Dass Ursula Stenzel nicht weiß, wie man Spannung erzeugt, kann man ihr nicht vorwerfen. Seit sie im November 2014 von der eigenen Partei, der ÖVP, vor vollendete Tatsachen gestellt wurde – nämlich dass sie nicht mehr als Spitzenkandidatin für die Innere Stadt vorgesehen ist –, wird über ihre Kandidatur gerätselt.

Als parteiunabhängige Kandidatin für den Posten der Bezirksvorsteherin wurden ihr durchaus Chancen zugeschrieben. Klar, sie hat eine hohe Bekanntheit im Bezirk, hat eine ebenso hohe Präsenz in den Medien. So wurde schon spekuliert, dass der Bezirk durch eine Spaltung der ÖVP rot oder grün werden könnte.

Dass Stenzel mit der FPÖ gemeinsame Sache machen wird, damit hatte aber niemand gerechnet. Es ist auch verwunderlich. Denn Stenzel braucht keine Partei hinter sich. Sie irrt, wenn sie sagt, es sei die "erfolgversprechendste Variante", mit der FPÖ zusammenzuarbeiten. Zu viele potenzielle Stenzel-Wählerinnen und -Wähler werden von der ausländerfeindlichen Politik der Freiheitlichen abgeschreckt.

Bürgerliche Werte gehen sich mit rechtem Gedankengut nicht immer aus. Hofratsdamen und -herren aus der Innenstadt mögen Stenzel für ihre umgängliche und bürgernahe Art schätzen, Sprüche wie "Oktoberrevolution für Wien" ziehen dort aber bestimmt nicht.

Aus FPÖ-Perspektive ist der Schachzug freilich genial. Bei der letzten Wahl kamen die Freiheitlichen in der Inneren Stadt auf nur 10,3 Prozent und blieben deutlich hinter ÖVP, SPÖ und Grünen zurück. Sie haben nichts zu verlieren und mit Stenzel jetzt ein bekanntes Zugpferd.

"Ich war sehr passiv", sagt Stenzel auf die Frage, wer denn wen angesprochen habe. Die FPÖ hat also um Stenzel gebuhlt. Die Schmeicheleien und das Umwerben dürften die ehemalige EU-Politikerin beeindruckt haben. Von der ÖVP war sie diese Zuneigung längst nicht mehr gewöhnt.

Stenzels Reaktion zeigt, wie ungeschickt die Landespartei hier agiert hat. Man hätte die langjährige Bezirksvorsteherin in die Überlegungen eines Generationenwechsels einbinden müssen, bevor man den jetzigen Spitzenkandidaten Markus Figl installierte. Nun muss die ÖVP ausbaden, was sie verbockt hat. Und hat der FPÖ indirekt sogar dazu verholfen, als ernstzunehmender Partner auftreten zu können.

Denn bisher waren die Freiheitlichen in ganz Wien weit davon entfernt, als Bezirksvorsteherpartei gehandelt zu werden. Nun sind sie wienweit salonfähig. Auch Stenzels Kandidatur auf dem dritten Platz der freiheitlichen Liste für die Gemeinderatswahl tut ihr Übriges dazu. (Rosa Winkler-Hermaden, 1.9.2015)