Ankara/Wien – Die in der Türkei weiterhin regierende konservativ-islamische AKP sieht einer unsicheren Neuwahl am 1. November entgegen, wie mehrere Umfragen diese Woche zeigten. Drei von vier Wählerbefragungen ergaben, dass die AKP derzeit keine Chance hat, die Regierungsmehrheit zurückzugewinnen, die sie bei den Parlamentswahlen im vergangenen Juni verloren hatte.

Dem Institut Metropoll zufolge hat das Ansehen von Staatschef Tayyip Erdoğan einen Tiefstand erreicht: Nur 38,5 Prozent der Wähler vertrauen demnach dem autoritär regierenden Präsidenten; 71 Prozent waren es im Dezember 2011, als Erdoğan noch Premier war und eine dritte Parlamentswahl in Folge gewonnen hatte. Eine Mehrheit der Türken macht Erdoğan für den Krieg gegen die kurdische Untergrundarmee PKK verantwortlich, dem nun nahezu täglich auch Soldaten und Polizisten zu Opfer fallen.

Übergangsregierung

Der international respektierte Wirtschaftsminister Ali Babacan nahm am Freitag seinen Abschied. Er wird der Übergangsregierung nicht angehören, die das Land bis zu den Neuwahlen führen wird; Babacan hatte bereits mehrfach seinen Wunsch zur Rückkehr in die freie Wirtschaft geäußert. Der amtierende AKP-Übergangspremier Ahmet Davutoğlu nahm dafür zwei Abgeordnete der Kurden- und Linkspartei HDP als Minister ins Kabinett auf. Beide sind nicht ethnische Kurden.

Erdoğan hat am Freitag das von Davutoğlu vorgeschlagene Kabinett gebilligt, das bis zur Parlamentsneuwahl am 1. November regieren soll. Wie Davutoğlu erklärte, gab Erdoğan nach einem einstündigen Treffen beider Politiker grünes Licht.

Die Minister der Übergangsregierung aus der bisherigen Regierungspartei AKP und der HDP, die laut Verfassung nicht vom Parlament bestätigt werden müssen, sollen am Samstag ihre Posten übernehmen. Die säkularistische CHP und die nationalistische MHP lehnten eine Beteiligung an der Interimsregierung ab. (mab/red, 29.8.2015)