Foto: Knesebeck

Franz Kafka notierte über seine erste Geschichte, seine Geburt als Schriftsteller: "Nur so kann geschrieben werden, (...) mit solcher vollständigen Öffnung des Leibes und der Seele." In acht Stunden war Kafkas gesamtes (imaginäres) Sein in Worten aus ihm hervorgequollen und zu einem Lebewesen aus Sätzen geworden.

Was sollte Leserinnen und Leser ab zwölf Jahren nun dazu verleiten, sich mit einem Text zu befassen, zu dem mehr als 200 Deutungsversuche aufliegen und in dem Kafka selbst "nichts erklären" konnte? Genau das: die Unmöglichkeit, die verstörend undurchschaubare Wortfolge intellektuell zu verstehen, befreit vom kompetenzorientierten Zwang dazu.

So kann man sich ganz der reinen Wirkung der Sprache öffnen – zumal als kongeniale Graphic-Novel-Adaption: Expressive, holzschnittartige, wuchtige Striche des Comickünstlers Moritz Stetter unterlegen den Text, verstärken die Wortbilder, legen Bilderworte neben Kafkas Sätze. Stetter schenkt der Welt Das Urteil ein zweites Mal. Für die nächste Generation kafkaesk Erschütterter. (Helmuth Santler, Album, 3.9.2015)