes Stück" nähergekommen sei. Sie zwinkerte dem serbischen Premier Aleksandar Vučić lobend zu, als Mogherini über das Abkommen sprach.

Keine Spielchen mehr

Dieser sprach stellvertretend für alle anwesenden Premierminister (Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Albanien, Mazedonien) und betonte, dass neben der wirtschaftlichen Entwicklung die Änderung der Einstellungen auf dem Balkan die Hauptaufgabe sei.

Es gehe darum, nicht mehr "Spiele zu spielen" und die Haltung zu ändern, dass der Staat für alles zuständig sei. "Wir sehen die EU nicht als Bankomat, sondern als eine Organisation, die Werte vertritt, die wir teilen", so Vučić. Thema der Westbalkankonferenz war auch die Infrastruktur. So soll künftig die Autobahn Serbien über den Kosovo mit Albanien verbinden. Der Ausbau des fehlenden Stücks wird von der EU unterstützt.

Der frühere Hohe Repräsentant in Bosnien-Herzegowina, Wolfgang Petritsch, begrüßte die Initiative, monierte aber, dass man "letztlich mehr Geld in die Region hineinpumpen müsse". Er forderte auch ein "rasches Follow-up" der Konferenz, eine panregionale Initiative, um eine bessere Koordination im Flüchtlingsbereich zu ermöglichen. "Die EU muss mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat und den Nicht-EU-Staaten besser kooperieren", sagte Petritsch. (Adelheid Wölfl, 27.8.2015)