Zwei Tage und Nächte – von vergangenem Mittwoch bis vergangenen Freitag – musste Farid S. (Name der Redaktion bekannt, Anm.), ein 16-jähriger Asylwerber aus Afghanistan, vor dem Tor des Flüchtlingslagers Traiskirchen ausharren. Zusammen mit weiteren rund 15 vom Lager ausgeschlossenen Flüchtlingen schlief er auf dem nackten Boden – und gäbe es die vielen privaten Helfer nicht, hätte der Minderjährige wohl auch hungern und dursten müssen.

Ins Lager hinein durfte der 16-Jährige, der wenige Tage davor unbegleitet nach Österreich gekommen war und einen Asylantrag gestellt hatte, nicht. Dort hatte man ihn hochkant hinausgeschmissen. Grund dafür: Farid S. galt im Lager als abgemeldet. Bei einer der täglichen Standeskontrollen war er nicht angetroffen worden. Er habe der Aufforderung, aus einem Stockbett in einem Lagergebäude auf eine Zeltpritsche auf dem benachbarten Gelände der Sicherheitsakademie zu wechseln, nicht Folge leisten wollen und sei nicht umgezogen. Ein Lagermitarbeiter habe ihm daraufhin seine grüne Asylkarte weggenommen, erzählte Farid S. seinem Helfer.

Unversorgt, krank, fiebrig

Dieser – ein in Sachen Traiskirchen privat engagierter Mitarbeiter der Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits – hatte den Burschen vergangenen Freitag vor dem Lagereingang in einem jämmerlichen Zustand angetroffen. Nach zwei Tagen im Freien sei Farid S. stark verkühlt gewesen und habe Fieber gehabt.

Doch auf die Frage, wie es mit dem Minderjährigen weitergehen solle, hätten die Security-Leute an der Lagerpforte nur mit den Achseln gezuckt: Farid S. stehe nicht auf der Liste der Lagerbewohner. Zuständig für diese sei die Badener Polizei. Dort verwies ein Journaldienst an das Innenministerium und erteilte den Rat: Farid S. solle es am Montag am Lagereingang einfach wieder probieren.

"Ich habe den Burschen dann nach Wien zu mir nach Hause genommen. Ich hatte Angst, dass er andernfalls eine Lungenentzündung bekommt", schildert der Pinterits-Mitarbeiter. Seine Chefin drückt es drastischer aus: Der Rausschmiss von Farid S. sei als "massive Gefährdung des Kindeswohls" zu werten, das bis zum 18. Lebensjahr zu respektieren sei, sagt Monika Pinterits zum STANDARD.

"Wie kann man einen 16-Jährigen ohne Versorgung einfach auf die Straße setzen?", fragt Pinterits. Im Innenministerium begründet dies Sprecher Karl-Heinz Grundböck mit den in der Betreuungsstelle geltenden Regeln. Sei "anzunehmen, dass ein Asylwerber nicht mehr in Traiskirchen aufhältig ist", werde er abgemeldet.

Auch wenn es sich um einen Minderjährigen handelt? Immerhin, so Grundböck, befinde sich Farid S. inzwischen wieder im Lager. Tatsächlich durfte der Jugendliche dort Montagmittag hinein, nachdem ein privat engagierter Richter mit ihm zur Bezirkshauptmannschaft Baden gefahren war.

Einer der fünf Sozialarbeiter, die dort für alle 1500 in Traiskirchen lebenden unbegleiteten Minderjährigen zuständig sind, bestätigte die offiziell bereits am Freitag erfolgte Wiederaufnahme. Zwei Stunden davor hatten die Traiskirchner Pfortenwärter diesbezüglich nichts in ihrem Terminal gefunden – und den Burschen "auf morgen" vertröstet. (Irene Brickner, 1.9.2015)